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Wer Interesse an Wing Tshun hat, informiert sich im Internet über die chinesische Kampfkunst Wing Tshun (Schöner Frühling) die weltweit verbreitet ist. Auch habe ich hier eine ganze Menge Blogbeiträge geschrieben, die ein Bild von Wing Tshun vermitteln sollen.

Meist gibt es in jeder größeren Stadt eine oder mehrere Wing Tshun Schulen. Eine gute Wing Tshun Schule zeichnet aus, dass man Zeit hat, sich den Unterricht anzuschauen. 2 – 4 Wochen Probetraining sind die Regel. Dabei lernt man bereits eine Menge über Selbstverteidigung.

Wer Wing Tshun lernt, wird meist in drei verschiedene Bereiche unterrichtet: Ein konditioneller Teil, ein klassischer Teil und verschiedene Drills, die Notwehrsituationen darstellen. Fortgeschrittene lernen den Umgang mit der Waffe (Stockkampf)) und werden an der Holzpuppe unterrichtet.

Über Geld sprechen die wenigsten Schulen. Eine gute Schule informiert bereits auf der Webseite (meist unter Trainingszeiten) über die Preise. Daraus sollte niemand ein Geheimnis machen. Auch im persönlichen Gespräch wird solchen Fragen nicht ausgewichen.

Bevor man loslegt, sollte man zumindest Tiefschutz, Schienbeinschoner und Faustschutz kaufen. Diese Ausrüstungsgegenstände sind auch dort zu kaufen, wo Wing Tshun unterrichtet wird. Erscheinen die Preise dafür unverhältnismäßig, schauen sie selbst nach, was es auf dem Markt gibt.

Der Unterricht, basiert vornehmlich auf ein Graduierungssystem (daher Schule). Den Teilnehmern ist es freigestellt, an den Prüfungen teilzunehmen. Die Prüfungsgebühren sollten ebenfalls moderat sein.

Wing Tshun Kampfkunst zeichnet sich durch ein gesundheitsbewusstes Training aus. Da spielt niemand den „Dummy“ für den anderen, der bereits viel länger trainiert. Die Atmosphäre ist von Respekt und Rücksichtnahme geprägt. „Sicherheit geht vor Technik!“ Wenn der Partner noch nicht so schnell und locker ist, wird darauf Rücksicht genommen. Es gilt das Motto: „Voneinander und miteinander lernen“.

Harte und weiche Kampfkunststile –

Die Kampfkünste unterscheiden sich in einigen Punkten, so dass man sie in verschiedene Stilrichtungen unterscheiden kann. Es gibt die harte Kampfkunst, z.B. das Kung Fu. Kung Fu zeichnet sich durch harte und kraftvolle Stoß- und Tritttechniken aus. Kraft und Schnelligkeit bestimmen unter anderem das Können des Kämpfers. Nachteil der harten Schule ist die hohe Belastung der Extremitäten, insbesondere der Knie- und Ellbogengelenke. Die damit verbundenen Gefahren von Verschleißerscheinungen machen das Erlernen und das Ausüben der Techniken im hohen Alter sehr schwierig.

Der weiche Stil legt Wert auf den gesundheitlichen Aspekt der Kampfkunst. Vertreter dieser Schule sollen die Kampfkunst bis ins hohe Alter ausüben können. Die Bewegungen sind daher weich und fließend. Stärke soll durch Kräftigung der inneren Organe, ähnlich wie bei der gymnastischen Heilbehandlung der alten Chinesen, und durch die Entwicklung der inneren Kraft Chi (Qi) erreicht werden.

Die Grundlagen der weichen Stile gehen wahrscheinlich auf den Taoismus zurück. Die harten und kraftvollen Bewegungen des Kung Fu sollen mit weichen, fließenden und nachgebenden Bewegungen begegnet werden. Eine chinesische Weisheit sagt: „Was hart ist bricht“. Das Tao te King erzählt viel von den Vorzügen der Weichheit und den Nachteilen der Härte „Ein Balkenstarker nimm kein gutes Ende“ und Bruce Lee (die Kampfkunstlegende) spricht: „Be water my friend“.

