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Di 11 Okt 2011
Nicht nur in Kampfkunstschulen erfolgt die gegenseitige Begrüßung mit einer Verneigung oder mit einem Handzeichen. Alle Kampfkünstler, viele Sportler dieser Welt haben ihre ganz eigene Art zu Grüßen, wenn sie einander zum Training begegnen.
Begrüßungen, in welcher Form auch immer, bedingt durch die Vielzahl der Stile, sind Sitte und fester Bestandteil, nicht nur im traditionellen Chinesischen Wing Tshun. Damit soll gegenüber dem Trainingspartner, dem Lehrer, dem Schüler, dem Trainingsort und der Kampfkunst, Respekt zum Ausdruck gebracht werden. Respekt vor den Mühen der Ahnen, die jeweilige Kampfkunst zu erhalten und weiterzugeben. Respekt gegenüber den Fähigkeiten und der Persönlichkeit seines Gegenübers. Der Gruß wird deutlich wahrgenommen.
Die Begrüßung hat viele Bedeutungen. Das in unserer Kultur verbreitete „Händeschütteln“ war in China lange Zeit undenkbar. Es gilt heute noch als „unfein“, jemand die Hand zu geben. Viele Chinesen fühlen sich dabei bedroht oder vermuten einen Angriff. Zu Recht mieden Kampfkünstler einen solchen Gruß, weil bereits aus einem Händedruck verschiedene Hebeltechniken abgeleitet werden können. Heute wird das Händeschütteln, besonders in Erkältungszeiten (Ärzte raten dazu), aus praktischen Erwägungen gemieden.
Der Gruß konnte in China ebenso ein „Erkennungszeichen“, politischer Geheimbünde und Sekten sein. So stand z.B. die Faust als Zeichen für die Sonne (für die Ming Dynastie), die man nach der Machtübernahme durch die Qing (Manchuregierung), in den alten Zustand zurückversetzen wollte und die es zu schützen galt (gestreckte Hand).
1986 wurde durch das Zentralkomitee für Volkssport der kommunistischen Partei in Peking die Begrüßung für das moderne Wu Shu standardisiert. Als Begrüßung wurde die Faust neben der gestreckten flachen Hand der nördlichen Shaolin Klöster übernommen.
Heute sprechen wir in Deutschland oftmals von einem Mangel an Grußkultur. Es wird in den Städten immer weniger gegrüßt. Die Menschen gehen stumm aneinander vorbei. Dabei bringt ein freundlicher Gruß, ob nun das Händeschütteln oder ein freundlich gewünschtes „Guten Tag“, die Menschen näher. Im aufeinander zugehen, gehört der Gruß bereits zur Aufnahme der Kommunikation, für den einige Regeln gelten (in die Augen schauen). Die Offenheit, die Freundlichkeit, die dadurch zum Ausdruck gebracht wird, prägt den Umgang des Gesprächs, des Miteinanders. Die Begrüßung in den Kampfkünsten ist durchaus nicht losgelöst zu betrachten und stellt somit keine Besonderheit dar.
Mi 21 Sep 2011
Noch nie standen die Leute vom Ordnungsamt so im Rampenlicht wie in den letzten 2 Jahren. Geil, immer man drauf! Die haben ja ein dickes Fell die können es vertragen und haben’s auch verdient. Wie hat das eigentlich angefangen, und warum hegt der Bürger so einen Groll auf die Ordnungshüter?
Früher war das Amt weitgehend unbekannt. Präsentiert wurde es von einem Marktaufseher, der die Wochenmärkte in den einzelnen Stadtteilen beaufsichtigte. Ein Mitbürger, ohne dicken Hinweisaufdruck auf seiner Jacke. Es funktionierte. Heute haben sich die Orte der Aufsicht ausgeweitet. Mehr Personal wurde eingestellt, so präsenter, umso mehr Ärger gab und gibt es.
