Viele Menschen die mit Selbstverteidigung beginnen, fühlen sich bedroht. Umso mehr sie können, umso mehr schwindet dieses Gefühl und verliert sich schließlich ganz. Oftmals ist es die Angst, die manche Situation eskalieren lässt. So gibt es in uns selbst Mauern, die es zu überwinden gilt.
Hier möchte ich über die „gegnerische Mauer“ schreiben. Muskelbepackte Arme und Beine des Angreifers, die für Treffer fast unempfindlich sind. Wir betrachten die gegnerischen Arme wie ein Hindernis, die es niederzuschlagen gilt. Unser Ziel liegt schließlich dahinter; die empfindlichen Körperteile des Angreifers.
Wie soll ein Mensch, der 30 – 50 kg weniger wiegt, etwas ausrichten – wie kann er / sie diese unüberwindliche Mauer umgehen? Wir können einem Angriff „ausweichen“, die Deckung „unterlaufen“, „Täuschungsmanöver“ einsetzen. Wir dürfen die gegnerischen Arme und Beine nicht als „Mauer“ betrachten, sondern als „Sprungbrett“. Nach dem Prinzip „Stein auf Wasser“ prallt der Abwehrschlag über harte Arme oder Beine in das Ziel. Fast wie eine Kettenreaktion und mit überraschendem Ergebnis.
Wir sprechen bei Wing Tshun Selbstverteidigung von „Abwehr und Angriff in einer Bewegung“ (Gleichzeitigkeit). Wir brauchen eine Angriffskraft, die uns „beschleunigt“ und damit den Antrieb liefert, unsere Techniken anzuwenden. Der Angreifer spannt den Bogen (dich) und liefert somit die Energie um deine Waffe (deinen Arm, dein Bein) in das gegnerische Ziel zu bringen. Stoßen dein Arm oder Bein auf ein Hindernis, prallen deine Glieder am gegnerischen Arm oder Bein ab und setzen ihren Weg zum Ziel fort.
Das ist keine Zauberei – sondern Übung. Der menschliche Körper ist von Natur mit Knochen, Sehnen und Muskeln ausgestattet, die sich dafür konditionieren lassen. Dabei handelt es sich um eine Wiedererlangung von Fähigkeiten, die überall in der Natur zu beobachten sind. Keine Katze könnte es so lange vor einem Mauseloch aushalten und dabei in Sekundenbruchteilen zuschlagen, wenn sie nicht über dieselben Fähigkeiten verfügen würde.
Wir sind Menschen des 21. Jahrhunderts. Wir bewegen und ernähren uns nicht körperbewußt. Wir wissen, dass wir viele Dinge falsch machen und machen es trotzdem.
Wing Tshun Selbstverteidigung fördert die Eigen- und die Fremdwahrnehmung. Mit diesem Wissen ist es nur ein kleiner Schritt zu erkennen, dass sich der Einsatz zum Erwerb verloren geglaubter Fähigkeiten lohnt. Dabei ist Wing Tshun mehr als ein Hobby, eine sportliche Übung, sondern gehört zum Tag wie essen, schlafen und duschen.