Im weichen Kampfkunststil, zu denen auch Wing Tshun zählt,  lernen wir unseren Körper, über die Fremdwahrnehmung, im Partnertraining, besser zu verstehen. Partnerübungen stellen weitaus mehr dar, wie das Üben von verschiedenen Hand- und Fußtechniken. Wir sind Sender und Empfänger zugleich. Ein Grund, warum Wing Tshun Kampfkünstlern der Ruf vorauseilt: „verhältnismäßig“ sprich angemessen zu reagieren.

Weitere Übungen zeigen uns Wege, die richtige Mitte, den richtigen Stand und die rechte Körperspannung zu finden (Eigenwahrnehmung).

.Auf der Welt gibt es nichts,
was weicher und dünner ist als Wasser.
Doch um Hartes und Starres zu bezwingen,
kommt nichts diesem gleich.

Dass das Schwache das Starke besiegt,
das Harte dem Weichen unterliegt,
jeder weiss es, doch keiner handelt danach.››


Laotse  

Bei Wing Tshun wird viel Wert darauf gelegt, wie man sich und seine Umgebung in die Krafterzeugung einbezieht, z.B. den Boden als Kraftquelle nutzt oder die Energie durch den Körper leitet (Energiekreis). Dabei lernen die Schüler, wie sich die Energie wie ein Peitschenhieb entladen lässt. Jede Bewegung des Körpers wird im Kontext gesehen. Alle Wirbel und Gelenke des menschlichen Körpers wirken zusammen und multiplizieren die Kraft. Wir sprechen i.d.Z. von Körperstatik, in dem Arme und Beine in einem bestimmten (optimalen) Winkel zur Körperachse stehen. Das hat Auswirkungen auf die Belastbarkeit der Gelenke und für den optimalen Schutz.  

Neben den verschiedenen Kraft – und Kampfprinzipien, auf die ich in meinem nächsten Blogbeitrag eingehe, wirken im Wing Tshun „Wu wei“ (nicht handeln). Das ist insofern interessant, dass die Wing Tshun Kampfkünstler, um aktiv werden zu können, einen Impuls (einen Angriff) brauchen. Sie sind daher nicht nur brillante Meister ihres Körpers, sondern sehr friedfertige Menschen. 

Mit meinen Kurzbeiträgen kann ich die Komplexität der Kampfkunst Wing Tshun nur annähernd beschreiben. Vielleicht mache ich neugierig, mehr darüber zu erfahren, es selbst einmal zu versuchen. Dabei bestimmt jeder selbst, durch seinen Fleiß, wie weit er kommt.

Wer Wing Tshun erlernen möchte, sieht zunächst die Selbstverteidigungsaspekte. Wie bekomme ich  als Wing Tshun Lehrer Menschen dazu, miteinander Selbstverteidigung, möglichst realistisch, zu üben, ohne sich zu verletzen? Grundvoraussetzung ist; sich selbst und andere besser wahrzunehmen.

Die Formen im Wing Tshun sind eine Hilfe, sich selbst zu konditionieren, sich selbst wahrzunehmen, d. h. erkennen wo die eigene Mitte ist, was ist zu hart, was ist zu weich… Die Formen lehren einen angemessenen Stand, nicht zu hoch, nicht zu tief, das Vorderbein bleibt weitgehend unbelastet, der Körper ist spannungsgeladen und flexibel. Das Wissen; zentrale Linie, grundlegende Bewegungen, verschiedene Wendungen, Schrittarbeit, Tritte, Prinzipien (Beispiel: Löse dich von deiner Kraft) welches durch  die Formen vermittelt wird, ist für das Training eine große Hilfe. 

Mit der Entwicklung der Schüler schreitet auch der Anspruch verschiedener Formen voran. Es gibt drei waffenlose Handformen: Die sogenannte Kleine Idee Form, die Form der Brückenarme und die Form der stoßenden Finger. Darauf folgen die Form an der Holzpuppe, die Form mit dem Langstock und die Form mit dem Doppelmesser. 

Umso länger man die Formen übt, umso mehr kann man darin erkennen. Für den ungeübten Schüler ist es eine abwechslungsreiche Formenfolge, die man zunächst vom Ablauf verstehen möchte. Später erkennt man in der Form ein „Gerät“, mit denen sich der Körper dahingehend konditionieren lässt, dass die Wing Tshun typische Körperspannung nicht mehr eingenommen werden muss, sondern – im Idealfall – immer vorhanden ist.

