So 22 Jun 2014
Eine Traumreise vor dem Endspurt
von Simon Jäger in Blogs
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Da bin ich wieder! Und ich habe Einiges zu berichten, denn die vergangenen Wochen waren sehr ereignisreich. Denn ich hatte Besuch von meinen Eltern und einem meiner älteren Brüder. Ich muss zugeben, dass mir dies im Vorhinein ein wenig Bauchschmerzen verursachte. Denn ich befürchtete, dass viele der oftmals chaotisch wirkenden, lebhaften ghanaischen Gegebenheiten meine Familie überfordern würde. Im Rückblick war all diese Sorge wirklich unbegründet! Denn Mama, Papa und Flo haben wirklich ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit bewiesen und „jeden Scheiß“ mitgemacht. Ein Lob an dieser Stelle an die Drei!
Da wir uns aus praktikablen Gründen darauf geeinigt haben, uns erst in Nkoranza zu begegnen, waren die Drei in den ersten vier Tagen auf sich allein gestellt. In dieser Zeit habe ich die Sorge kennengelernt, die vermutlich Eltern so oft um ihre Kinder verspüren. Am Abend ihrer Landung in Accra sind meine Lieben nur mit dem Taxi in ein Hostel gefahren worden. Da konnte also meiner Meinung nach nicht allzu viel passieren. Am nächsten Tag hingegen sind die Drei nach Cape Coast aufgebrochen, um dort ihr nächstes Lager aufzuschlagen. Und ausgerechnet an diesem Tag haben sämtliche Vodafone-Dienste versagt, sodass wir uns gegenseitig für einige Stunden nicht erreichen konnten. Ich habe mir tatsächlich Sorgen gemacht, dass irgendwas passiert sein könnte. Wir hatten nämlich ausgemacht, dass ich jeder Zeit angerufen werden kann, wenn Fragen oder Probleme aufkommen. Im Nachhinein war das Ganze echt schon fast lächerlich, aber wenigstens konnte ich somit beweisen, dass diese Eltern-Kind-Sorge durchaus auch andersherum funktioniert.
Als wir endlich in PCC aufeinandertrafen, war die Freude auf beiden Seiten sehr groß. Und wieder gab es meinerseits dieses Gefühl, dass man gar nicht so recht wusste, was man sagen sollte. Dies hielt aber nur sehr kurz an und schon haben wir uns fleißig über das Erlebte und Verpasste ausgetauscht. Den darauffolgenden Tag verbrachten wir in Nkoranza und machten einen Ausflug zum Affenreservat. Wir hatten wirklich großes Glück und haben sehr viele Affen angetroffen und gefüttert. Und diesmal, so fand ich, waren die Affen sogar besonders zutraulich und hatten kaum Berührungsängste.
Am nächsten Morgen brachen wir schon wieder auf, um den Norden Ghanas zu bereisen. Endlich! Denn vorher hatte ich es noch nicht dorthin geschafft. Und wie ich es bereits erzählt bekommen hatte, veränderte sich die Landschaft peu a peu je weiter man in den Norden kam. Die meisten Bäume werden immer kleiner und die Abstände zwischen ihnen größer, und man kann sich sehr gut vorstellen, dass dieser Teil des Landes in der Trockenzeit nicht allzu viel Anbau zulässt. Auch die Bauart der meisten Häuser verändert sich in Richtung Norden recht stark. Die Mehrzahl der Häuser auf dem Land, die wir sahen, waren sehr einfache Lehmhäuser. Die gibt es zwar auch im Rest des Landes hier und da, dennoch hatte ich den Eindruck, dass dies dort die meistverbreitete Bauart ist. Auch das Angebot verschiedener Nahrungsmittel scheint im Norden deutlich begrenzter zu sein. Zumindest kam mir diese Verallgemeinerung in den Sinn, als wir in einem kleineren Städtchen nahe Wa versuchten, Obst und Gemüse zu kaufen, und uns nur mit zwei Zwiebeln begnügen mussten. Kurzum: der Norden ist der ärmste Teil Ghanas, und das konnte man vielerorts sehen.
