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Da bin ich wieder! Und ich habe Einiges zu berichten, denn die vergangenen Wochen waren sehr ereignisreich. Denn ich hatte Besuch von meinen Eltern und einem meiner älteren Brüder. Ich muss zugeben, dass mir dies im Vorhinein ein wenig Bauchschmerzen verursachte. Denn ich befürchtete, dass viele der oftmals chaotisch wirkenden, lebhaften ghanaischen Gegebenheiten meine Familie überfordern würde. Im Rückblick war all diese Sorge wirklich unbegründet! Denn Mama, Papa und Flo haben wirklich ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit bewiesen und „jeden Scheiß“ mitgemacht. Ein Lob an dieser Stelle an die Drei!

Da wir uns aus praktikablen Gründen darauf geeinigt haben, uns erst in Nkoranza zu begegnen, waren die Drei in den ersten vier Tagen auf sich allein gestellt. In dieser Zeit habe ich die Sorge kennengelernt, die vermutlich Eltern so oft um ihre Kinder verspüren. Am Abend ihrer Landung in Accra sind meine Lieben nur mit dem Taxi in ein Hostel gefahren worden. Da konnte also meiner Meinung nach nicht allzu viel passieren. Am nächsten Tag hingegen sind die Drei nach Cape Coast aufgebrochen, um dort ihr nächstes Lager aufzuschlagen. Und ausgerechnet an diesem Tag haben sämtliche Vodafone-Dienste versagt, sodass wir uns gegenseitig für einige Stunden nicht erreichen konnten. Ich habe mir tatsächlich Sorgen gemacht, dass irgendwas passiert sein könnte. Wir hatten nämlich ausgemacht, dass ich jeder Zeit angerufen werden kann, wenn Fragen oder Probleme aufkommen. Im Nachhinein war das Ganze echt schon fast lächerlich, aber wenigstens konnte ich somit beweisen, dass diese Eltern-Kind-Sorge durchaus auch andersherum funktioniert.

Mona-Affe in Boabeng-FiemaAls wir endlich in PCC aufeinandertrafen, war die Freude auf beiden Seiten sehr groß. Und wieder gab es meinerseits dieses Gefühl, dass man gar nicht so recht wusste, was man sagen sollte. Dies hielt aber nur sehr kurz an und schon haben wir uns fleißig über das Erlebte und Verpasste ausgetauscht. Den darauffolgenden Tag verbrachten wir in Nkoranza und machten einen Ausflug zum Affenreservat. Wir hatten wirklich großes Glück und haben sehr viele Affen angetroffen und gefüttert. Und diesmal, so fand ich, waren die Affen sogar besonders zutraulich und hatten kaum  Berührungsängste.

 

Am nächsten Morgen brachen wir schon wieder auf, um den Norden Ghanas zu bereisen. Endlich! Denn vorher hatte ich es noch nicht dorthin geschafft. Und wie ich es bereits erzählt bekommen hatte, veränderte sich die Landschaft peu a peu je weiter man in den Norden kam. Die meisten Bäume werden immer kleiner und die Abstände zwischen ihnen größer, und man kann sich sehr gut vorstellen, dass dieser Teil des Landes in der Trockenzeit nicht allzu viel Anbau zulässt. Auch die Bauart der meisten Häuser verändert sich in Richtung Norden recht stark. Die Mehrzahl der Häuser auf dem Land, die wir sahen, waren sehr einfache Lehmhäuser. Die gibt es zwar auch im Rest des Landes hier und da, dennoch hatteAuf dem Weg zum Mole Park ich den Eindruck, dass dies dort die meistverbreitete Bauart ist. Auch das Angebot verschiedener Nahrungsmittel scheint im Norden deutlich begrenzter zu sein. Zumindest kam mir diese Verallgemeinerung in den Sinn, als wir in einem kleineren Städtchen nahe Wa versuchten, Obst und Gemüse zu kaufen, und uns nur mit zwei Zwiebeln begnügen mussten. Kurzum: der Norden ist der ärmste Teil Ghanas, und das konnte man vielerorts sehen.

Unsere erste Etappe im Norden war jedenfalls der Mole National Park. Dies ist wohl der berühmteste und am meisten besuchte Nationalpark Ghanas, was vermutlich daran liegt, dass dort Elefanten leben, die man auch zu Gesicht bekommen kann (anders als im Kakum National Park im Süden, deren Elefanten wohl mehr als schüchtern sind). Und meine Familie und ich hatten großes Glück. Wir haben zuerst eine Safari zu Fuß gemacht, bei der wir neben Warzenschweinen, verschiedenen Antilopen, einem Krokodil und kleinen Äffchen drei Elefanten beim Baden im Wasserloch zusehen konnten. Und obwohl die Elefanten eher träge waren, war dies bereits ein Erlebnis erster Güte. Wie schön es ist, Elefanten in natürlicher Umgebung zu sehen! Das ist ein ganz anderes Gefühl, als sie im Zoo zu bestaunen. Als wir am Vormittag dann noch eine Jeep-Safari machten,  sahen wir dieselben drei Elefanten wieder – diesmal Aller guten Dinge sind dreikamen sie aber gerade aus dem Wasserloch heraus. Zuerst waren sie in einem kleinen Wäldchen, und die Sicht war ein wenig verdeckt. Dann sagte unser Guide jedoch, dass die Elefanten sehr bald aus dem Wäldchen gehen würden, um sich mit Schlamm zu bedecken. Also haben wir uns eine gute Position gesucht und prompt kamen alle drei Elefanten aus dem Gebüsch hervor, um das Prophezeite zu erledigen. Wow, das war imposant! Wir waren richtig nah dran und konnten förmlich ein Fotoshooting mit den Elefanten machen. Das persönliches Highlight meiner ganzen Reise durch Ghana! Außer einem kleinen Angriff auf meine Eltern durch Paviane, die es auf ihre Plätzchen abgesehen hatten, ist in Mole nicht mehr allzu viel passiert (was nach allem Erlebten auch nicht nötig war!).

Weiter ging die Reise nach Wechiau in der Upper West Region. Dort, direkt an der Grenze nach Burkina Faso, gibt es ein Reservat für Nilpferde, das wir alle gerne sehen wollten. Dort bekamen wir die Möglichkeit, in schmalen, schaukelnden Bötchen die im Fluss dösenden Nilpferde zu beobachten. Diese sind nämlich nachtaktiv und verlassen erstGemach, gemach! abends das Wasser, um zu fressen. Auch dieses Erlebnis war sehr spannend, da wir circa neun ausgewachsenen und einem kleineren Nilpferd recht nahe kamen. Für den Geschmack meiner Eltern zu nah, denn ihr Bootsmann war besonders mutig und konnte auf Grund seiner Gehörlosigkeit die Warnungen seiner Kollegen nicht hören. Eine meiner Lieblingsanekdoten dieser Reise!

Mit der Bootsafari endete der Besuch im „Hippo-Sanctuary“ jedoch noch nicht. Auch im Angebot enthalten war die Übernachtung in einem Baumhaus (eher eine kahle Plattform) direkt am Fluss. Dies konnten sich mein Bruder und ich natürlich nicht entgehen lassen, und meine Eltern waren wohl oder übel mit von der Partie. Wir „schliefen“ auf quasi hauchdünnen Matratzen und vom vorerst sternenklaren Himmel trennten uns nur die Moskitonetze. Und hätte es nicht nachts für kurze Zeit geregnet, hätten alle Anwesenden wohl ganz okay geschlafen. Zum Glück blieb der tropische Guss wie aus Eimern aus, sodass wir einigermaßen trocken blieben.

Nach halb durchgemachter Nacht machten wir uns auf den Weg über Wa nach Tumu, was wir als passenden Zwischenstopp auf dem Weg nach Bolgatanga (Upper East Region) ansahen. Die gesamte Strecke hat uns allen sämtliche Kräfte und gute Laune entzogen. Diese Straße war bisher die schlechteste Landstraße, die ich in Ghana (und auch überall sonst, wo ich war) befahren habe. Rund 8 Stunden waren wir insgesamt – mit Umsteigen und Wartezeit in Wa – unterwegs, davon wurden wir gut 6 Stunden durchgeschüttelt. Unterwegs hatten wir noch eine Panne, die zum Glück nach 30 Minuten behoben werden konnte. Und zu guter Letzt fuhr der Fahrer auch noch viel zu schnell  und bremste vor den meisten Schlaglöchern (und daraus bestand die Straße eigentlich nur) viel zu stark und dennoch zu spät, sodass wir mit voller Wucht durchbretterten. Dabei stießen Florian und ich uns mehr als einmal heftig den Kopf. Das war zu viel – dabei bin ich ja schon an so Manches gewöhnt.  Beim Ausstieg waren wir wohl alle sehr kurz davor, den Boden zu küssen.

Die letzten Tage unserer Reise verbrachten wir in Bolgatanga. Von hier aus machten wir einen Ausflug zu den „Tongo Hills and the Tongo HillsTengzug Shrines“. Die Tongo Hills sind eine traumhaft schöne Landschaft voller Felsen aller Größen und Formen. Vielerorts sind diese Felsen zu skurillen Formationen aufgetürmt. Überall sieht man große wie kleine Baobabs (=Affenbrotbäume).  

In diesem Gebiet lebt ein polygam lebender Volksstamm namens Talensi. Besichtigt haben wir den Chief’s Palace (Palast des regionalen Oberhaupts) dieser Menschen, in dem der Chief mit seinen Frauen (ich meine, es waren acht), seinen Kindern (wovon die Söhne auch vier bis sechs Frauen haben) und deren Kindeskindern lebt. Das nenne ich mal eine Großfamilie! Der Palast ist so gar nicht, wie sich viele Leute einen Palast vorstellen. Es ist eher eine Ansammlung vieler kleiner und größerer Hütten, die durch Mauern und zahlreiche Gänge miteinander verbunden sind. Ein echtes Labyrinth! Und überallChief's Palace gibt es kleine und große Opferaltare, auf denen für die Lösung persönlicher Probleme Tiere geopfert werden. Ein besonderers spiritueller Ort der dort ansässigen Talensi ist ein auf einem Felsigen Berg gelegener Schrein (eine weitere, große Opferstätte), zu dem man nur Zutritt erhält, indem man die traditionelle „Kleiderordnung“ einhält. Jeder – egal ob Mann, Frau, Talensi oder Tourist – darf lediglich in einer kurzen Hose den Schrein aufsuchen. Der Oberkörper sowie die Unterschenkel und Füße müssen ausnahmslos unbekleidet sein. Und auch das hat meine liebe Familie mitgemacht!