Wing Tshun Kampfkünstler stärken mit den Formen ihr Chi (Lebensenergie). Dadurch wird der Körper in seinen natürlichen, ausgeglichenen Zustand gebracht. Für sich genommen sind die Wing Tshun Formen  gesundheitsfördernde Bestandteile der Kampfkunst Wing Tshun, die viele Jahrhunderte als Geheimwissen nur wenigen Eingeweihten zugänglich waren. 

Durch ein langes Studium der Formen und durch viele Wiederholungen, soll der Körper, die Knochen, Sehnen, und Muskeln in die Lage versetzt werden, die auftreffende gegnerische Kraft in schnelle, explosive Abwehrbewegungen umzuwandeln. Der Schutzarm wird z.B. winkelig gegen den Schlagarm wie ein Peitschenschlag geführt, dass durch die kurze abwehrende Bewegung, der gegnerische Arm  nicht nur aufgehalten, sondern kampfunfähig wird, –  der Angreifer bestimmt durch seinen Krafteinsatz die Wirkung des Abwehrtreffer – so das Ideal. Viele Techniken folgen dabei biomechanischen Prinzipien. Diese zu erkennen, helfen ebenfalls die Formen.

Das Thema Wing Tshun und Philosophie kann an dieser Stelle, wie im Übrigen alle meine Blogbeiträge, nur kurz angeschnitten werden.

Die Zusammenhänge, die sich zwischen Wing Tshun und Philosophie ergeben, sind im zeitlichen Kontext und in der persönlichen Entwicklung eines Menschen zu sehen. Damit meine ich, dass wir entsprechend Veranlagung, Bildung und Umwelteinflüsse,  philosophische Gedanken interpretieren und Jahre später wieder völlig anders bewerten können.

Gerne wird Wing Tshun im Zusammenhang mit dem Taoismus gebracht. Es gibt weitere Zusammenhänge, die sich aus der konfuzianischen und buddhistischen Lehre ergeben. Dabei liegt es am Standpunkt des Betrachters, wie sehr er der jeweiligen Philosophie geneigt ist.

Als Kampfkünstler sind mir die philosophischen Aspekte von Konfuzius, die Lehre des Buddha und das Werk des Laotse (der Tao-te-king) (insbesondere die Gedanken über Wu und Wei – intuitives Handeln) und das Buch: „Die Kunst des Krieges“ des Generals und Philosoph Sunzi vertraut. Gleichwohl möchte ich nicht den Eindruck erwecken, ich wüsste alles darüber. Das Gegenteil ist der Fall. Umso mehr man sich mit Philosophie beschäftigt, umso mehr wird einem bewusst, wie wenig man doch weiß.

Ich mag es nicht, wenn Kampfkunstlehrer ihre Schüler mit den Weisheiten alter Meister bombardieren. Für mich zählt, wie man sein Leben gestaltet, wie sehr man Vorbild sein kann. Jeder kann die Welt der Philosophie entdecken. Verpackt in kurzen Texten (Geschichten), manchmal humorvoll, manchmal spannend, lädt Philosophie ein, nachzudenken über den Sinn des Lebens und das Sein.

Grundlegende Wing Tshun Weisheiten, wie z.B. der Satz: „Was hart ist bricht“, braucht man wohl keinen Kampfkunstschüler näher zu erläutern. Andere Weisheiten, wie z.B.: „Weich sein, heißt nicht schwach zu sein“, "Nachgeben, heißt nicht aufzugeben", erfordern hingegen eine Erläuterung, sollten diskutiert werden. Dabei kommt es neben der Kampfkunst, die wir pflegen, zu manch interessanter Diskussion.

Für mich sind Wing Tshun und Philosophie nicht losgelöst voneinander zu betrachten, aber auch nicht über zu bewerten. Vielmehr ist es erstrebenswert die Erfahrungen, die sich aus dem Wing Tshun Training ergeben, in den Alltag zu transportieren. Manchmal bedarf es dazu eines kleinen Anstoßes, um die Dinge, die wir im Training mit Selbstverständlichkeit tun, philosophisch zu betrachten und mit nach Hause zu nehmen.