Unsere erste Etappe im Norden war jedenfalls der Mole National Park. Dies ist wohl der berühmteste und am meisten besuchte Nationalpark Ghanas, was vermutlich daran liegt, dass dort Elefanten leben, die man auch zu Gesicht bekommen kann (anders als im Kakum National Park im Süden, deren Elefanten wohl mehr als schüchtern sind). Und meine Familie und ich hatten großes Glück. Wir haben zuerst eine Safari zu Fuß gemacht, bei der wir neben Warzenschweinen, verschiedenen Antilopen, einem Krokodil und kleinen Äffchen drei Elefanten beim Baden im Wasserloch zusehen konnten. Und obwohl die Elefanten eher träge waren, war dies bereits ein Erlebnis erster Güte. Wie schön es ist, Elefanten in natürlicher Umgebung zu sehen! Das ist ein ganz anderes Gefühl, als sie im Zoo zu bestaunen. Als wir am Vormittag dann noch eine Jeep-Safari machten, sahen wir dieselben drei Elefanten wieder – diesmal kamen sie aber gerade aus dem Wasserloch heraus. Zuerst waren sie in einem kleinen Wäldchen, und die Sicht war ein wenig verdeckt. Dann sagte unser Guide jedoch, dass die Elefanten sehr bald aus dem Wäldchen gehen würden, um sich mit Schlamm zu bedecken. Also haben wir uns eine gute Position gesucht und prompt kamen alle drei Elefanten aus dem Gebüsch hervor, um das Prophezeite zu erledigen. Wow, das war imposant! Wir waren richtig nah dran und konnten förmlich ein Fotoshooting mit den Elefanten machen. Das persönliches Highlight meiner ganzen Reise durch Ghana! Außer einem kleinen Angriff auf meine Eltern durch Paviane, die es auf ihre Plätzchen abgesehen hatten, ist in Mole nicht mehr allzu viel passiert (was nach allem Erlebten auch nicht nötig war!).
Weiter ging die Reise nach Wechiau in der Upper West Region. Dort, direkt an der Grenze nach Burkina Faso, gibt es ein Reservat für Nilpferde, das wir alle gerne sehen wollten. Dort bekamen wir die Möglichkeit, in schmalen, schaukelnden Bötchen die im Fluss dösenden Nilpferde zu beobachten. Diese sind nämlich nachtaktiv und verlassen erst abends das Wasser, um zu fressen. Auch dieses Erlebnis war sehr spannend, da wir circa neun ausgewachsenen und einem kleineren Nilpferd recht nahe kamen. Für den Geschmack meiner Eltern zu nah, denn ihr Bootsmann war besonders mutig und konnte auf Grund seiner Gehörlosigkeit die Warnungen seiner Kollegen nicht hören. Eine meiner Lieblingsanekdoten dieser Reise!
Mit der Bootsafari endete der Besuch im „Hippo-Sanctuary“ jedoch noch nicht. Auch im Angebot enthalten war die Übernachtung in einem Baumhaus (eher eine kahle Plattform) direkt am Fluss. Dies konnten sich mein Bruder und ich natürlich nicht entgehen lassen, und meine Eltern waren wohl oder übel mit von der Partie. Wir „schliefen“ auf quasi hauchdünnen Matratzen und vom vorerst sternenklaren Himmel trennten uns nur die Moskitonetze. Und hätte es nicht nachts für kurze Zeit geregnet, hätten alle Anwesenden wohl ganz okay geschlafen. Zum Glück blieb der tropische Guss wie aus Eimern aus, sodass wir einigermaßen trocken blieben.
Nach halb durchgemachter Nacht machten wir uns auf den Weg über Wa nach Tumu, was wir als passenden Zwischenstopp auf dem Weg nach Bolgatanga (Upper East Region) ansahen. Die gesamte Strecke hat uns allen sämtliche Kräfte und gute Laune entzogen. Diese Straße war bisher die schlechteste Landstraße, die ich in Ghana (und auch überall sonst, wo ich war) befahren habe. Rund 8 Stunden waren wir insgesamt – mit Umsteigen und Wartezeit in Wa – unterwegs, davon wurden wir gut 6 Stunden durchgeschüttelt. Unterwegs hatten wir noch eine Panne, die zum Glück nach 30 Minuten behoben werden konnte. Und zu guter Letzt fuhr der Fahrer auch noch viel zu schnell und bremste vor den meisten Schlaglöchern (und daraus bestand die Straße eigentlich nur) viel zu stark und dennoch zu spät, sodass wir mit voller Wucht durchbretterten. Dabei stießen Florian und ich uns mehr als einmal heftig den Kopf. Das war zu viel – dabei bin ich ja schon an so Manches gewöhnt. Beim Ausstieg waren wir wohl alle sehr kurz davor, den Boden zu küssen.