Auf dem Rückweg von Bolgatanga nach Nkoranza hatten wir noch ein merkwürdiges Erlebnis. Nachdem wir gerade Tamale durchquert hatten, baute ein junger Mann, der neben uns im Bus saß, in aller Seelenruhe ein Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow zusammen. Damit bewaffnet saß er den Rest der Fahrt neben uns. Erst waren wir alle erschrocken, und ich war sicherlich nicht der einzige von uns, dem der Gedanke eines Überfalls kam. Diese Erfahrung habe ich auf all meinen Reisen in Ghana noch nicht gemacht. Mit der Zeit dachten wir uns aber, dass der Mann nichts Böses im Schilde führt, sondern zu unserem Schutz dort war. Das wunderte mich, da immer alle sagten, dass es die bewaffneten Überfälle in Ghana seit einigen Jahren nicht mehr gebe. Gestern habe ich jedoch eher zufällig auf den Seiten des Auswärtigen Amtes gelesen, dass genau auf der Strecke in letzter Zeit Überfälle stattfanden. Puh, vielleicht gar nicht schlecht, dass wir davon nichts wussten!

Die restlichen Tage waren nicht sehr ereignisreich, dafür trotzdem sehr schön. Wir haben noch das Zusammensein genossen und den Geburtstag meiner Mutter gefeiert, bevor sich die Drei wieder auf den Rückweg machten. Ich bin sehr froh, dass Papa, Mama und Flo den weiten Weg hierher gemacht haben. Ich weiß, wie schwer es für viele unter euch ist, sich alles Beschriebene (und all die Dinge, die ich gar nicht erwähnen kann) vorzustellen. Es wird sehr schön sein, dass ich in Deutschland Menschen um mich haben werde, die eine ziemlich gute Vorstellung davon haben, was ich in meinem Jahr in Ghana erlebt habe. Ich danke euch für diese schöne Zeit!

Jäger im Wald

A propos Zeit… Meine letzten wenigen Wochen in Nkoranza sind angebrochen. Ich habe mich mittlerweile sehr gut an den Gedanken gewöhnt, bald wieder in Deutschland zu sein. Ich freue mich sehr darauf. Dennoch kommt auch das Gefühl näher, dass ich mich langsam von Ghana und all den lieben Menschen, die ich hier getroffen habe, verabschieden muss. Außerdem möchte ich natürlich meine Arbeit bestmöglich zu Ende bringen. Eine spannende letzte Etappe meines Freiwilligendienstes!

Bis zum nächsten Eintrag,

euer Simon

Hallo ihr Lieben in Deutschland!

Wie versprochen, lade ich hier auch meinen Zwischenbericht nach neun Monaten des Freiwilligendienstes hoch. Viel Spaß!

 

                „weltwärts- Zwischenbericht nach 9 Monaten

–          Simon Jäger, Ghana       –

 

Nach einem Dreiviertel meines einjährigen Freiwilligendienstes in der Peace of Christ Community in Ghana kann ich ein überwiegend positives Resümee ziehen. Mir geht es in allen Belangen – Arbeit, Gesundheit, Privatleben – mit kleinen Abstrichen gut. In Puncto Arbeit macht mir die tägliche Routine etwas zu schaffen. Denn die Tage in PCC sind stets streng durchstrukturiert, was sich auch auf meinen Arbeitsalltag auswirkt. So sieht jeder Tag bis auf wenige Ausnahmen ziemlich gleich aus. Ich beginne mit der „walking time“, begleite danach Michael beim Frühstück und begebe mich dann in mein kleines Büro, um den vorherigen Tag nachzubereiten und den kommenden zu planen. Im Anschluss habe ich einige Special Attentions, bis ich wieder Michael beim Essen unterstütze. Nach der zweistündigen Mittagspause habe ich zwei weitere Special Attentions mit Kojo Joseph und Theresa, an die die tägliche Zeit im Pool anknüpft. Nach dieser gibt es Abendessen – natürlich wieder mit Michael.

Für viele Bewohner/innen der Lebensgemeinschaft, unter denen es einige Menschen mit Autismus gibt, ist diese alltägliche Struktur sehr hilfreich, um das quirlige Leben in PCC zu meistern. Und es gibt durchaus vereinzelte Tage, die auf Grund verschiedener Vorkommnisse (z.B. Parties zur Ankunft/Abreise von Freiwilligen und Mitarbeitern, Spiele der ghanaischen Nationalmannschaft, Regen/Unwetter, Sportfest, Gottesdienst, …), ihrem normalen Rhythmus entkommen. Dennoch gleichen sich die meisten Tage wie ein Ei dem anderen, was für einen Menschen wie mich, der ab und an aus Routinen ausbrechen muss, nicht immer ganz leicht ist. Ich weiß aber auch, dass es in einem gewissen Maße auch an mir liegt, mich dieser Situation anzupassen. Zum Glück wurde es mir seitens PCC gestattet, mein Programm selbst mitzugestalten. So habe ich meine Zeit im Büro etwas reduziert und mehr Special Attentions übernehmen können. Und ich nehme alle drei bis vier Monate andere Bewohner/innen in mein Programm auf.

 

Eine weitere Abwechslung brachte eine tolle Spende aus England: ein iPad mit einer ziemlich guten Talker-App. Gedacht war die Spende für den Bewohner Paa Yaw, mit dem ich nun schon seit ein paar Monaten den Umgang mit diesem Gerät übe. Da das iPad leider nicht wirklich PCC-alltagstauglich ist, da es ohne Beaufsichtigung eines Erwachsenen wohl keine fünf Minuten überleben würde, soll der Talker nun auch von anderen Bewohnern/innen im Rahmen der eins-zu-eins-Betreuungen benutzt werden. Kommende Woche werde ich dann auch mit Emmanuel Jerry Talker-Training haben. Da ich vorher nur geringe Erfahrungen mit Talkern hatte, ist dies eine willkommene Herausforderung.

Da mein Freiwilligendienst sich seinem Ende nähert, muss ich langsam auch zusehen, dass ich meine Arbeit angemessen beenden kann. Hierzu gehört auch, dass ich kommenden Freiwilligen den Einstieg in das Screeningprogramm erleichtere, indem ich eine Art Anleitung hierfür schreibe. Außerdem sind die Kurzzusammenfassungen der Screenings für die Caregiver auf mysteriöse Weise verschwunden. Bevor ich PCC verlasse, möchte ich diese unbedingt ersetzen.

Aber auch mental muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, bald nicht mehr hier zu sein. Dieser Prozess hat aber schon vor einigen Wochen begonnen, sodass auch die Freude auf meine deutsche Heimat, Familie, Freunde und ziemlich viele Lieblingsspeisen stetig steigt. Dennoch waren Ghana und PCC bei meiner Ausreise meine Heimat, und ich habe viele Menschen kennengelernt, die ich liebgewonnen habe. Das wird mir alles wohl sehr fehlen.  

Aber sehr gespannt bin ich darauf, zu bemerken, was dieses ganze Jahr hier in Ghana mit mir gemacht hat. Ich denke nämlich, dass  mir das erst deutlich wird, wenn ich den Kontrast Ghana-Deutschland wieder ganz deutlich spüre. Reaktionen von Familienmitgliedern und Freunden werden mir natürlich auch so einiges über meine Entwicklung widerspiegeln. Und gewisse Entwicklungen, die ich bereits an mir bemerkt habe (darunter ein weitaus höheres Maß an Geduld und Gelassenheit, Offenheit und Toleranz) möchte ich in Deutschland nicht verkümmern lassen.

Was mich sehr gefreut hat, ist eine Erkenntnis, die ich erst vor ein paar Tagen machte: Ich habe durch die Distanz zu Deutschland und durch das Kennenlernen eines so unterschiedlichen Landes wie Ghana eine ganz andere Beziehungen zu meinem Heimatland aufgebaut. War ich doch vorher gar nicht so begeistert von Deutschland, so sehe ich nun, wie sehr ich dieses Land doch mag. Es entspricht wahrscheinlich der Klischee-Lernerfahrung von Freiwilligen, dass man erst zu schätzen lernt, was man hat, wenn es plötzlich unerreichbar ist. Dennoch kann ich dies lauthals bejahen. Und ich sage das auch nicht nur, weil Deutschland so vieles an Sicherheit, Komfort und Vielseitigkeit bietet. Ich spreche eher von der deutschen Kultur. Durch den Kontrast, den ich zwischen ghanaischer und deutscher Lebensweise erleben konnte, habe ich viele Elemente deutscher Kultur und ihrer Werte in mir entdeckt, die mir ausgesprochen gut gefallen. Ich freue mich ungemein darauf, wieder nach Deutschland zurückzukehren und die neue Beziehung zu meiner Heimat zu leben.“

Nach meinem lang ersehnten dreiwöchigen Urlaub, den ich mit meinen Freunden verbrachte, melde ich mich nun wieder. Ich hoffe, ich kann ungefähr alles, was erwähnenswert ist, in diesem Beitrag unterbringen, denn in drei Wochen kann eine Menge passieren.  Aber da ich dazu neige, auf die Frage „Und was hast du so im Urlaub unternommen und erlebt?“ mich nur noch an Bruchstücke zu erinnern, muss ich mich besonders konzentrieren. Ich werde alles geben!

Ich fange am besten mit dem ungeduldigen Warten am Flughafen an. Ich war wirklich nervös aber glücklicherweise nicht allein, denn mein guter Freund Hannes, der in der Nähe von Accra seinen weltwärts-Dienst leistet, wollte auch die zwei ihm bekannten Nicoles in Empfang nehmen. Der Flug hatte natürlich Verspätung, aber irgendwann am Abend kamen sie dann. Es ist schon merkwürdig, gute Freunde wiederzusehen, von denen man acht Monate lang getrennt war. Irgendwie fehlten mir die Worte, dennoch war es ein schöner Moment. Nachdem dann so einiges ausgetauscht wurde und wir ziemlich lachen mussten, weil Nicole und Nicole erzählten, dass sie aus dem Flugzeug ausgestiegen seien und gedacht hätten, die heiße Luft, die ihnen förmlich entgegenschlug, komme aus der Turbine eines anderen Flugzeugs. Mit etwas Erschrecken hätten sie dann recht schnell realisiert, dass dem nicht so war und dass die kommenden drei Wochen heiß und schwül sein würden.

Und so war es natürlich auch – aber da die Regenzeit schon im Gange war, gab es immer mal wieder Regenphasen, in denen es sogar etwas frisch wurde. Generell hatten wir aber ziemliches Glück mit dem Wetter, da der Regen immer nur dann kam, wenn er uns keinen Strich durch die Rechnung machte oder sogar manchmal willkommen war.

Nach einer Nacht in Accra sind wir am nächsten Tag nach Winneba aufgebrochen, wo Hannes arbeitet und wohnt. Dies war der Tag der ersten Trotrofahrt für die zwei Nicoles. Während der gut zwei Stunden des Eingequetschtseins konnte ich mir so manches Grinsen nicht verkneifen – schließlich weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man sich am Anfang nicht immer sofort an diese Unannehmlichkeiten gewöhnen kann. Ich glaube, schon hier tauchte zum ersten Mal der Spruch auf, der mehr oder weniger zum Motto des Urlaubs wurde: “This is Ghana“.