Um die Bürger zu schützen. Gefahren abzuwenden. Also immer mehr polizeiliche Aufgaben. Und das, so in den Köpfen der Bevölkerung, ohne jegliche große Ausbildung. Schulungen oder Wochenendseminare sollten ausreichend sein. Angestellte, arbeitend in einem Bereich, der für sie fremd ist, aber gezwungenermaßen ein Job ist. Klar, dass man da stolz sein kann. Ja, muss. Dicke Jacke mit Aufdruck und Abzeichen, die passenden elektronischen Geräte dazu und ein einigermaßen funktionierendes Mundwerk. Jetzt schon ganz nah dran an einem Polizeibeamten.
Das ging sogar soweit, dass anfänglich nach Einstellung vieler Ordnungshüter, gleichzeitig Dienstwagen angeschafft wurden, die mit einem Blaulicht ausgestattet waren. Das war den oberen der Stadt natürlich zu peinlich, außerdem rechtswidrig, und so wurden sie schnell wieder ausgetauscht in gelbe Blaulichter.
Nur das bläuliche Auftreten der Ordnungshüter ist geblieben. Macht! Macht die manches Unwissen überdeckt, in der Ausführung der Arbeit und in der Anwendung. Das bekommt natürlich der Bürger zu spüren, wohl wissend um die Hintergründe. Jagd auf Hundehalter, Jagd auf Fahrradfahrer, Jagd auf den ruhenden Verkehr, Jagd auf trinkende Jugendliche, usw. Alles Gefahren, vor die wir von diesen Ordnungshütern beschützt werden sollen. Die Verantwortlichen sitzen woanders, auf ihren Stühlen im Büro und planen zum Beispiel verantwortlich Veranstaltungen freiheitsliebender Bürger, ob sie nun wollen oder nicht. Ob es ihnen passt oder nicht. Da wird genau vorgeschrieben, wo der Grill zu stehen hat, die Zapfanlage. Ob Toiletten vorhanden sind, in ausreichender Zahl. Egal ob die Veranstaltung privat oder öffentlich ist. Ab 2015 wird ein Furz in der Öffentlichkeit als Ordnungswidrigkeit betrachtet und wird mit einem Ordnungsgeld belegt. Durchaus möglich und warum nicht? Eine Bevormundung ist das, Einmischung in innere Angelegenheiten. Tatsächlich? Hinterfragen sie dies mal.
Das ist Gesprächsthema in der Stadt meine Herren und Damen. Die Befürworter der Maßnahmen des Ordnungsamtes sehen diese Angestellten der Stadt als Polizisten. Durchaus ein psychologischer Trick in der Außenwirkung von diesem Amt. Es gibt aber nur einen Polizeiapparat. Der Apparat Ordnungsamt ist kaputt. Augenblicklich kann er nicht repariert werden. Er muss neu angeschafft werden.
Und jetzt, was jetzt? Quatsch, oder ist was dran? Brauchen wir tatsächlich ein aufgeblasenen gelben Blaulichtapparat? Oder geht es darum gar nicht?
Sa 17 Sep 2011
Eine herausragende Übung im Wing Tshun nennt sich „Klebende Hände“ auf Chinesisch „Chi Sao“. Dabei handelt es sich um Partnerübungen, bei der durch kontinuierliches Drücken der Arme gegen die Arme des Partners, ohne den Kontakt zu verlieren, Bewegungsschleifen durchgeführt werden. Dabei wechseln ständig die Informationen vom drückenden und empfangenden Partner hin und her. Es ist somit ein Wechselspiel, zu viel oder zu wenig Druck, welches sich auf den ganzen Körper projiziert.
Die Arme dienen dazu, die wechselnden Druckverhältnisse aufzunehmen und in den Körper weiterzuleiten, die Körperspannung, die eigene und die des Partners erfahrbar zu machen, zu konditionieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen (vorgehen, wenden, zurückweichen).