Arnis  (Stockkampf) ist eine philippinische Kampfkunst, die auch als Eskrima oder Kali bekannt ist.  Traditionell werden im Wing Tshun bei höheren Schülergraden der Langstock und die Doppelmesser unterrichtet. Um die Wing Tshun Schüler frühzeitig auf waffengeführte Angriffe vorzubereiten, haben wir einige Techniken aus dem Arnis übernommen.

Die Angriffs- und Abwehrtechniken (auch Entwaffnungstechniken) lassen sich leicht auf Angriffe mit Alltagsgegenständen übertragen. 

Dabei unterscheiden wir schneidende Bewegungen und kurze Schläge. Schneidende Bewegungen haben den Nachteil, dass sie oft über das Ziel hinausgehen. Es werden daher kurze, präzise Schläge nach dem Prinzip „Stein auf Wasser“ bevorzugt. Dahinter steckt der Gedanke, dass sich nach dem Konterschlag, der Stock (wie ein springender Stein auf der Wasseroberfläche) ein neues Ziel sucht.

Wir verwenden den 60 cm Kurzstock. Das Stockkampftraining vermittelt schnell ein Gefühl von Sicherheit. Der große Vorteil im Stockkampf ist, dass man sich mit einem Stock, unabhängig von der körperlichen Konstitution, leicht gegen mehrere Gegner verteidigen kann. Viele Menschen die Selbstverteidigung lernen, vertrauen weniger ihrer Schlagkraft und haben eine große Hemmschwelle – selbst in einer Notwehrsituation – einen Gegner zu treffen, zu berühren. Der Umgang mit dem Kurzstock kann helfen diese natürliche Hemmschwelle abzubauen.

Weitere Vorteile des Stockkampftrainings sind, dass wir mit dem Stock über eine weitaus größere Reichweite und Bewegungsgeschwindigkeit (Schlagkraft) verfügen. Die größere Distanz, verbunden mit raffinierter Schrittarbeit, bis hin zu Schlägen aus der Körperdrehung, macht den Anwender zu einem gefährlichen und schnellen Gegner. Dabei ist es ebenso möglich, einen Angriff mit dem Kurzstock abzuwehren und infolge der weiteren Handlung, den Gegner „verhältnismäßig“ ohne Stock zu kontrollieren. Vieles von dem was wir im Stockkampf lernen, können wir auf die waffenlose Kampfkunst Wing Tshun übertragen und umgekehrt. So ist der Stockkampf die ideale Ergänzung für unser Training.

Die Wing Tshun Holzpuppe (Mook Yan Joang)

In einem Shaolinkloster soll es eine Halle mit einem langen Gang gegeben haben, in der 108 Holzpuppen aufgestellt waren. Die Abschlussprüfung des Kung Fu Studiums, führte den Mönch durch diesen Gang. Die durch Mechanismen beweglichen Puppen stellten eine ernstzunehmende Gefahr für den Mönch dar. Wer diese Prüfung bestanden hatte, musste am Ausgang zwei glühend heiße Gefäße mit den Unterarmen beiseiteschieben. Dabei wurden dem Mönch der Tiger und der Drache in die Unterarme gebrannt.

Soweit die Legende vom Ursprung der Holzpuppe. Der Holzpfahl, mit und ohne Arme, hat eine lange Tradition in den Kampfkünsten. Ob dieser nun zum Waffentraining genutzt wurde, dass Gleichgewicht trainierte (Pflaumenholzpfähle) oder die Schlagkraft erhöhte. Großmeister Ip Man verbreitete das Wissen über die Holzpuppentechniken und optimierte die Holzpuppenform so wie wir sie heute kennen auf 116 Techniken.

Heute zählt das Training mit der Holzpuppe zum Höhepunkt in der Entwicklung eines Wing Tshun Schülers. Bevor es jedoch an die Holzpuppe geht, hat der / die Schüler/in durch fleißiges Üben ein Verständnis von den Prinzipien in Wing Tshun entwickelt. Damit können Verletzungen, durch das Training an der Holzpuppe, vermieden werden. Einige relativ schnell zu erlernende Übungen können den Einstieg an der Holzpuppe erleichtern.