Wir verbrachten zwei Tage und Nächte in Winneba, die wir tagsüber an den zwei Stränden verbrachten, die Winneba zu bieten hat. Wie an so vielen  Orten waren diese wunderschön – wenn nur immer der Müll nicht wäre. Der Royal Beach hat diesbezüglich den Vogel abgeschossen und ich konnte immer nur versichern, dass die Strände, die wir während unseres Urlaubs noch sehen würden, wesentlich sauberer sein würden. (An dieser Stelle denke ich, dass ich das Thema „Ghana und der Müll“ in einem späteren Beitrag thematisieren werde.) Abends wurden wir dann von Hannes‘ Gastmutter „Sister“ bekocht – typisch ghanaisch natürlich. Am ersten Abend gab es Reis, Stew und frittierten Fisch, was allen super schmeckte, uns zehn Tage später jedoch schon fast aus dem Hals hängen würde. Am Abend darauf wurde für uns Fufu gestampft – Ghanas inoffizielles Nationalgericht.

Im Anschluss an Winneba fuhren wir nach Cape Coast, wo wir am ersten Tag das Sklavenfort besuchten. Von Cape Coast machten wir einen Ausflug in den Kakum National Park, um den man bei einem Ghanabesuch eigentlich nicht herumkommt. Hier kann man auf sieben sehr wackeligen Hängebrücken auf Höhe der Baumkronen durch den Regenwald laufen. Nachdem wir dies überlebt hatten, haben wir noch an einer Wanderung teilgenommen, bei der die Führerin uns so einiges über die dort wachsenden Pflanzen und Bäume und deren Einsatz in der traditionellen ghanaischen Medizin erzählte.

Auf dem Rückweg nach Cape Coast machten wir noch spontan am „Hans Cottage Botel“ Halt. Dort gibt es einen großen, künstlich angelegten Teich, in dem Krokodile leben (ich meine in Erinnerung zu haben, dass es ca. 30 sind. Ohne Gewähr!). Diese werden auf Wunsch gefüttert, und man kann sie sogar anfassen. Das habe ich mir natürlich nicht nehmen lassen. Getraut habe ich mich aber nur, weil die ziemlich entspannte ältere Ghanaerin, die uns begleitete, mit ihrem Bambusstock in der Nähe war. Einige der Krokodile waren schätzungsweise länger als 2,50m. Das, welches meine Freunde und ich angefasst haben, war aber etwas kleiner. Kurz bevor wir uns verabschiedeten, erzählte uns die Dame dann, dass es kürzlich einen Angriff auf eine Touristin gab, bei der ein Krokodil versuchte, die Frau ins Wasser zu ziehen. Erst in letzter Sekunde konnte es dadurch, dass alle Anwesenden laut rufend auf das Tier zugerannt kamen, davon abgehalten werden. Die Frau hat schwere Wunden an Arm, Schulter und am Kopf davongetragen. Wie gut, dass uns das erst am Ende offenbart wurde….

Unser nächstes Reiseziel war Axim, ein kleines Fischerdorf ganz westlich an Ghanas Küste. Die Grenze zur Elfenbeinküste ist von hier aus nicht mehr weit. Von Axim aus haben wir einen Ausflug nach Nzulezu gemacht. Dies ist ein Dorf auf Stelzen auf einem wunderschönen See. Um dorthin zu gelangen, muss man eine gute dreiviertel Stunde über diesen See paddeln. Die Bewohner Nzulezus leben vom Fischfang und ihre Behausungen aus Bambus und Wellblechdächern sind mehr als einfach. Als wir dort ankamen, fühlten wir uns direkt sehr unbehaglich, da das Ganze einem Zoobesuch gleichkam. Die Bewohner ignorierten uns geradezu, und als unser Führer uns mitteilte, dass täglich ca. 40 Touristen herkommen, konnte ich dies auch sehr gut verstehen. Die Menschen leben ihr Leben und werden hierbei von reichen Leuten aus dem fernen Ausland bestaunt. Mir war es etwas peinlich, dass ich hierzu gehörte, sodass ich sehr erleichtert war, als wir wieder im Boot saßen. 

Die weiteren Tage in Axim verbrachten wir damit, dass wir einen Tagesausflug zu einem funktionierenden Geldautomaten machen mussten, sowie mit einer kleinen Wanderung auf eine bewaldete Anhöhe, von der aus man die Mündung des großen Ankobra River ins Meer hätte sehen sollen – wäre nicht alles zugewuchert gewesen. Durch ein kleines Loch im Blätterwerk konnte man jedoch in etwa erahnen, wie diese Mündung aussah. Die restliche Zeit verbrachten wir am Strand, da dies die vorerst letzte Etappe am Meer sein würde.

Nach einer sehr beschwerlichen Reise nach Kumasi, wo wir die Nacht bei einer deutschen Freiwilligen verbrachten, fuhren wir endlich in mein Zuhause: Nkoranza. Dort verbrachten wir vier Tage, in denen ich meinen Freunden PCC zeigte, wir einen Ausflug zum Affenreservat von Buabeng-Fiema machten und auf den heiligen Felsen von Oforikrom herumkraxelten.

 Am Ostersonntag fuhren wir dann nach Begoro in der Eastern Region. Das Wanderparadies, welches wir uns vorstellten, entpuppte sich als ein verschlafenes Nest in den Bergen. Als wir unser Hotel erreichten, war unser aller Laune erst mal im Keller. Denn auf dem Gelände des Hotels fand eine Beerdigungsfeier statt – wie immer mit Musik, die ganz Afrika zu beschallen versuchte. Da eine Beerdigung in Ghana meist drei Tage dauert, sahen wir uns schon fast auf der Suche nach einer anderen Unterkunft. Zum Glück war dies aber bereits der letzte Tag der Feier, sodass unsere Gemüter sich wieder beruhigten.

Anders als erwartet, war diese Etappe wirklich sehr schön. Wir machten einen Ausflug zum Paragliding-Festival in der Nähe von Nkawkaw und hätten uns um ein Haar selbst in die Liste der Starter eingetragen. Dafür hätten wir aber am nächsten Tag wiederkommen müssen, um dann den ganzen Tag darauf zu warten, dass man hoffentlich irgendwann fliegen kann. Diesen Tag verbrachten wir dann stattdessen mit einer Wanderung zu einem Wasserfall, der ohne einheimische Hilfe für uns nicht auffindbar gewesen wäre. Wir mussten durch mannshohe Gräser einen Hang hinabsteigen und über umgestürzte Baumstämme klettern, um diesen nahezu unberührten idyllischen Wasserfall zu erreichen. Das war, glaube ich, der ruhigste Ort, an dem ich je in Ghana war. Nach der anstrengenden Wanderung kühlten wir uns direkt ab, um dann einige Zeit einfach dazusitzen und die Idylle zu genießen. Auf halbem Weg zurück gönnten wir uns ein Taxi, dessen älterer Fahrer äußerst heiratswillig war, was eine der Nicoles deutlich zu spüren bekam und mich sehr erheiterte. Sein Auto war übrigens ein technisches Wunder, da dieses Wrack eigentlich gar nicht mehr hätte fahren können dürfen. Da war einfach alles kaputt, was kaputt sein kann. Aber wie durch ein Wunder kamen wir dort an, wo wir hin wollten. Man sieht hier ja wirklich viele Klapperkisten, aber diese musste wohl die Königin der Klapperkisten sein.

Nun brach schon der letzte Abschnitt unseres Urlaubs an. Wir verbrachten die letzten zwei Tage und Nächte in Kokrobite, einem weiteren kleinen Fischerdorf an der Küste – diesmal in Greater Accra. Hier machten wir einen letzten Ausflug, der allerdings sehr enttäuschend war. Wir fuhren zu einem Affenwald, indem man zuschauen konnte, wie die scheuen wildlebenden Affen mit Bananen gefüttert wurden. Zum Programm gehörte auch eine Bootstour, die über einen Fluss führte, der parallel zum Meer verläuft und zusammen damit eine schmale Landzunge oder „Strandzunge“ entstehen lässt, die viele Kilometer bis Accra führt. Die Idee dahinter war wirklich nicht schlecht, aber der Führer, ein bekiffter und übelgelaunter Rasta, machte das Ganze für uns zu keinem Vergnügen. Wir kamen uns eher vor, als seien wir störend statt willkommene Gäste, und zur Krönung mussten wir auch noch richtig viel Geld dafür bezahlen. Zum Glück war dies die einzige derartige Enttäuschung, sodass unsere Launen darunter nicht zu leiden hatten. In Kokrobite verbrachten wir nochmals eine sehr entspannte Zeit und konnten somit unseren Urlaub angemessen ausklingen lassen. Ich danke Nicole, Nicole, Hannes und allen anderen, die wir in diesen drei Wochen getroffen oder kennengelernt haben, für die schöne Zeit!

 Seitdem der Urlaub vorbei ist, sind schon wieder zwei Wochen vergangen, in denen ich mich schnell wieder in meinen Arbeitsalltag einfinden konnte. In PCC ist eigentlich alles beim Alten. Die hier etwas längeren Osterferien gehen morgen zuende und der Alltag kehrt wieder ein. Seitdem ist abgesehen von einer diesmal kurzen und weniger intensiven Malariaerkrankung nichts wirklich Nennenswertes passiert.

Ich freue mich jedoch sehr auf Anfang Juni, denn dann wird etwas Nennenswertes passieren. Und zwar bekomme ich wieder Besuch! Meine lieben Eltern und mein älterer Bruder Florian nehmen diese lange Reise auf sich, um mich endlich wieder in die Arme schließen zu können. Und um Ghana kennenzulernen, so ganz nebenbei ;-).

So, ich muss mich jetzt an meinen Neunmonats-Weltwärtsbericht machen, der nun fällig wird. Wenn ich ihn fertig habe, werde ich ihn auch hier im Blog veröffentlichen.

Liebe Grüße nach Deutschland, besonders an meine Mutter! Alles Gute zum Muttertag!

Simon

 

 

Hallo ihr Lieben im Norden,

ich hörte, bei euch kehrt langsam der Frühling ein? Das freut mich für euch, wobei ich ja häufig gehört habe, dass der deutsche Winter diesmal so gar nicht winterlich war. Wahrscheinlich hat einfach nur der größte Fan von Schnee und Eis dieses Jahr gefehlt, da er sich entschied, in die Tropen zu gehen. Also gebt die Hoffnung auf einen echten nächsten Winter nicht auf, ich bin ja bald wieder da.