Zum Lernerfolg zählen blitzschnelle Reaktionen, die ohne nachzudenken ausgeführt werden können, sobald von einem Gegner, auf die vorgeschobenen, schützenden Arme, Druck ausgeübt wird. Dabei lernt der / die Schüler/in schnell, dass der Druck richtig „gesendet“ und „empfangen“ werden muss, weil die Schultermuskulatur nicht dazu geschaffen ist, längerfristig starken Druck (noch dazu von einem großen und schweren Partner) aufzunehmen, bzw. dass der Körper bei schlechten Stand, unkontrolliert nach vorne oder zurück fällt.
Die Übung stärkt den sicheren Stand (Gleichgewicht), als auch die Wahrnehmungsfähigkeit der Übenden. So lernt man maßvoll mit der eigenen Energie umzugehen, bzw. mit dem Körper zu „hören“ (Kräftefluss) und Chancen zu nutzen, die sich aus einer nicht geschützten Stellung bieten.
Im Freikampf werden alle Chi Sao Übungen (Kombinationen) regelfrei geübt. Dabei gibt es nur die Nahkampfdistanz, in der ebenso Ellenbogen und Beine eingesetzt werden dürfen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig Ansatzpunkte zu erkennen, Lücken in der Deckung des Gegners zu erkennen und diese aus verschiedenen Winkeln zu nutzen. Die Partner sehen dabei keinen Vorteil in dem sie voreinander zurückweichen, sondern indem sie die Nähe suchen.
Gerade diese Übung lässt sich in Verbindung mit philosophischen Grundsätzen des Daoismus bringen. Chi Sao ist eine Übung, in der die schützende Deckung des Gegners nicht als unüberwindliche Mauer betrachtet wird, sondern vielmehr als Sprungbrett, diese Mauer zu überwinden. Wuwei lehrt, dass man nur abzuwarten braucht (handeln durch nicht tun), der Gegner, im Bemühen etwas zu tun, seine Deckung öffnet (spontanes handeln).
So 21 Aug 2011
Eine moderne Kampfkunst muss heute verschiedenen Ansprüchen genügen. Wir werden beruflich oder in der Schule gefordert. Wir können es uns nicht leisten, durch unser Hobby, unseren Job oder unsere Ausbildung zu gefährden.
Eine der Lernmethoden im Wing Tshun ist das Kämpfen im sogenannten „kontrollierten Zweikampf“ (Lat Sao). Dabei können alle Techniken ausprobiert und miteinander kombiniert werden. Abhängig von der Graduierung der Schüler werden verschiedene Lat Sao Programme geübt. Kernpunkt dieser Programme sind die verschiedenen Distanzen, wobei die Rolle des Angreifers, des Verteidigers, rechts und links ständig wechseln. Ebenso wichtig sind dabei Schrittarbeit und der richtige Stand. Faustschutz, Schienbeinschoner und Tiefschutz müssen hier getragen werden. Fast schon nebenbei erfährt man dabei etwas über die Wing Tshun Kraft,- und Kampfprinzipien, die sich hier unmittelbar beim Partnertraining nachvollziehen lassen.
Es gilt mit den Techniken sich selbst zu konditionieren, zu justieren. Ausdruck dessen, ist eine steigende Selbstverteidigungsfähigkeit, verbunden mit einer wachsenden Wahrnehmungsfähigkeit.
Diese Wahrnehmungsfähigkeit schützt mich und meinen Partner vor Verletzungen. Meist haben die Menschen diesbezüglich ein falsches Bild von Kampfkunst, Kampfsport. Die größte Kunst ist, möglichst realitätsnah zu kämpfen und trotzdem unverletzt zu bleiben.
Viele Sportler gehen an ihre Leistungsgrenzen. Sportunfälle aber auch unverhältnismäßig hoher Verschleiß (z.B. an den Gelenken) sind nicht selten die Folge. Dabei sollte Sport der Gesunderhaltung dienen. Spätere gesundheitliche Einschränkungen, sollten nicht der Preis für zeitlich begrenzte Höchstleistungen sein. Mit Wing Tshun wird man vielseitig gefordert. Diese vielseitige Beanspruchung braucht der Körper. Die Fähigkeit sich verteidigen zu können, ist nach einiger Zeit nicht einziger Beweggrund sein Wing Tshun Training fortzusetzen. Es macht einfach Spaß auszuloten, was kann ich, wie weit kann ich mich entwickeln, was für ein Potential habe ich?