Die Holzpuppe optimiert die Schritt und Handtechniken. Zudem wird die Koordination, das Gleichgewicht, das Distanzgefühl und das Verständnis für Winkel (Ausrichtung zum Gegner) verfeinert. Viele Techniken, die an der Holzpuppe geübt werden, lassen sich mit einem Partner umsetzen. Denkbar ist, dass die einstudierten Holzpuppentechniken, ohne Holzpuppe oder mit einem Trainingspartner geübt werden. Dabei wird, wie bereits beschrieben, neben der Visualisierung, die Koordination, die Schrittarbeit, das Distanzgefühl und das Gleichgewicht trainiert. Die Holzpuppentechniken sind nicht völlig neu und fremd, von dem was wir bisher gelernt haben, sondern finden sich in den verschiedenen Formen und bekannten Bewegungen wieder. Neu ist, dass bestimmte Techniken kombiniert, bzw. gleichzeitig ausgeführt werden.

Vom Holzpuppentraining können Anfänger und Fortgeschrittene profitieren. Die Holzpuppe ist somit eine wichtige Hilfe, die, neben dem H-Balken, dem Stockkampf, dem Langstock- und Doppelmessertraining und dem bevorzugten Partnertraining das Wing Tshun Training erheblich aufwertet und auf Jahre abwechslungs- und facettenreich gestaltet.

Wing Tshun und Chi Sao

Nachgeben heißt nicht aufgeben.

Eine der Besonderheiten im Wing Tshun ist das Chi Sao Training. Hierbei werden Einzeltechniken sinnvoll miteinander kombiniert.  Chi Sao, bedeutet übersetzt "klebende Hand" und ist eine spezielle Trainingsmethode zur Verbesserung der taktilen Reizwahrnehmung. Dabei nutzen wir die Eigenschaften, Fähigkeiten unserer Haut, bzw. der darunter liegenden Rezeptoren. Grundsätzlich geht es darum, dass über Wahrnehmung der Haut, der Druck eines Partners (ein Angriff) erkannt und durch entsprechende eingeübte Bewegungsmuster vereitelt oder umgeleitet werden kann.

Durch Chi Sao – wird im Verlauf der Zeit der ganze Körper konditioniert. Jede Außen Einwirkung lässt den Körper reagieren, ausweichen und gleichzeitig wieder vorgehen. Vielleicht vergleichbar mit einem Ast, den man wegschiebt und der, nachdem er nachgegeben hat, wieder zurück in seinen ursprünglichen Zustand möchte. Der Körper, als Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und Bänder gedacht, funktioniert wie ein gespannter Bogen, der vom Angreifer gespannt und ausgelöst wird. 

Durch das „Kontakt suchen“,  nimmt der Verteidiger dem Angreifer den Raum, den er braucht, um Kraft für einen Schlag oder Tritt aufzubauen. Behält der / die Wing Tshun Mann / Frau diesen Kontakt bei ("kleben bleiben"), so weiß er / sie stets, wo sich der Gegner befindet und was er gerade plant. Das wird in guten Wing Tshun Schulen auch blind trainiert. Nachgeben ist also kein aufgeben, sondern ein „aufladen“. Die Antwort (der Gegenschlag), ist so energiegeladen, wie der Angriff selbst.

Das Prinzip – hat auch einen philosophischen Aspekt, so gibt man oftmals im Leben nach, verfolgt dasselbe Ziel jedoch weiter – vielleicht auf anderem Weg.

Weich sein, heißt nicht schwach zu sein.  

Wer kennt sie nicht, die Szene, wo sich zwei Gegner bedrohlich voreinander aufbauen, sich anschreien, schubsen und schließlich aufeinander einschlagen. Gewalt ist die primitivste Form menschlicher Kommunikation. Wer sich ebenso verhält, signalisiert seinen Gegenspieler „Ich möchte mit dir kämpfen“.

Ich habe viele Menschen kennen gelernt, die hatten es bitter nötig, einige Selbstverteidigungstechniken zu lernen, konnten sich jedoch nicht überwinden. Wie bekommt man diese Menschen, für die Wing Tshun Selbstverteidigung entwickelt wurde, dazu, sich zu bewegen, ihre Angst zu überwinden?