Mein letzter Eintrag ist ja schon etwas her, aber seitdem hat sich eigentlich gar nicht so viel verändert. Ich wohne seit einigen Wochen wieder in PCC. Ich schrieb ja, dass das Leben in der Gastfamilie eine spannende Erfahrung war, dennoch fehlten mir oftmals meine Privatsphäre und auch ein wenig Ruhe, was ich beides das erste Halbe Jahr in PCC zu schätzen lernen konnte. Außerdem habe ich es vermisst, wieder den Kochlöffel schwingen zu können. Jetzt gerade sitze ich in der Küche des Freiwilligenhauses und schreibe diesen Blogeintrag, während eine etwas improvisierte Bolognaisesauce vor sich hin köchelt. Zwei neue Freiwillige, Lisa aus Holland und Henning aus Deutschland, werden sich hoffentlich darüber freuen.

Dass ein weiterer Deutscher hier ist, ist eine echte Rarität – denn eigentlich werden Deutsche nur über meine Essener Entsendeorganisation nach PCC vermittelt – und diesen Platz besetze momentan ich. Henning war Freiwilliger in Accra und ist beim Reisen über PCC „gestolpert“, nachdem er seine letzte Einsatzstelle verlassen hatte. Da es ihm hier gut gefiel, konnte er spontan einen dreimonatigen Freiwilligendienst antreten. Mir gefällt es ganz gut, mal ein wenig deutsche Verstärkung im von Holländern dominierten Freiwilligenhaus zu haben. Ich habe mich natürlich daran gewöhnt, ständig englisch zu sprechen. Aber sich ab und zu mal in der Muttersprache austauschen zu können, bringt doch ein wenig das Gefühl von Heimat mit sich. Wenn jemand mit anderer Nationalität anwesend ist, sprechen wir aber alle englisch. Das klappt unter den Freiwilligen sehr gut – ich musste es mir als deutsche Minderheit aber auch oft erkämpfen. Mit vielen ghanaischen Mitarbeitern sieht es da leider anders aus. Sie sprechen oft Twi oder andere lokale Sprachen in meiner Anwesenheit.

Seit ein paar Wochen spiele ich oft nach Feierabend mit den Caregivern und manchmal auch Freiwilligen Volleyball. Da bleibt zwar weniger als eine Stunde, bis es dunkel ist, aber dennoch haben wir dabei viel Spaß. Momentan spielen wir aber nur im Kreis, also ohne Netz.Denn es wird uns nicht gestattet, ein schnell auf- und abbaubares Netz auf der Fußballwiese benutzen. Der Grund ist geradezu lächerlich: wir würden nämlich den Rasen beschädigen…. Auf einer Fußballwiese!! Wegen dieser merkwürdigen Begründung und einem mangelnden alternativen Ort zum Spielen sind wir ziemlich frustriert. Aber wir wollen noch einmal das Gespräch mit der Leitung suchen. Eine positive Sache hat das Volleyballspielen neben körperlichem Ausgleich und viel Freude jedenfalls schon bewirkt: ich konnte es durchsetzen, dass alle dabei englisch sprechen.

Ich lerne zwar jetzt intensiver die Sprache Twi, dennoch reichen meine Kenntnisse noch nicht aus, um mich sicher damit in verschiedenen Situationen ausdrücken zu können. Dank meiner Kollegin Esther, die sich zwei mal wöchentlich Zeit für mich nimmt, um mir Twi beizubringen, kann ich mittlerweile im Umgang mit vielen Bewohnern/innen fast auf das Benutzen der englischen Sprache verzichten. Meine Einkäufe im Ort kann ich auch auf twi erledigen, aber oftmals ist die Freude über meine Sprachkenntnisse so groß, dass ein wahrer Twi-Schwall auf mich niederregnet. Dann verstehe ich überhaupt nichts mehr. Zwar lerne ich dadurch nicht so viel, dafür macht es den Leuten meistens eine riesige Freude. Beispielsweise kaufe ich Eier („Me to nkosua“) und die Händlerin ruft begeistert den anderen Marktleuten zu, dass ich twi sprechen kann: „O te twi, o te twiii. O se ‚me to nkosua'“ – „Er hat gesagt, dass er Eier kaufen will“. Meistens läuft das so ab, und dann bin ich erstmal die Attraktion schlechthin. Da wird aus einem schnöden Einkauf schon mal ein lustiges Erlebnis!

Die Regenzeit setzt übrigens momentan ein. Seit rund zwei Wochen regnet es alle paar Tage heftig – oft mit Gewitter. Es ist öfters bewölkt, die Temperaturen sind etwas humaner. Durch die höhere Luftfeuchtigkeit merkt man das aber gar nicht immer so. Es soll in nächster Zeit noch häufiger regnen, aber sonderlich schwüler als jetzt soll es nicht werden. Wenn sich das bewahrheitet, kann ich mit der Regenzeit gut leben. Es ist schon immens, wie sehr man sich an das tropische Klima gewöhnen kann. Denn wenn es regnet, ist mir direkt kalt und ich muss mir einen Pullover holen. Leute hingegen, die erst seit kurzer Zeit in Ghana sind, genießen den Temperaturabfall in der Regel sehr.

Am Freitag ist es endlich so weit. Mein großer Urlaub steht an! Ich bekomme Besuch von guten Freundinnen aus Deutschland und reise ganze drei Wochen! Mein Freund Hannes, der in Winneba an der Küste Ghanas seinen Freiwilligendienst absolviert, begleitet uns einenStück der Rundreise. Ich freue mich riesig, endlich mehr von Ghana zu sehen. Und auch eine Auszeit von meiner Arbeit ist nicht verkehrt, wie ich finde. Zwar läuft alles soweit gut, dennoch habe ich im Moment ein bisschen damit zu kämpfen, dass jeder Tag nach derselben Struktur verläuft. Ich war schon immer ein Mensch, der ab und an mal aus Routinen ausbrechen muss, deshalb bin ich nicht sehr überrascht, dass ich im Moment von all der Struktur etwas genervt bin. Aber nach meinem Urlaub sollte ich genug Ablenkung erhalten haben, um wieder durchstarten zu können.

Um heute reichlich Lesestoff bieten zu können, dachte ich mir, ich kann den weltwärts-Zwischenbericht, den ich letzten Monat meiner Entsendeorganisation zukommen lassen musste, diesem Beitrag anhängen. Einiges darin mag schon mal mehr oder weniger detailliert in einem meiner Blogbeiträge benannt worden sein, dennoch möchte ich ihn niemandem vorenthalten. Er befindet sich unter der Galerie.

Das war es mal wieder. Ich sende die besten Wünsche an alle, die mich kennen!

Euer Simon

 

 

 

„weltwärts-Halbjahresbericht

– Simon Jäger, Ghana –

 

 

Vom Gefühl her bin ich gerade erst losgeflogen und schon ist Halbzeit. Und ich befürchte, dass die zweite Hälfte meines Freiwilligendienstes in der Peace of Christ Community (PCC) in Nkoranza, Ghana, noch viel schneller vergehen wird. Das ist ja irgendwie immer so.

Und jetzt habe ich zur Aufgabe, das Vergangene zu reflektieren sowie einen Ausblick auf meine Zukunft in Ghana zu geben.

Ja, wie waren denn die letzten sechs Monate? Zum Glück blieb ein großer Kulturschock aus und meine Eingewöhnungszeit war dementsprechend kurz. Deshalb konnte ich recht schnell damit beginnen, meinen Aufenthalt hier zu genießen. Die ersten zwei Wochen in PCC haben sich etwas gezogen, da ich ein Programm hatte, welches mich mit allen Bereichen, die es in der Einrichtung gibt, vertraut machen sollte. Die genannten Bereiche sind die Tagespflege, die sog. Summer-School, die Werkstatt und der sog. Autistic Table. Im Nachhinein war es sehr gut, dort jeweils einige Tage zu verbringen, da ich so die jeweiligen Bewohner/innen besser kennenlernen konnte. Als ich jedoch voller Tatendrang war und mit meiner eigentlichen Screening-Arbeit und den Eins-Zu-Eins-Betreuungen lieber heute als morgen  beginnen wollte, konnte ich den Vorteil des Wartens noch nicht sehen.

Die ersten Monate bestanden für mich eigentlich daraus, zu den Mitarbeitern/innen und Bewohnern/innen Beziehungen aufzubauen und mit den strukturellen Gegebenheiten der Lebensgemeinschaft vertraut zu werden. Vor allem war es für mich sehr ungewohnt zu sehen, wie die Mitarbeiter/innen mit den Kindern umgehen. In meinen Augen war da recht wenig Wertschätzung, geringes Verständnis für das Kindsein sowie dafür, dass jemand etwas (z.T. auf Grund der vorhandenen Behinderung) nicht kann. Der allgemeine Erziehungsstil erschien mir sehr streng – aber gänzlich ohne Konsequenzen. Im Optimalfall sitzen die Kinder still und schweigen, wenn nicht, dann wird die Stimme erhoben (wenn sie nicht schon von Vornherein erhoben wurde). Hört das Kind noch immer nicht, wird eigentlich nichts weiter unternommen. Wenn ich diesen Umgang mit nur einem Wort beschreiben müsste, würde ich mich wohl für „grob“ entscheiden. Auch rein physisch ist das so. Die kleineren Kinder beispielsweise, die einen Rollstuhl benutzen, werden in der Regel am Oberarm (und ggf. an einem Oberschenkel) gepackt, aus dem Rollstuhl geholt und wie ein Sack Kartoffeln auf den Boden gelegt. Das waren so die Dinge, die mir anfangs zu schaffen machten.

Nach einiger Zeit habe ich aber verstanden, dass auch das ein Teil der ghanaischen Kultur ist. Kind sein hier ist oft sehr anders im Vergleich zu einer deutschen „Durchschnittskindheit“. Ich denke, dass hier viele Menschen Kinder bekommen, um u.a. Unterstützung im Haushalt oder bei anderen täglichen Arbeiten zu bekommen. Manche legen auch all ihre Hoffnungen in ihre Kinder, dass sie einmal einen guten Job bekommen, um ihnen dann (im Alter) finanziell zu helfen. (Generell bekommt man hier keine oder eine minimale Rente. Dass man dann im Alter von seinen Kindern versorgt wird, liegt also nahe.) Kinder in Ghana werden also oft schon wesentlich früher und sicherlich auch mehr in der Familie eingespannt als viele Kinder in Deutschland. Das erklärt zum einen, warum die Caregiver einen Erziehungsstil haben, der sich von den mir bekannten so unterscheidet. Es ist ihnen einfach fremd, mit Kindern so umzugehen, wie ich es vor meinem deutschen Hintergrund sowie in meiner Ausbildung zum Heilerziehungspfleger kennengelernt habe.