Fr 19 Aug 2011
Zur Entstehung von Wing Tshun – Die Legende
Vor mehr als 250 Jahren, in der Ching Dynastie soll ein Kung Fu Kloster durch Soldaten der Manchu Regierung niedergebrannt worden sein. Unter den Überlebenden, die Nonne Ng Mui. Sie flüchtet in die Berge, zieht sich zurück und widmet sich dem Studium der Kampfkunst. Beeinflusst durch Wissen, Philosophie und Naturbeobachtung, entwickelt Ng Mui ein neues Kampfsystem, welches die bestehenden Shaolin Kung Fu – Techniken besiegen konnte. Die Beobachtung eines Kampfes zwischen Fuchs und Kranich soll ausschlaggebend gewesen sein. Dabei übernahm Ng Mui das Konzept, nach dem der Kranich, mit dem körperlich überlegenen Fuchs kämpfte und passt die Techniken den Bedürfnissen des menschlichen Körpers an. Ng Mui´s neues System ist nicht schön und eignet sich daher nicht für Kampfkunstgalas. Es geht allein um Effektivität – schnörkellos, präzise und unfair.
Die erste Schülerin, deren Namen die neue Kampfkunst trägt, sollte einen stadtbekannten Schläger heiraten. Ng Mui unterrichtete Yim Wing Tshun in der neuen Kampfkunst. Damit gelang es Yim Wing Tshun sich des Mannes zu erwehren, der sie fortan nicht mehr belästigte. Yim Wing Tshun lehrte die neue Kampfkunst ihren späteren Mann Leung Bok Chau. Damit beginnt die Geschichte des Wing Tshun Stammbaums, der heute mehr und mehr Blüten trägt.
Do 18 Aug 2011
Mit Wing Tshun wurde ein Stück chinesische Kultur in den Westen transportiert. Nicht nur die chinesische Art zu kämpfen, sondern die chinesische Weise zu denken, erreichte den Westen.
Großmeister im Wing Tshun Ip Man hat der Welt ein gut gehütetes Geheimnis vererbt. Ip Man wanderte, nach dem 2. Weltkrieg, zurzeit als Teile Chinas durch Japan besetzt waren, nach Hongkong aus. Hongkong war seinerzeit britische Kronkolonie. Dort verdiente der Großmeister sein Geld, indem er chinesische Restaurantarbeiter in Selbstverteidigung unterwies. Später wurde die Hongkong Polizei auf Ip Man aufmerksam, die ebenso von ihm unterwiesen wurde. Mehr und mehr Schulen wurden in Hongkong eröffnet, weil Ip Man nicht die Ansicht alter Meister teilte, die Kampfkunst Wing Tshun sollte eine Geheimkunst bleiben. Aus dieser Zeit stammen viele gute Meister, die sich selbst rühmen „Schüler von Ip Man“ gewesen zu sein. Einer dieser Schüler, Bruce Lee, wurde ein berühmter Filmstar und begeisterte Menschen auf der ganzen Welt mit seinem Kampfkunststil Jeet Kune Do. Bruce Lee´s neuer Kampfstil wurde wesentlich von Wing Tshun beeinflusst. Von ihm stammt das berühmte Zitat: „Be water“. Ein anderer, Leung Ting (Ip Man´s Lieblingsschüler), fand den Weg nach Deutschland. Mit dem Kampfsport begeisterten Deutschen Keith R. Kernspecht, gründete Leung Ting einen großen Verband, von dem es heute überall auf der Welt Ableger gibt.