Die letzten Tage unserer Reise verbrachten wir in Bolgatanga. Von hier aus machten wir einen Ausflug zu den „Tongo Hills and the Tengzug Shrines“. Die Tongo Hills sind eine traumhaft schöne Landschaft voller Felsen aller Größen und Formen. Vielerorts sind diese Felsen zu skurillen Formationen aufgetürmt. Überall sieht man große wie kleine Baobabs (=Affenbrotbäume).
In diesem Gebiet lebt ein polygam lebender Volksstamm namens Talensi. Besichtigt haben wir den Chief’s Palace (Palast des regionalen Oberhaupts) dieser Menschen, in dem der Chief mit seinen Frauen (ich meine, es waren acht), seinen Kindern (wovon die Söhne auch vier bis sechs Frauen haben) und deren Kindeskindern lebt. Das nenne ich mal eine Großfamilie! Der Palast ist so gar nicht, wie sich viele Leute einen Palast vorstellen. Es ist eher eine Ansammlung vieler kleiner und größerer Hütten, die durch Mauern und zahlreiche Gänge miteinander verbunden sind. Ein echtes Labyrinth! Und überall gibt es kleine und große Opferaltare, auf denen für die Lösung persönlicher Probleme Tiere geopfert werden. Ein besonderers spiritueller Ort der dort ansässigen Talensi ist ein auf einem Felsigen Berg gelegener Schrein (eine weitere, große Opferstätte), zu dem man nur Zutritt erhält, indem man die traditionelle „Kleiderordnung“ einhält. Jeder – egal ob Mann, Frau, Talensi oder Tourist – darf lediglich in einer kurzen Hose den Schrein aufsuchen. Der Oberkörper sowie die Unterschenkel und Füße müssen ausnahmslos unbekleidet sein. Und auch das hat meine liebe Familie mitgemacht!
Auf dem Rückweg von Bolgatanga nach Nkoranza hatten wir noch ein merkwürdiges Erlebnis. Nachdem wir gerade Tamale durchquert hatten, baute ein junger Mann, der neben uns im Bus saß, in aller Seelenruhe ein Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow zusammen. Damit bewaffnet saß er den Rest der Fahrt neben uns. Erst waren wir alle erschrocken, und ich war sicherlich nicht der einzige von uns, dem der Gedanke eines Überfalls kam. Diese Erfahrung habe ich auf all meinen Reisen in Ghana noch nicht gemacht. Mit der Zeit dachten wir uns aber, dass der Mann nichts Böses im Schilde führt, sondern zu unserem Schutz dort war. Das wunderte mich, da immer alle sagten, dass es die bewaffneten Überfälle in Ghana seit einigen Jahren nicht mehr gebe. Gestern habe ich jedoch eher zufällig auf den Seiten des Auswärtigen Amtes gelesen, dass genau auf der Strecke in letzter Zeit Überfälle stattfanden. Puh, vielleicht gar nicht schlecht, dass wir davon nichts wussten!
Die restlichen Tage waren nicht sehr ereignisreich, dafür trotzdem sehr schön. Wir haben noch das Zusammensein genossen und den Geburtstag meiner Mutter gefeiert, bevor sich die Drei wieder auf den Rückweg machten. Ich bin sehr froh, dass Papa, Mama und Flo den weiten Weg hierher gemacht haben. Ich weiß, wie schwer es für viele unter euch ist, sich alles Beschriebene (und all die Dinge, die ich gar nicht erwähnen kann) vorzustellen. Es wird sehr schön sein, dass ich in Deutschland Menschen um mich haben werde, die eine ziemlich gute Vorstellung davon haben, was ich in meinem Jahr in Ghana erlebt habe. Ich danke euch für diese schöne Zeit!
A propos Zeit… Meine letzten wenigen Wochen in Nkoranza sind angebrochen. Ich habe mich mittlerweile sehr gut an den Gedanken gewöhnt, bald wieder in Deutschland zu sein. Ich freue mich sehr darauf. Dennoch kommt auch das Gefühl näher, dass ich mich langsam von Ghana und all den lieben Menschen, die ich hier getroffen habe, verabschieden muss. Außerdem möchte ich natürlich meine Arbeit bestmöglich zu Ende bringen. Eine spannende letzte Etappe meines Freiwilligendienstes!
Bis zum nächsten Eintrag,
euer Simon