 

Ein weiterer Aspekt, der zu dem beschriebenen Umgang mit den Kindern in PCC beiträgt, ist sicherlich das in Ghana weit verbreitete Stigma, das Behinderungen mit sich bringen. Im ganzen Land dominiert der Glaube, dass eine Behinderung – besonders eine geistige – von einem bösen Geist oder gar vom Teufel persönlich hervorgerufen wurde. Viele Menschen mit Behinderungen werden versteckt gehalten oder sogar verstoßen. Dass sie liebenswürdig, sozial und lernwillig sein können und Fähigkeiten haben, wird in diesem Kontext weniger angenommen. Beim Thema Behinderungen fehlt aber den meisten Ghanaern auch einfach das Wissen über ihre Ursachen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die Caregiver das Denken, dass eine Behinderung das Werk des Teufels ist, im Laufe der Zeit abgelegt haben, seitdem sie die Bewohner/innen intensiv kennengelernt haben. Dennoch würde ich ihre allgemeine Einstellung gegenüber den Bewohnern/innen eher als defizitorientiert bezeichnen, was aber immerhin eine Verbesserung gegenüber der Teufelsverbundenheit darstellt. Es ist aber zu beobachten, dass einige Caregiver mit jahrelanger Erfahrung gelernt haben, ressourcenorientierter zu denken.

Diese Erkenntnis hat mir dabei geholfen, den Umgang mit den Kindern, den viele Caregiver hier hegen, nachzuvollziehen. Natürlich macht es keinen Sinn, ihnen meinen Erziehungsstil oder meine Einstellungen aufzuzwingen, was ohnehin nicht funktionieren würde. Eher ist es mein Ziel, ihnen Handlungsalternativen aufzuweisen. Diesbezüglich ist das Screening-Programm, in welchem ich tätig bin, eine sehr gute Idee. Hierbei werden vereinzelte Bewohner/innen beobachtet und auf ihre Fähigkeiten und Hilfebedarfe hin überprüft. Darauf basierend wird dann ein Förderplan erstellt. Im Rahmen der Caregivermeetings werden allen Mitarbeitern, die alle übrigens keine pädagogische Ausbildung haben, die fertiggestellten Screenings vorgestellt. Es wird hierbei auch über die Hintergründe der Kinder berichtet, außerdem werden Verhaltensweisen erklärt, was ich für besonders wichtig finde. Denn oft werden störende Verhaltensweisen der Bewohner/innen als böswillig bewertet. Erklärungsversuche, woher dieses Verhalten rühren könnte, sowie Methoden zur Verhaltensänderung können hier sehr hilfreich sein.

In der Realität sieht es allerdings so aus, dass den Screenings nicht viel Beachtung geschenkt wird. Auch dies kann ich verstehen. Viele Caregiver arbeiten in PCC schon viele Jahre. Ständig kommen und gehen Freiwillige (davon viele für kurze Zeit), von denen viele versuchen, irgendetwas zu ändern. Wer die Änderungen realisieren und nachher damit leben muss, sind die Caregiver. Und viele dieser Änderungen bringen einen Mehraufwand für die Caregiver, die ohnehin ein enormes Arbeitspensum und wenig Freizeit haben, mit sich. Wenn Änderungsvorschläge überhaupt umgesetzt werden, werden sie oft nicht lange beibehalten. Wie gesagt, ist auch dies alles für mich verständlich – dennoch ist es auch manchmal frustrierend. Da einige Screenings aber nachweislich und nachhaltig Verbesserungen für Bewohner/innen gebracht habe, habe ich dennoch die Einstellung, nach bestem Wissen und Gewissen hierfür zu arbeiten. 

Neben der Screeningtätigkeit habe ich aber auch mehrere sog. Special Attentions übernommen. Das ist, was i.d.R. die Kurzzeitfreiwilligen in PCC tun. Man verbringt mit mehreren Bewohnern täglich je eine halbe Stunde, die man ganz unterschiedlich und je nach Bedarf des/der Bewohners/in füllen kann. Viele genießen einfach die Aufmerksamkeit und die Freiheit, selbst zu entscheiden, was passieren soll. Andere wiederum können individuell im Lesen, Schreiben und Rechnen gefördert werden, usw. Ich habe mich dafür entschieden, da die Screeningarbeit einige Bürozeit mit sich bringt. Für mehr Ausgleich dazu sowie mehr Kontakt mit den Bewohnern/innen und Caregivern sind die Special Attentions ideal.

Außerdem habe ich damit begonnen, die Zeichensprachengruppe zu unterstützen. Neben kleineren Beratungen fertige ich die Schaukarten an, die hierfür nötig sind.

Insgesamt geht es mir sehr gut, aber wie man hier lesen kann, muss man in seiner Erwartungshaltung etwas flexibel sein und bereit sein, (kulturelle) Begebenheiten zu verstehen und ggf. hinzunehmen. Dies ist sowohl auf mein Leben in Ghana generell als auch die Arbeit in PCC bezogen. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass meine Arbeit hier nicht sinnlos ist. Besonders in den Special Attentions sehe ich, dass meine Bemühungen Früchte tragen. Doch auch im Alltag kann ich hier und da Fragen der Caregiver und Freiwilligen beantworten und Tipps geben.

Mein Privatleben in Ghana ist sehr abwechslungsreich. Ich versuche, in meiner Freizeit und an den Wochenenden möglichst viel zu unternehmen und Land und Leute kennenzulernen. Ich genieße es, dass Zeit hier keine so große Rolle spielt. Es fühlt sich so an, als würde wesentlich weniger Druck auf mir lasten als in Deutschland. Und ich habe einen Monat in einer ghanaischen Gastfamilie gelebt, was eine interessante Erfahrung war. Es war schön, einen tieferen Einblick in das Leben einer ghanaischen Familie zu bekommen. Doch was ich gewöhnungsbedürftig fand, war dass es dort immer laut und sehr lebendig war. Ich möchte die Zeit und die Erinnerungen daran aber nicht missen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           

Wie wird es nun die nächsten sechs Monate weitergehen? Ich denke, dass sich fürs erste nicht allzu viel ändern wird. Ich habe meinen Arbeitsrhythmus und meine Rolle in PCC gefunden sowie einen guten Kontakt zu den Bewohnern/innen und Kollegen/innen aufbauen können. Mein Privatleben gefällt mir außerordentlich gut. Da ich bisher aber noch kaum Urlaub hatte, möchte ich unbedingt mehr vom ganzen Land sehen. Diesen Wunsch erfülle ich mir im April, wenn ich mit zwei Freunden aus Deutschland drei Wochen durch Ghana reise. Hierauf freue ich mich schon seit Monaten! Auch freue ich mich darauf, nach der jetzigen Trockenzeit Ghanas Regenzeit kennenzulernen, auch wenn ich befürchte, dass ich dann auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit etwas leiden werde. Aber auch das gehört dann dazu. Schließlich liebe ich auch den deutschen Winter, der mich aber hin und wieder über vereiste Windschutzscheiben, eingefrorene Füße und klappernde Zähne fluchen lässt… Kurzum:

 

Ich freue mich auf die nächste Zeit!“

 

 

 

 

So gut wie Halbzeit! In acht Tagen werden es sechs Monate sein, die ich nun hier in Ghana bin. Geradezu beängstigend, dass mein Aufenthalt hier nur noch so kurz sein wird. Ich musste sogar schon meinen Ruckflugtermin festlegen, nachdem ich vorletztes Wochenende per Email daran erinnert wurde, dass mein Rückflug am folgenden Abend sein sollte. Ups, da habe ich wohl ordentlich gepennt. Als mein Flug nach Ghana gebucht wurde, konnte der Rückflug noch nicht so weit im Voraus reserviert werden, weshalb er auf ein Datum im Januar datiert war. Ich hätte dann ein paar Wochen vorher eine Umbuchung tätigen sollen. In letzter Sekunde konnte der Flug dann noch mit Hilfe meiner Entsendeorganisation umgebucht werden, was mir sehr peinlich war.

Das vorläufige Rückflugdatum wäre der 20. Januar gewesen. Das war der erste Tag meines weltwärts-Zwischenseminars. So wie die zwei Vorbereitungsseminare, die ich letztes Jahr in Essen hatte, gehört auch dieses Seminar im Ausreiseland zu den Rahmenbedingungen des Freiwilligendienstes. Stattgefunden hat das Seminar in Kumasi und neben mir haben noch elf weitere Freiwillige aus allen möglichen Ecken Ghanas sowie drei Leute, die extra aus Togo anreisten, daran teilgenommen. Um den Inhalt nur oberflächlich zu benennen: es wurde mittels verschiedener Methoden im großen Kreis sowie in Kleingruppen Vergangenes reflektiert, Raum für den Abbau von Frustration gegeben, Probleme erörtert und Lösungsstrategien erarbeitet. Weiterhin ging es um unsere Erfahrungen mit der ghanaischen Kultur und unsere Zielsetzung für den zweiten Teil des Dienstes.

Besonders war ein Ausflug mit der Seminargruppe nach Adanwomase nahe Kumasi, wo die traditionelle Webkunst namens Kente praktiziert wird. Das war schon spektakulär, wie fingerfertig und vor allem schnell die Weber ihre meistens sehr farbenfrohen Stoffe hergestellt haben. Zu diesem Ausflug gehörte auch ein Abstecher zu einer Kakaoplantage. Hier konnten wir uns mit einem Kakaobauern unterhalten und auch rohen Kakao probieren, was eine ziemlich saure bzw. bittere Angelegenheit war. Ich wusste eigentlich schon vorher, unter welchen Bedingungen Bauern ihren Kakao verkaufen und wie wenig Geld sie hierbei verdienen, doch jemanden persönlich kennenzulernen, der davon betroffen ist, fühlt sich noch einmal anders an. Ich selbst werde von nun an im Supermarkt wohl nicht mehr nach der 39-Cent-Tafel greifen….

Endlich hatte ich übrigens meinen ersten Urlaub. Ich schreibe „endlich“, weil ich gegen Ende Dezember nach viereinhalb Monaten doch schon ziemlich urlaubsreif war. Wie ich schon öfters erwähnte, bin ich davon überzeugt, dass das Arbeiten im tropischen Klima für mich als Europäer doch um Einiges anstrengender ist. Jedenfalls bin ich am 28. Dezember erst in die Hauptstadt Accra gereist, um mich mit meinem deutschen Freund Hannes im nahe gelegenen Kokrobite zu treffen. Dies ist ein kleiner am Strand gelegener Ort, der bei Touristen und einheimischen „Rastamen“ beliebt ist. An diesem wirklich schönen Palmenstrand haben wir zwei Tage verbracht, im Anschluss daran hat mir Hannes den Küstenort Winneba gezeigt. Hier lebt und arbeitet Hannes ebenfalls als weltwärts-Freiwilliger. Nachdem wir Silvester in Cape Coast verbrachten, haben wir uns an Neujahr in aller Frühe aus den Betten gequält, um uns Winnebas „Fancy Dress“ anzuschauen. Das ist eine Art Karneval, nur halt ganz anders als ich ihn kannte. Mehrere Gruppen mit schätzungsweise je 50 verkleideten Personen (zum Teil auf meterlangen Stelzen) tanzen nacheinander mehrere Choreographien zu Blasmusik. Am Ende wird die Gewinnertruppe gekürt. Ein buntes Spektakel, das es sich zu sehen gelohnt hat. Die restlichen Tage meines Urlaubs habe ich in Axim an der Westküste verbracht. Ich habe gehört, dass die Strände immer schöner werden, je westlicher man reist. Und so scheint es wirklich zu sein, denn der Strand in Axim war der schönste, an dem ich je war. So ein richtiger Postkartenstrand. Ich war zwar nur drei Tage dort, dennoch war diese Zeit des Nichtstuns, sich Sonnens und Schwimmens sehr erholsam.