Sa 13 Aug 2011
Ohne Frage bedarf es regelmäßiges Training. Umso trainierter man ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit von einem Angreifer nicht verletzt zu werden. Es gibt Menschen, die entsprechen in ihrem Verhalten, wenn Sie bedroht oder angegriffen werden, einem Kaninchen in Todesangst und verfallen in einer Starre, mit der Hoffnung: „Wenn ich mich nicht bewege, passiert mir nichts“. Das soll einigen Kaninchen das Leben gerettet haben, ob es beim Menschen funktioniert? Wir haben im „Ernstfall“ drei Verbündete: 1. Das was wir können 2. Die Angst 3. Adrenalin Das was wir können, wird im Ernstfall nicht alles verfügbar sein, sondern auf das Wichtigste reduziert. Das Wichtigste ist im „Ernstfall“, dass was wir am besten können und was unser Unterbewusstsein für angemessen, erforderlich, erfolgversprechend einstuft. Die Verteidigung, vielleicht sogar ein Gegenschlag wird beeinflusst von der Angst. Diese kann sich auch dahingehend äußern, dass mit ungeahnter Geschwindigkeit die Flucht gesucht wird.
Fr 12 Aug 2011
Selbstverteidungsfähigkeit 1
Bevor ich mit meinen Beiträgen fortfahre: Ein paar Worte zur Effektivität von Wing Tshun in einer Selbstverteidigungssituation. Oft wird die Frage gestellt: „Funktioniert Wing Tshun im Ernstfall?“ Die Frage ist erlaubt, messen sich Wing Tshun Kampfkünstler nicht im Wettkampf. Ein „Messen“ geschieht bei jedem Training. Dabei sind alle Sinne gefordert. Dabei wird nicht unmittelbar um einen Sieg gekämpft, sondern um den Erfolg, etwas hinzulernt zu haben. Gleichwohl bleibt das Interesse, in einer Notfallsituation bestehen zu können. 99,9 % aller Konflikte, können verbal gelöst werden. Oftmals reicht eine kleine Geste, eine Verhaltensänderung. Warum nicht die Straßenseite wechseln, wenn damit Ärger vermieden werden kann? Oder konfliktträchtige Orte meiden, wo bekannt ist, dass ich dort ständig Ärger bekomme? Sich weniger provokant kleiden und benehmen? Oder sich fragen: „Wie wirke ich auf mein Umfeld. Warum bekomme gerade ich immer Ärger“. Diese Fragen werden selten gestellt. Bei Wing Tshun Selbstverteidigung ist die Frage nach dem Wie und dem Warum längst beantwortet, hier geht es um nackte Angst, die jeder Mensch verspürt, wenn er sich unvermutet in einer bedrohlich und ausweglosen Situation befindet.
Fr 29 Jul 2011
Wer kennt das nicht? Man hat den Tag von der ersten Sekunde nach dem Weckerklingeln genauestens geplant. Man hat 20 Minuten um sich zu Waschen, Zähne zu putzen und sich dann auch noch einigermaßen gesellschaftsfähig anzukleiden. Anschließend noch schnell einen Kakao und einen Blick in die Tageszeitung – Koffein kombiniert mit der derzeitigen Artikeldichte über Kleinkriminelle in Hamm verkraftet mein armes Herz nicht.
Anschließend stampft man die 3 Minuten zur Bushaltestelle und wartet dann voller Sehnsucht darauf, dass sich die dicke Stahlraupe langsam durch den Berufsverkehr in die eigene Richtung durchkämpft und einen dann auch noch pünktlich an dem eigenen Bestimmungsort absetzt. In der Theorie klingt dieser eingefleischte Ritus verlockend – doch wehe, irgendetwas stört unsere genaue Tagesabfolge!
Leider war dies heute der Fall. Ab dem Punkt, den man selber durch eigenes Handeln nicht mehr kontrollieren kann, lief der Tagessablauf heute ungefähr so aus dem Ruder wie ein Holzwurm mit Seekrankheit (entschuldigt den schlechten Vergleich). Angekommen an der Bushaltestelle war ich in Gedanken bereits an meinem Arbeitsplatz und wappnete mich mental vor den heutigen Problemstellungen. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich pünktlich an der Haltestelle war.. wie immer halt.
