Eines vorweg, jede Sportart hat ihre Liebhaber. Die Stile, Trainingsmethoden, anderer Kampfsport,- Kampfkunstschulen sind so zahlreich, dass sie kaum noch überschaubar sind. Schüler, Kämpfer, Sportler, alle, die sich in diesem Bereich betätigen, haben Freude daran gefordert zu werden, sich zu messen, an Wettkämpfen teilzunehmen oder einfach gesund und fit zu bleiben.
Viele Kampfkünste / Kampfsportarten blicken auf eine lange Tradition zurück und haben ihre eigene Geschichte. Andere sind erst in den letzten Jahren entstanden und eine Mischung aus verschiedenen Stilen.
Wer sich für Kampfsport / Kampfkunst interessiert hat unterschiedliche Beweggründe. Nicht immer besteht der Wunsch, sich in Notwehrsituationen verteidigen zu können. Für die jeweiligen Lehrer ist es nicht leicht zu unterscheiden, wen sie da unterrichten und wofür die Techniken verwendet werden. So lastet auf den Kampfkunst- / Kampfsportlehrer Verantwortung.
Es wäre zu einfach, Menschen weiterzuschicken, die der eigenen Meinung nach nicht geeignet sind in Kampfsport / Kampfkunst unterrichtet zu werden. Ein guter Kampfkunst- / Kampfsportlehrer kann einem aggressiven Menschen, der statt Worte seine Fäuste sprechen lässt, mit einem anspruchsvollen Training einiges von seiner Aggressivität nehmen. Hier kann das Training eine Ventilfunktion haben. Auch der aggressive Mensch kann im Training viel lernen. Das Training stellt eine Form der Kommunikation dar.
Ohne Worte lernt der „Sprachfaule“ seine Trainingspartner verstehen, seine Empathiefähigkeit wird gefördert. Eine schwierige, möglicherweise auch langwierige Aufgabe. Wing Tshun ist regelfrei und trotzdem geeignet, in kurzer Zeit grundlegende Werte zu vermitteln. Der Einzelne kann nur weiterkommen, wenn er lernt das Spiel durch einen „billigen Sieg“ nicht zu unterbrechen, sondern weiterzukämpfen, um in eine höhere Liga aufzusteigen, wo er kämpferisch weitaus stärker gefordert wird.
Diese Entwicklung schließt den Partner ein. Beide müssen miteinander üben, ohne sich zu verletzen, wollen sie weiterkommen. Wer sich nicht an die „Spielregeln“ hält, findet niemanden, der bereit ist, Trainingspartner zu sein. Es gibt keinen Dummy (Verlierer), sondern, wenn beide die richtige Einstellung haben, zwei Sieger.
Mens sana in corpore sano –
Chi steht für innere Stärke –
Chi oder Qi, wie es in unterschiedlicher Schreibweise und Aussprache in Fernost heißt, steht für bewusste Wahrnehmung. Der aus der Ukraine stammende und später nach Israel emigrierte Moshé Feldenkrais (1904–1984), entwickelte in der Neuzeit (den 60er Jahren) ein pädagogisches Konzept. Ziel ist es dabei, die Elemente Bewegung, Sinnesempfindung, Gefühl und Denken über das Element Bewegung zu verändern und zu entwickeln.
Kampfkunst, aber auch andere Bewegungsformen können dazu führen, die in uns wohnenden Kräfte zu kultivieren. Wie weit das geht, liegt an den Trainingsmethoden, dem persönlichen Ehrgeiz und der Disziplin. Dabei wird auch bei der Kampfkunst Wing Tshun, durch ständiges Üben, das Qi gestärkt und im Umkehrschluss hat das gestärkte Qi Einfluss auf die Kampffähigkeit und auf das tägliche Leben des Übenden.
Shaolinmönche, die mit ihrer Show durch die ganze Welt ziehen, belegen eindrucksvoll, dass man seine Kraft auf einen Punkt konzentrieren und z.B. Steinplatten mit einem Schlag zerteilen kann, ohne sich selbst zu verletzen. Die Aufmerksamkeit die den Mönchen dabei zuteil wird, ist dieser unglaublichen Leistung geschuldet, nur wenige Zuschauer fragen, was den Mönch dazu befähigt.
Die Idee, dass der Mensch von Lebensenergie, vom Qi durchströmt wird, ist ein wesentlicher Teil des fernöstlichen, traditionellen Weltbildes. Dabei geht es weniger um Dinge die sich medizinisch belegen lassen, wie um eine gefühlte, innere Wirklichkeit. Dabei sind Temperament, Emotionen, Konzentrationsfähigkeit, Willenskraft und Widerstandskraft gegen Krankheiten … Parameter, die Bestandteile des Qi sind und von dessen Existenz zeugen.
Heute tragen wir diesen Vorstellungen in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) Rechnung, die sich weltweit verbreitet hat. In der Esoterik wird Qi schlicht als „Lebensenergie“ bezeichnet und zumeist von naturwissenschaftlich geprägten Menschen bezweifelt.
Tatsache ist, dass wir mit Kampfkunst, die in uns wohnende Kraft stärken, weiterentwickeln, kultivieren. Jeder weiß um den positiven Einfluss von Sport auf unsere Vitalität. Wir wissen, dass sich gesunder Geist im gesunden Körper ergänzt. Die Kampfkunst Wing Tshun vermittelt Eindrücke bei der Eigen- und Fremdwahrnehmung, die uns lehren, auf unseren Körper zu hören. So ist gerade Wing Tshun geeignet, in einem Umfeld gegenseitiger Toleranz und Rücksichtnahme, die Empathiefähigkeit zu fördern. Wer u.a. über seine Umwelt sein Verhalten reflektiert, kann bewerten, wie es um sein Qi bestellt ist und daran arbeiten. Ein weiterer interessanter Aspekt, der mich als Wing Tshun Kampfkünstler bestärkt fleißig zu üben.