Endlich habe ich den Schritt gewagt, den ich eigentlich schon vor Monaten zu tun geplant hatte. Ich bin diese Woche in eine Gastfamilie ins Zentrum Nkoranzas gezogen. Hier ist es nun wirklich lebendig. Im Haus wohnen rund 15 Personen. Die schon etwas ältere Gastmutter wohnt hier mit ihren erwachsenen Kindern, die ihrerseits schon Kinder haben. Das Haus ist U-förmig und umgibt den Innenhof, in dem eigentlich fast der ganze Familienalltag stattfindet. Hier wird gekocht, gewaschen, gespielt, gefaulenzt, u.v.m. Das Haus hat kein fließendes Wasser, sodass morgens und abends Wasser in großen Wannen – typisch ghanaisch auf dem Kopf getragen – vom Brunnen in der Nachbarschaft geholt wird. Die Dusche erledigt man mit einem Eimer voller Wasser und einem kleineren Gefäß. Ich habe mich innerhalb von ein paar Tagen daran gewöhnt – ebenso an das Plumpsklo. So wie ich es mit der Gastmutter besprochen habe, bleibe ich vorerst einen Monat. Im Moment denke ich auch, dass ich es dabei belassen werde. Mir gefällt es zwar ganz gut, aber ich hatte natürlich einige Freiheiten und vor allem auch viel mehr Privatsphäre, als ich in PCC gewohnt habe. Da ist es erst wieder ungewohnt, wenn man Zeitabsprachen treffen oder sich vom Essen abmelden muss. Außerdem werde ich hier ziemlich bedient, was mir nicht ganz angenehm ist. Aber vielleicht lässt sich das ja auch noch ändern, und die Möglichkeit zur Verlängerung besteht. Gut gefällt mir jedenfalls der Umgang mit den Gastgeschwistern. Langweilig wird es bei diesem quirligen Haufen keinesfalls werden.

Eine Sache liegt mir noch am Herzen. Mir ist bewusst, dass ich durch meinen Blog bei den Lesern ein Bild von Ghana entstehen lasse, welches nur auf meinen subjektiven Beschreibungen, Erfahrungen und Gefühlen beruht. Ich versuche stets, meine Eindrücke nicht zu verallgemeinern, trotzdem ist es unmöglich, einen Blog völlig wertfrei zu schreiben. Ich möchte einfach nur darauf hinweisen, dass alles, was ich hier schreibe, allein meiner persönlichen Wahrnehmung entspringt. Wer also mal nach Ghana reisen wird oder schon dort war, kommt oder kam mit einem ganz anderen Erfahrungsschatz zurück.

Das war erst einmal von mir. Ich hoffe, euch geht es ebenso gut wie mir – auch bei euren niedrigen Temperaturen. Ich traue mich ja fast gar nicht zu schreiben, dass es hier im Moment besonders warm ist. In den letzten Tagen herrschten hier Temperaturen von über 35°C, zum Glück bei niedriger Luftfeuchtigkeit. Naja, der nächste deutsche Frühling kommt bestimmt.

Alles Gute aus dem Süden sendet euch

 

Simon

 

Nun ist es so weit. Ganz PCC ist im Weihnachtsfieber. Alle sind aufgeregt und die Simmung ist ausgelassen. Seit dem gestrigen Abend erstrahlt das ganze Gelände in allen nur erdenklichen Farben. Offen gesagt, hier in Ghana steht man scheinbar auf Kitsch und visuelle Reizüberflutung. Den Verdacht hatte ich schon früh, nämlich nachdem ich meine ersten Taxifahrten in Ghana unternommen hatte. Fast jeder Fahrer, in dessen Auto ich saß, hatte sein Auto mit allem erdenklichen Krimskrams dekoriert – gerne auch an der Windschutzscheibe baumelnd, sodass man kaum noch die Straße sah. Von Deutschlands Hutablagen verbannt, erfreuen sich Wackeldackel hier am Äquator größter Beliebtheit! Zwar ohne Wackeldackel, dafür aber mit musizierenden Lichterketten, die beinah wie farbige Stroboskope um die Wette blinken, Girlanden, Palmwedeln und Gebasteltem wurde PCC weihnachtlich aufgepimpt. Die genannten Lichterketten sind echt der Knaller. Die „Musik“, die sie von sich geben, sind Weihnachtsmelodien in der Qualität von diesen beim Aufklappen musizierenden Grußkarten, die es mal gab oder noch gibt – allerdings mit fast leerer Batterie. Furchtbar, aber ziemlich witzig!

Das heutige Programm sieht vor, dass gleich um 16.00Uhr der sogenannte Frafra-Choir auftritt. Was ich mir genau darunter vorstellen kann, weiß ich nicht. Eine Caregiverin sagte mir, sie singen in einer mir fremden lokalen Sprache Ghanas, tanzen und schwingen Tücher…. Ich bin gespannt. Morgen dann wird das Krippenspiel aufgeführt, bei dem ich die Aufgabe habe, die Bewohnerin Philomena beim Tragen des Weihnachtssterns zu begleiten. Anschließend wird gefeiert und zusammen gegessen. Aber für uns Volunteers ist natürlich der heutige Abend sehr wichtig. Wir verbringen ihn zusammen und jeder steuert etwas zu Essen bei, sodass ein schönes kleines Büffet zusammenkommt. Danach möchte ich ins „Rooftop“, in eine Bar in Nkoranza, gehen. Da soll heute die Luzie abgehen, haha. Mal schauen, wer mich begleitet.

Ausnahmsweise komme ich auch jetzt schon zum Ende. Mir fehlte in den letzten Tagen echt die Zeit, meinen Blog ausführlich zu schreiben. Nach Weihnachten kommt aber mehr, versprochen! Also, ihr Lieben, euch allen wünsche ich unvergesslich schöne Weihnachten! Genießt es, mit euren Lieben zusammen zu sein! Denn wenn man einige Tausend Kilometer entfernt ist, weiß man Weihnachten im Kreise der Familie wirklich zu schätzen! Habt eine schöne, spaßige und besinnliche Zeit. Euer Simon

Wo man auch hergeht, überall in PCC hört man Weihnachtslieder. Und das schon seit rund drei Wochen. Und bereits seit zwei Wochen wird jeden Montag und Donnerstag das Krippenspiel geprobt, außerdem trifft sich an diesen Tagen der Weihnachtschor. Morgen ist schon der erste Advent, wurde mir gestern schlagartig klar. Und von meinen Eltern hörte ich, dass sie schon auf dem Münsteraner Weihnachtsmarkt gewesen sind und sich fragen, ob sie alle Geschenke rechtzeitig beisammen haben werden….

Für mich reichlich merkwürdig, wo sich doch alles nach Sommer anfühlt. Ich trage überwiegend Shorts und Shirts, muss aufpassen, dass ich keinen Sonnenbrand bekomme und erfreue mich an (bzw. beklage manchmal) Temperaturen über 30 Grad. Wie soll da Weihnachtsstimmung aufkommen, so ganz ohne Adventskranz, Bauchschmerzen nach zu viel Plätzchenteig und diversen Ausrutschern auf Glatteis?

Wobei ich sagen muss, dass ich mich wirklich auf hiesige Weihnachten freue! Hier in PCC wird es zwischen dem 24. Dezember und dem zweiten Januar ein ganz besonderes Programm geben. Beispielsweise wird es einen Ausflug zu den Wasserfällen von Kintampo geben, ein Silvesterlagerfeuer ist geplant, verschiedene Chöre und Bands treten auf, eine Neujahrsparty wird veranstaltet, und, und, und… Klingt vielversprechend! In dieser aufregenden Zeit wird mir das Weihnachten à la Familie Jäger hoffentlich nicht allzu sehr fehlen, wobei…. das wird schon schwierig, weil es wirklich immer etwas ganz Besonderes für alle Beteiligten ist. Und auch meinen Geburtstag am zweiten Weihnachtstag werde ich das erste Mal in meinem Leben nicht in der obligatorischen Kaffeerunde im Wohnzimmer meiner Eltern feiern – eingepfercht zwischen meinen beiden Omas auf der Couch. Haltet mir bloß diesen Platz frei und stoßt mit reichlich Bowle auf mich an!

Außerhalb der Mauern der Lebensgemeinschaft merke ich hingegen nicht, dass Weihnachten vor der Türe steht. So wie ich hörte, wird Weihnachten in Ghana aber auch eher wenig zelebriert. Man kommt wohl mit seiner Familie zusammen, isst Besonderes und geht in die Kirche. Aber klar, den meisten fehlt sicherlich das Geld, um Weihnachten pompöser ausfallen zu lassen, und sicherlich muss das ja auch gar nicht sein, um schöne Weihnachten zu haben…

Mit Freude habe ich übrigens etwas verspätet festgestellt, dass die Gegend um Nkoranza und Techiman viele Orte zum Erkunden zu bieten hat. Es gibt viele Felsen zu beklettern und Höhlen zu sehen, sowie heilige Wälder und Klöster zu besichtigen. Alles nette Möglichkeiten für einen halb- oder ganztägigen Ausflug.

 

 

Auf dem "Loewenfelsen" in Tanobuase

Auf dem „Loewenfelsen“ in Tanobuase

Vor zwei Wochen war ich in einem dieser heiligen Wälder, in Tanobuase. Ich ging davon aus, einfach ein bisschen durch den Wald zu flanieren. Doch die geführte Tour entpuppte sich zu einer echten Kletterpartie. Sowas ist ja nach meinem Geschmack – über Stock und Stein, steile Felsen hinauf, auf dem Bauch durch Felsnischen. Zwischendurch auf einen Aussichtsfelsen, der schwer an den König der Löwen erinnert. Beendet wurde das ganze mit einem kleinen Wettkampf nach jahrhundertealter Tradition. Es galt eine Felswand hinaufzuklettern, die so beschaffen war, dass man viele Haltemöglichkeiten hatte. Die Tradition besagt, dass der Schnellste die zur Heirat bereite Frau des Dorfes bekommt. Tja, ich wurde nur Zweiter…

 

Letztes Wochenende habe ich einen Kurzurlaub am Lake Bosomtwe nahe Kumasi gemacht. Ich war da schon einmal und wusste, welche Idylle mich erwartete. Einfach nur schön da! Und das beste: total ruhig. Ruhe scheint nämlich eine Rarität in Ghana zu sein. Die zahlreichen Festlichkeiten wie Beerdigungen und Hochzeiten sowie alles drumherum werden zu jeder Tages- und Nachtzeit mit voll aufgedrehter Musik und/oder schon fast herausgebrüllten Gebeten und Gesängen beschallt – da feiert man mit, ob man will oder nicht. Die letzten Wochen in Nkoranza waren diesbezüglich sehr ereignisreich. Da war es schon fast normal, dass man mal um Mitternacht, mal morgens um drei oder auch um fünf Uhr aus dem Bett geschmissen wurde. Dank Ohropax finde ich das alles aber gar nicht schlimm.