Die Zeit verstrich und am fernen Horizont zeichnete sich deutlich der anbrechende Tag, der bereit war sich in seiner gesamten Herlichkeit gegen mich zu stellen. Leider war mein Bus schon ein wenig zu spät – aber kein Problem, wofür arbeitet man denn Gleitzeit? Nach 10 Minuten änderte sich meine Einstellung diesbezüglich ein wenig: Ich hasse warten. Also vertrieb ich mir die Zeit damit meine Leidensgenossen ein wenig zu beobachten. Erstaunlicherweise kann man x-beliebig viele Menschen nach ihrem Verhalten klar kategorisieren.
Der Ungeduldige:
Dieser Genosse ist es entweder nicht gewohnt zu warten oder steht permanent unter Strom und entläd sich in seiner eigenen Unsicherheit, sobald er angepisst ist. Ich nenne das auch Liebevoll das ‚Weidenzaunverhalten‘. Er wartet höchstens 5 Minuten, dann ist das Handy am Ohr und er telefoniert mit Gott und der Welt um die Wartezeit x um den größtmöglichen Faktor y zu reduzieren. Witzigerweise ist in 70% aller Fälle der Bus trotzdem eher da als der bestellte Fahrer oder das Taxi – was ihn nicht daran hindert, nicht doch das Letztere zu nutzen. Alles andere wäre ihm wohl peinlich.
Der Unentschlossene:
Diese Vertreter offenbart sich durch die eigene Unsicherheit. Er wartet einen gewissen Zeitrahmen ab, bevor er seinen nächsten Schritt überlegt. In der Regel ist das 1/3 der Zeitspanne des sonst alternativ zurückgelegten Fußmarsches, sprich wenn er 30 Minuten laufen müsste, wartet er ungefähr 10 Minuten, bevor er die Initiative ergreift. Obwohl diese Formulierung nicht ganz korrekt ist: seine nächste Entscheidung ist getränkt von Unsicherheit. Sollte er sich entschließen, den Weg zu Fuß zurückzulegen, wird er sich in Sichtweite der Bushaltestelle noch mindestens 3x umdrehen, um sicherzustellen, dass der Bus nicht doch plötzlich kommt. Auch hier wird es sehr witzig, wenn der arme Kerl so weit von der Haltestelle entfernt ist, dass er sie noch sieht, es aber nicht mehr schafft rechtzeitig zurückzukommen. Ich bin immer kurz davor ihm bemitleidend aus dem Bus dann zuzuwinken.
Der Nutznießer:
Darüber braucht man nicht viele Worte verlieren. Der Nutznießer kommt meistens später als die reguläre Abfahrtzeit und kriegt den Bus nur noch aufgrund seiner Verspätung. Eindeutige Indikatoren sind Schweißperlen auf der Stirn, flache Atmung und ein triumphierender Gesichtsaudruck. Interessant ist, dass es meistens diese Kollegen sind, die sich dann hinterher beim Busfahrer beschweren. Schon verrückt.
Der Marci:
Der Marci hingegen zeichnet sich durch absolute Coolness aus. Er hat den Anfahrtsweg stets im Auge, kontrolliert ob unter den Fahrgästen nicht vielleicht ein nettes Mädel in seinem Alter ist, das getröstet werden muss und begrüßt selbst nach einer halben Stunde Verspätung den Busfahrer per Handschlag mit einem flotten Spruch auf den Lippen. Die Leute applaudieren, wenn er sich dann einen Platz sucht – so überwältigend ist einfach die bloße Anwesenheit. Jeder möchte so sein wie er aber niemand kann gegen ihn anstinken. Ein echter Kerl.
Ich bin übrigens nach 10 Minuten dann einfach abgehauen und zur Arbeit gelaufen. Dabei habe ich mich ganze 5 Mal umgedreht, aber der Bus kam einfach nicht.