Der erste Schritt ist der schwierigste

Wing Tshun zeichnet sich durch ein Training aus, wobei die Menschen voneinander und miteinander lernen. Da gibt es keinen Raum für „einen Sieger“, einen rücksichtslosen Egomanen, der nur seine Interessen sieht.

Wir üben gemeinsam mit wechselnden Partnern und wer sich da mit unverhältnismäßiger Härte zeigt, ist fehl am Platze. Wollen wir uns beim Training gegenseitig die Nase brechen oder wollen wir lernen, wie sich das vermeiden lässt? Oder müssen wir uns erst die Nase brechen lassen, um schneller und brutaler zu werden, wie ein möglicher Angreifer? Das alles sind Fragen, mit denen ich mich beschäftige. Das Training soll Spaß machen und den Einzelnen in seiner Entwicklung fördern.

 

Das Lernsystem

Das Lernsystem im Wing Tshun setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Ob nun Low Kick, Haken, Schwinger, Faust,- Knie,- oder Ellenbogenstoß, auf alles muss es eine Antwort geben. Die verschiedenen Angriffsmöglichkeiten werden gleichsam von vier verschiedenen Seiten aus betrachtet. Es gibt die Abwehr mit rechts und links und den Angriff mit rechts und links. Die am Anfang einfachen Bewegungsfolgen werden im sogenannten „Lat Sao Kampf“ (kontrollierter Zweikampf) drillmäßig geübt. Beachtenswert ist, wie schnell man die verschiedenen Reaktionen lernt.

 

Hart & Weich.

Eine herausragende Metapher um zu erklären, worum es im Wing Tshun geht, ist die Umschreibung „Hart & Weich“. Der Kampf ist ein ständiges Wechselspiel zwischen „Hart & Weich“.“  Wenn der Angreifer, der Gegner mit zu großer Kraft vorgeht, wird nachgegeben. Sieht man eine Lücke, wird diese genutzt. Neu ist das sicher nicht, so wird eigentlich in jedem Zweikampf der Raum genutzt. Im Wing Tshun versucht man jedoch ein möglich großes Gefühl dafür zu entwickeln, diesen Kräftefluss zu erkennen, möglichst frühzeitig zu reagieren. Wir brauchen daher ständiges Partnertraining um uns selbst und den Partner besser einschätzen zu können.

Jede Kampfkunst, jede Kampfsportart hat ihre Formen (festgelegte Bewegungsabläufe) die einstudiert werden. Damit werden verschiedene Ziele verfolgt. So kann man damit Kraft und Ausdauer fördern, einen guten Stand vermitteln, neue Bewegungen vertraut machen, die Atmung kontrollieren, die Bewegungen abrunden (fließen lassen). Es gibt eine ganze Reihe gesundheitlicher Aspekte. Daneben fördern wir unsere Disziplin und weitere mentale Kräfte.  Wer Kampfkunst intensiv betreibt, kommt nicht umhin, seinen Tag diszipliniert zu begehen, wer täglich übt wird auf ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung achten, um beim nächsten Training bestehen zu können. Das sind positive Nebeneffekte.

 

Mit den Wing Tshun Formen können wir uns selbst konditionieren. Hier sind nicht Kraft und Härte sondern Beweglichkeit und Balance gefragt. Eines der Wing Tshun Prinzipien heißt: „Löse dich von deiner Kraft“. So üben wir die Form nicht zu angespannt (hart), aber auch nicht ohne Körperspannung (weich). Es gilt die „MITTE“ zu finden. Daneben inspirieren die Formen die Schüler.

Die einzelnen Sätze lassen sich auf verschiedene Weise kombinieren und auch im Zweikampf anwenden. Sie sind also nicht losgelöst von der Praxis (vom Kampf) zu betrachten, sondern sollen vielmehr integraler Bestandteil sein. So sind das Training mit Partner und das Üben der Wing Tshun Formen gleichermaßen von Bedeutung. Was man in den Formen erkennt, liegt zunächst an der Anleitung durch einen erfahrenen Lehrer. Später finden die Übenden selbst heraus, was es zu entdecken gibt. Dabei ist der Weg das Ziel.