Idylle am Lake Bosomtwe

Arbeitstechnisch ist alles cool. Ich merke in meinem Alltag richtig, dass ich schon echt lange hier bin. Ich habe zu den meisten Bewohnern/innen eine Beziehung aufgebaut, kann mit ihnen herumalbern aber auch Trost spenden oder auch mal Tacheles reden. Und auch mit den Caregivern ist die Zusammenarbeit wesentlich besser und freundschaftlicher. Auf Grund der vielen europäischen Besucher und Kurzzeitvolunteers scheinen einige der Caregiver…. sagen wir mal… skeptisch zu sein. Oder sie sind z.T. auch wegen geringer Englischkenntnisse unsicher. Mir gegenüber wurden mittlerweile sowohl Skepsis als auch Unsicherheiten abgelegt – im Notfall kommuniziert man halt mit oftmals lustiger Körpersprache und einem Lächeln, oder man holt sich wen zum Übersetzen. Diese Entwicklung gefällt mir jedenfalls ausgesprochen gut.

 

Im Moment habe ich übrigens richtig Spaß am Kochen. Mein neues Lieblingsgemüse sind Cocoyam-Blätter. Gut zu vergleichen mit Spinat und auch ähnlich zuzubereiten. Ich glaube, meine Quiche kann sich sehen lassen!

 

Jetzt muss ich zusehen, dass ich loskomme. Ich bin mit Bright auf ein Bier verabredet.

Ich wünsche euch das Beste

Euer Simon

Bevor ich etwas Anderes schreibe, muss erstmal eine Entschuldigung her. Wie viele Wochen sind seit meinem letzten Blogeintrag vergangen? In der Zwischenzeit ist aber auch so einiges passiert – zu meiner Vereidigung…. Zum Bespiel meine erste Malaria. Das Timing war hierbei überaus schlecht. Und zwar war ich soeben in Accra angekommen, um mir die Stadt anzusehen und vor allem, um an den Strand zu gehen. Sogar den Freitag habe ich mir freigenommen, um schon am Donnerstagabend die achtstündige Reise mit dem Nachtbus anzutreten. Da war ich nun an einem Freitag im überaus sonnigen und heißen Accra und war unterwegs zum Strand, da begannen die Kopfschmerzen. „Ach klar, viel geschwitzt und zu wenig getrunken, ich bin etwas dehydriert“, war meine Schlussfolgerung. Also habe ich erstmal literweise Wasser getrunken – der Kopfschmerz blieb. Hinzu kamen schmerzende Nieren, die ich aber als Rückenschmerzen fehlinterpretierte. Schließlich hatte ich die Nacht in einem Bus verbracht. Die Gliederschmerzen, die hinzukamen, nachdem ich viel gelaufen bin und den Strand fast erreicht hatte, schob ich ebenfalls auf die Reisestrapazen und die Lauferei. Skeptisch wurde ich erst, als ich am schönen Strand in der Sonne saß, auf das Meer schaute und mir eine dicke Jacke herbeisehnte. Mir war eiskalt… Ich bekam Fieber!

Da dämmerte es mir. Als ich die Symptome in der Summe sah und mir indes einfiel, dass ich nachts im Bus ziemlich fror und sogar mit den Zähnen klapperte (was ich der Klimaanlage zu verdanken dachte… Es lebe die Fehlinterpretation!), kam ich nun endlich auf die Idee, dass ich Malaria haben könnte. Also habe ich mir in der nächsten Apotheke Medikamente dagegen besorgt, die ich nun alle acht Stunden einzunehmen hatte. Alles in allem waren die kommenden drei Tage, an denen ich Wechselfieber, einen ziemlich matschigen Kopf, leichten Schwindel und quasi gar keinen Appetit hatte, natürlich nicht besonders toll, aber machbar. Ich fühlte mich einfach krank, ohne wirkliche Schmerzen zu haben. In den darauffolgenden Tagen, nachdem sich das Fieber verabschiedet hatte und ich vermutlich wie ein Untoter aussehend zurück nach Nkoranza gereist bin, war ich sehr schlapp und verbrachte die meiste Zeit im Bett.

Bis mich am Donnerstag, dem 24.10., gegen sieben Uhr morgens ein Telefonanruf weckte. Es war die Holländerin

Jeannette, die mit ihrem Mann Albert und zwei Ghanaern PCC leitet, die mich anrief, um mir mitzuteilen, dass der Bewohner Daniel an diesem Morgen plötzlich verstorben sei. Daniel? Unmöglich! Ein wirklich lebendiger, gesunder Teenager, der mir noch einen Tag zuvor einen Krankenbesuch abstattete. Jeannette erzählte mir, dass er vermutlich einen Krampfanfall hatte, der ihn ersticken ließ. So abgegriffen diese Worte mittlerweile auch sein mögen… Ich konnte es wirklich nicht begreifen. Abgesehen von den epileptischen Anfällen, die Daniel ab und zu hatte, war er wirklich ein gesunder und aktiver Junge. Er hat gerne Fußball gespielt, ist mit dem Fahrrad gefahren, konnte besonders gut englisch sprechen und hat mich häufig bei diversen Spielen während der Special Attention abgezockt. Jeden Tag habe ich ihm im Rahmen dessen das Lesen der Uhr beigebracht. Wir hatten wirklich viel Spaß dabei. Rest in peace, Daniel!

Die Beerdigung war noch am selben Morgen. Zwischen fünf und sechs Uhr morgens ist er gestorben, um halb elf lag er bereits unter der Erde. Vorher stand der offene Sarg an einem zentralen Ort auf dem PCC-Gelände, sodass sich die Mitarbeiter/innen und auch Bewohner/innen von Daniel verabschieden konnten. Daneben wurde gefrühstückt, zusammengesessen, gequatscht. Gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie nett. Der Sarg wurde unter großem Getöse mit freudigem Trommeln und Gesang zu einem kleinen Friedhof (eher einem grüner Streifen neben einer Straße) gebracht. Es wurden einige Worte des Abschieds gesprochen und der Sarg beerdigt, dann ging es mit demselben Tamtam zurück. Auch das war gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie glaube ich, dass es Daniel so gefallen hätte.

In den kommenden Tagen war ich weiterhin sehr schlapp. Ich vermute aber, dass ich mir am Tag der Beerdigung, an dem ich aus gesundheitlichen Gesichtspunkten eigentlich im Bett hätte liegen sollen anstatt von einer Horde Kindern umgeben zu sein, eine Entzündung im Hals eingefangen habe. Die hat mich dann wieder für ein paar Tage ausgeschaltet. Nun ja, bevor das hier zu sehr an einen Vormittag im ärztlichen Wartezimmer erinnert, höre ich nun auf, von Krankheiten zu schreiben. Mir geht’s wieder super, aber krank wird man hier als Europäer scheinbar schnell. Drückt mir also die Daumen!

Ein weiteres Ereignis, diesmal nach der Malaria, war eine Hochzeit, zu der ich letztes Wochenende eingeladen war. Geheiratet hat die Schwester einer Arbeitskollegin. Erst fühlte ich mich geehrt, dass ich diesem besonderen Fest als Fremder beiwohnen darf. Als ich dann aber zwischen den schätzungsweise einhundert Hochzeitsgästen saß und das Spektakel sah, verschwand das Ehrgefühl sehr schnell. Diese Hochzeit war in meinen Augen total kommerziell, da mag es gewinnbringend sein, ein paar Obrunis einzuladen. Es wurden verschiedene „Spiele“ veranstaltet, die alle den Zweck zu haben schienen, dass die Gäste für die Teilnahme daran Geld zahlen müssen. Es war schön, so etwas einmal gesehen zu haben, aber jede Woche muss ich das nicht haben. Aber dies war auch eine Ausnahmehochzeit. Wie ich nach dem Verlassen der Veranstaltung erfuhr – und das ist das Lustigste an der ganzen Sache – war der Bräutigam gar nicht der richtige Bräutigam, sondern ein Ersatz. Der echte Bräutigam ist nämlich auf unbestimmte Zeit in Europa, da ist halt sein Bruder eingesprungen. Haha, that’s Ghana. Und ich dachte schon die ganze Zeit, dass der Bräutigam echt nicht glücklich aussieht. Und bei den Liebeserklärungen wurde lauthals gelacht. Nachher ist man immer schlauer…

Bevor ich den Rahmen sprenge, komme ich mal langsam zum Schluss. Nur eines noch. Heute habe ich in nicht weiter Entfernung zu Nkoranza einen kleinen geführten Trip durch die Natur gemacht. Das war wirklich wunderschön! Wir

passierten einen kleinen Wasserfall und beendeten die Tour auf einem riesigen Felsen, den ich vorher hinaufklettern musste. Eine super Aussicht. Wie immer geben die Fotos nur die halbe Schönheit wieder. So, nun konntet ihr lesen, dass ich noch lebendig bin und dass es mir weiterhin bzw. wieder gut geht. Jetzt wird erstmal mit der lieben Oma geskyped. Sie wird heute 91 Jahre alt. Auch auf diesem Wege: Allet Juuute. Und an den Rest der Leserschaft liebe Grüße!!

 

Euer Simon

 

 

 

 

 

Wer mich kennt, kennt auch meine Lieblingsfarbe. Vor langer Zeit habe ich mich dazu entschlossen, die Farbe Grün allen anderen Genossen auf der Farbpalette vorzuziehen. Wie passend, dass ich in Ghanas Brong-Ahafo-Region mittig des Landes lebe, denn hier ist alles rundherum grün. Ich kann mich nicht satt daran sehen. Allein schon das PCC-Gelände ist mit seinen Kokospalmen und Bananenstauden sowie Papaya-, Orangen- und Mangobäumen (ich weiß genau, was das bei dem einen oder anderen Leser auslöst) überaus grün. Wenn man aber mal auf der Landstraße unterwegs ist und nicht gerade eine der zahlreichen kleineren Siedlungen passiert, ist alles links und rechts einfach nur grün hoch zehn. Das macht es für mich sehr leicht, für mehrere Stunden im Trotro zu sitzen. Ich schaue einfach nur aus dem Fenster – das ist besser als Fernsehen. A propos, in meinen fast zwei Monaten hier habe ich erst einmal kurz ferngesehen. Und das nur, weil neben mir ein Fernseher lief, als ich in der Gastfamilie in Kumasi zu Abend gegessen habe. Und es fühlte sich echt falsch an! So gerne ich in Deutschland auch Tatort gucke, hier in Ghana vermisse ich in dieser Hinsicht nichts!