Manchmal wünsche ich mir, ich würde meinem Namen mehr gerecht werden.
Do 28 Jul 2011
von Schintla in Blogs
1 Kommentar
Eine Kleinstadt – daran denkt man sicher nicht zuerst, wenn man gefragt wird, wie man Hamm beschreiben würde. Mit über 180.000 Einwohnern hat sich die schöne Stadt auch das Privileg verdient, sich selber offiziell als Großstadt zu titulieren. Was also labert der Junge da, wenn er unser schönes Örtchen als Kleinstadt bezeichnet?
Wenn ich durch die Fußgängerzone laufe, blicke ich allgemein auf die Menschen herab. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass ich besonders von mir eingenommen bin oder als Egoman alle meine Mitmenschen mit einer gewissen Portion Hohn entgegentrete. Viel mehr liegt es daran, dass der Durchschnitts-Hammer zu mir aufblickt, ohne jedoch eine Spur Bewunderung. Was ich ausdrücken möchte: Irgendwie erscheinen mir die Leute hier verdammt klein zu sein.
In meiner Heimat zähle ich in meinem Freundeskreis zu den Kleinsten, was in sofern recht witzig ist, da ich gute 1.90 Meter ‚klein‘ bin. Daher war es normal, dass meine Umwelt ein wenig ausgedehnter in Richtung der Z-Achse war. Doch nun wohne ich in Hamm und amüsiere mich darüber, dass die Leute hier mit 1.80 Metern scheinbar bereits knapp über dem Durchschnitt liegen. Es gibt sicherlich viele mögliche Gründe dafür: Mondkonstellationen, Ebbe und Flut der Lippe oder einfach eine fehlende Wachstumsbereitschaft der hiesigen Menschen. Immerhin wächst mit der Körpergröße auch der Energieanspruch des Körpers faktorisch mit, was wiederrum zu mehr Nahrungsaufnahme und dies dann zu mehr Ausgaben im Lebensunterhalt führt. Also lieber klein bleiben, das schont den Geldbeutel.
Eine weitere Theorie könnte auch sein, dass wir damals im Osten allgemein höher wachsen mussten, um eine Möglichkeit zu bekommen, einen Blick in den goldenen Westen zu werfen. Wer es nicht weiß: Die Mauer damals war kein Gartenzaun, da musste man schonmal den Hals nach oben strecken. Also wäre der Unterschied in der Körpergröße auch auf die zu große Neugier der Ossis zurückzuführen – Punkt für Hamm.
Aber nicht nur die Größe der Leute hier ist mir seltsam aufgefallen. Allgemein scheint es hier kein gesundes Mittelmaß bezüglich der Körperfülle bei Jugendlichen zu geben. Entweder sind einige aufgrund ihres großzügigen Schattenwurfes im Sommer sehr begehrt oder treiben mir die Tränen in die Augen, weil ich Angst habe, dass sie jeden Augenblick einfach durchbrechen. Ich bin mir sogar fast sicher, dass bei den letzten größeren Sturmböen nicht nur Regenschirme durch die Gegend trudelten, sondern vereinzelt auch noch ein paar holde Knaben sich einfach weigerten loszulassen und daher einen Direkflug nach Dortmund nehmen mussten.
Hinderlich dabei sind sicherlich auch die modischen Frisuren, die momentan bei den Herren der Winde groß angesagt sind. Um ehrlich zu sein, hab ich in letzter Zeit schon mehrfach angefangen loszukreischen und wie ein Irrer auf einen (dann meist bedeppert guckenden) Kerl zuzurennen, um dann 2 Meter vor ihm zu bemerken, dass es doch nicht Justin Bieber ist. Ihr macht es einem aber auch echt schwer mit euren schnittigen Frisuren. Apropos schnittig: Der Auftrieb des Bieberpelzes scheint mittlerweile hauptverantwortlich für die letzten Höhenflüge des Regenschirmgeschwaders.
In diesem Sinne guten Flug.