Zurück zu den Farben… Neben allem Grünen bin ich ein Fan von der hiesigen roten Erde. Das ist doch mal schöner als das deutsche Braun! In Kombination mit all dem Grün ringsum sieht das einfach nur super aus! Und zum Thema Braun fällt mir noch mehr ein. Letztes Wochenende – ich hatte Besuch von den bezev-Freiwilligen Annika und Selina aus Kumasi – sind wir nach Kintampo gefahren. Dort gibt es mehrere Wasserfälle. In einem davon bzw. unter ihm kann man sogar schwimmen oder auch eine enorm harte Dusche nehmen. Etwas naiv erwarteten wir jedenfalls kristallklares Wasser und starrten für einen Moment sprachlos in die braune Brühe. Dem Spaß im kühlen Nass hat es aber keinen Abbruch getan! 

Ansonsten ist bei mir eigentlich wie immer alles in Ordnung! Mit meiner Arbeit komme ich ganz gut zurecht und mit den Kindern und jungen Leuten, die hier leben, kann man eigentlich nur Spaß haben. Vielleicht ist es an dieser Stelle sinnvoll, einfach einmal meinen Tagesablauf niederzuschreiben. Also: Mein Arbeitstag beginnt um 7.30Uhr mit der sog. Walking Time. Der Sinn dahinter ist, dass viele Bewohner tagsüber wenig Bewegung haben, also wird dieser Mangel dadurch etwas reguliert! Diejenigen, die Bedarf haben, machen während dieser Zeit Bewegungsübungen auf dem sog. Physioground. Um 8Uhr gibt es Frühstück, bei dem ich Michael assistiere. Im Anschluss habe ich eine Pause für mein eigenes Frühstück. Um 9Uhr bereite ich meine Special Attention mit Daniel Kofi vor. Er ist derjenige, über den ich derzeit das Screening schreibe. Danach habe ich dann 30 Minuten Zeit, um ihn auf seine Ressourcen hin zu testen und Hilfebedarfe zu erkennen. Das mache ich mittels verschiedener Spiele, die ich mir vorher ausgedacht habe. Zum Beispiel habe ich mit ihm ein Tastspiel gemacht, indem ich verschiedene Alltagsgegenstände in einem Eimer voller Bohnen versteckt habe. Er sollte sie mit geschlossenen Augen finden und benennen. Um 10 Uhr habe ich Special Attention mit einem anderen Daniel. Mit ihm lerne ich derzeit das Lesen der Uhr. Danach habe ich wieder 30 Minuten Pause, anschließend eine Stunde Zeit im Büro, um die Erkenntnisse über Daniel Kofi im Screening niederzuschreiben. Um 12 begleite ich wieder Michael beim Essen, danach ist dann bis 15 Uhr Pause. Nach zwei Special Attentions mit Moses und Kwaku Chairman ist dann allgemeine Poolzeit für alle. So zwei, drei Mal pro Woche hüpfe ich auch mit ins Wasser. Die Bewohner lieben das und auch ich habe einen Riesenspaß. Gegen 17Uhr ist dann Abendessen und wieder Unterstütze ich Michael. Ist dies beendet, habe ich Feierabend.

Danach koche ich meistens etwas, oder ein anderer Freiwilliger übernimmt dies. Ich gebe mir Mühe, dass das, was ich auf den Tisch bringe, auch etwas ghanaisch schmeckt. Mir schmeckt’s immer gut, aber die Ghanaer, die oft sehr eigen und zu wenigen Variationen mit ihren traditionellen Speisen bereit sind, würden bestimmt die Nase rümpfen. Ein weiterer Aspekt, der wegfallen würd, sollte ich in einer Gastfamilie leben.

Seit einigen Tagen unternehme ich übrigens viel mit einem Ghanaer meines Alters, sein Name ist Kwame Bright. Er arbeitet in Nkoranzas Apotheke und ich habe ihn letztes Wochenende in einem sog. Spot, einer kleinen Bar, kennengelernt. Ich bin sehr dankbar für diesen Kontakt, denn Bright ist sehr interessiert daran, mir die ghanaische Kultur näherzubringen. Eine willkommene Abwechslung in meinem oft holländisch geprägten Alltag.

So viel für heute. Nächsten Samstag werde ich auf einer Beerdigung sein. In Ghana ist dies ein riesiges Ereignis, das neben dem Traueraspekt auch viele Anlässe zur Freude bieten soll. Ich bin sehr gespannt.

Bis dahin! Liebe Grüße aus dem grünen, derzeit wegen eines Stromausfalls eher schwarzen Nkoranza sendet euch Simon

 

Wenn ich mich in meinem Kalender nicht verzählt habe, bin ich nun seit 43 Tagen in Ghana. Das ist lang genug, um sagen zu können: Ich habe einen Alltag. Natürlich erlebe ich nach wie vor Überraschungen und nehme neue Kuriositäten wahr, was sicherlich auch daran liegt, dass meine Augen nun in dem bunten Potpourri die zahlreichen Details erkennen können. Doch alles in allem habe ich mich an das meiste gewöhnt. Dank guter Vorbereitungen in den beiden Seminaren meiner Entsendeorganisation „bezev“ warte ich noch immer auf den Kulturschock, der viele Freiwillige ereilt. Klar, die Armut vieler Ghanaer lässt mich nicht unberührt, aber ich bin mit diesem Wissen hierher gekommen und dementsprechend wurde ich von den zahlreichen Behausungen, die in Deutschland vielleicht gerade einmal (und von vielen nicht einmal) als Geräteschuppen genutzt würden, nicht umgehauen. Im Gegenteil, das ist pures Leben! Ohne Schnörkel, Toilettendeckelbezug und Milchaufschäumer. Es wäre absolut vermessen, zu sagen, dass ich die Leute für diesen Lebensstil bewundere. Oder dass die Leute trotz ihrer Armut glücklich sind. Ich schätze, die meisten würden ohne eine Sekunde zu zögern mit mir tauschen und für mich nach Deutschland gehen. Um mein Leben zu leben, das mir so viele Perspektiven und Sicherheiten bietet. Ich kann diesen Menschen natürlich nicht ihre Armut nehmen, aber wenigstens kann ich mein Leben ein bisschen ghanaischer gestalten und meinen westlichen Reichtum weniger ausnutzen. Hier wird z.B. alles benutzt, bis es seinen Zweck nicht mehr erfüllt. Dann wird es, wenn möglich, für etwas anderes oder jemand anderen zweckentfremdet und erst dann, wenn nichts mehr geht, durch etwas Neues ersetzt. Oder eben nicht. Sicherlich wird dies so gehandhabt, weil finanzielle Mittel knapp sind. Aber ich, und da bin ich bestimmt nicht allein, bin bisher immer ganz anders mit Gegenständen mit Schönheitsfehlern umgegangen. Auch diese Erkenntnis packe ich in meinen Koffer.

Letztes Wochenende, als ich wieder in Kumasi war, habe ich einen 19Jährigen kennengelernt, der bei seiner für ghanaische Verhältnisse einigermaßen wohlhabenden Tante lebt. Ich glaube, seine Mutter ist zu arm, um ihn zu versorgen. Er geht jedenfalls momentan zur Junior High School, die monatlich schon eine ordentliche Stange Geld kostet. So wie es momentan aussieht, wird er nicht zur Senior High School gehen können, um eine Berufsausbildung abzuschließen, da dies die finanziellen Möglichkeiten der Familie nicht zulassen. Wie unfair! Als ich das von ihm hörte, war ich wirklich ergriffen und zugleich beschämt, dass ich nach meiner bereits absolvierten Ausbildung noch ein Hochschulstudium beginnen möchte, „nur“ um mich noch besser auszubilden. Vielleicht war ich in diesem Moment etwas zu vorschnell, aber in meiner das-ist-alles-nicht-fair-Stimmung habe ich ihm gesagt, dass ich nach Möglichkeiten schauen werde, die ihm vielleicht helfen können. Schließlich habe ich die Verbindung zu einem reichen Land. Jetzt setzt er, glaube ich, große Hoffnungen in mich. Aber ich möchte mein Wort halten und es wenigstens probieren. Habt ihr, liebe Leser, nützliche Ideen? Nutzt doch bitte die Kommentarfunktion.

Nun möchte ich etwas leichtere Kost bieten, schließlich soll ein Blog ja auch unterhalten. Und zwar habe ich meinen ersten Skorpion in freier Wildbahn gesehen! Und auch, wenn das Photo die Größe des Skorpions nicht korrekt wiedergibt, ich fand ihn riesig! Ich habe ihn lange beobachtet, denn seine Bewegungen waren echt faszinierend. Diese endeten jedoch abrupt, als eine ghanaische Mitarbeiterin einen dicken Stein auf ihn warf. Hier wird mit allem, was gefährlich sein könnte, nicht lange gefackelt. Auch Schlangen werden direkt mit Stöcken oder Steinen erschlagen, da kennt man hier nichts. Eine Schlange habe ich übrigens auch schon gesehen, die war allerdings kaum größer als ein Bleistift. Aber hey, Schlange ist Schlange. Für ein Foto war sie aber leider zu schüchtern.

Ich möchte übrigens bald in eine Gastfamilie ziehen. Ich durfte letztes Wochenende einen kurzen Einblick in zwei Gastfamilien haben, als ich bezev-Freiwillige in Kumasi besucht habe. Mir hat es so gut gefallen, dass ich mir das auch für mich wünsche. Sicherlich muss ich dann einige Freiheiten abgeben, ich bekomme dafür aber bestimmt einen tieferen Einblick in Ghanas Kultur und außerdem mehr Kontakt zu Einheimischen. Im Moment verbringe ich nämlich mehr Zeit mit niederländischen Volunteers, als mir lieb ist. Schließlich bin ich in Ghana!

So, ich gehe noch schnell in die Stadt auf eine Runde „fried yam“ (eine Wurzel, die eine leichte Ähnlichkeit mit Kartoffel hat) oder „rice with stew“. Und dann ist auch schon fast Schlafenszeit, schließlich ist es schon „spät“.

Es grüßt euch,

Simon

PS: mehr Fotos von Nkoranza und von der Arbeit reiche ich in den nächsten Tagen nach. Alle, die mich kennen, kennen ja auch meine Vergesslichkeit…. Ach, und „Meda ase“ heißt „danke“ auf Twi, der Sprache, die hier in der Region gesprochen wird. Danken möchte ich für euer reges Interesse an und positives Feedback für meine Beiträge!