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Seit dem symbolträchtigen 12.12.12 ist das erste Drittel meines Auslandsaufenthaltes vorüber. Nun sind es auch nur noch circa zwei Wochen bis zur Halbzeit – Wahnsinn wie schnell das alles passiert.
Nachdem ich ja in meinem Bericht Nr. 1 in erster Linie über meine Arbeit mit den Behinderten geschrieben habe, möchte ich nun etwas mehr von meinen freien Tagen und Unternehmungen erzählen. Die nächstgrößere Stadt ist das 70 Meilen entfernte Boston – im umgangssprachlichen Schwäbli auch gerne mal „Boschdn“. Um etwas zu erleben ist man hier an der richtigen Adresse. Zum Beispiel war ich bereits auf zwei Konzerten und auch einige berühmte Sportmannschaften wie die Red Sox und die Celtics sind hier zu Hause. Da ich von Baseball nichts verstehe, habe ich meinen Sport Volleyball erstmal vorübergehend gegen Basketball eingetauscht. Natürlich ging es dann mit der ganzen Freiwilligentruppe bereits zu einem Spiel der Celtics. Blöd gelaufen, dass gerade in diesem Spiel Bostons Starspieler Rajon Rondo in eine ziemlich wilde Rangelei an vorderster Front verwickelt war und noch vor der Hälfte „ejected“ wurde. Das Spiel der Celtics war dementsprechend nicht auf dem sonst so außerirdischen Niveau und die Kobolde mussten sich im Ostderby gegen die Brooklyn Nets geschlagen geben. Ein weiteres Sportevent war das prestigeträchtige Footballduell der Nobeluniversitäten Harvard und Yale.

Mit der sagenumwobenen Nr. 24 avanciert Donovan Celerin beim Ivyleague-Derby zum Matchwinner


35 $ pro Nase sollte der Eintritt kosten. Scheinbar konnten wir unsere Nasen beim Betreten des Stadions aber so gut verstecken, dass uns der Preis erspart blieb. Das Spiel gewann Harvard und somit war natürlich die Hölle los in Boston.
Von den beiden Konzerten hat mich insbesondere das vom Kanadier Abel Tesfali, den Kennern eher als „The Weeknd“ geläufig, umgehauen. In meinen Augen kann man ihm kein Genre zuordnen, da quasi sein Genre er selbst ist – auf diesem Wege also ein bisschen Promotion für das Jahrhunderttalent aus Toronto. Abgesehen davon durfte natürlich auch der Besuch der einwohnerstärksten Stadt Amerikas nicht fehlen – New York. Bereits im ersten Monat stattete ich dem Big Apple einen Besuch ab und in der Weihnachtszeit wieder. Es ist verrückt wie vielseitig eine Stadt sein kann. Die Freiheitsstatue, das Empire State Building, den Times Square – natürlich alles bereits gesehen, aber die Stadt an sich wirkt noch sehr unbekannt.

Snapbacks back – ein winziger Ausschnitt aus der Sammlung des Flight Clubs, New York. Dagegen sieht selbst die Wand von Samy Deluxe leer aus.


Mein Heimatstaat hier in Amerika, New Hampshire, hat auch einiges zu bieten, allerdings eher in Richtung Abenteuer im Grünen. Vielleicht ist das der Grund, dass die meisten Menschen uns ihr Beileid wünschen, wenn wir unseren Wohnort nennen. So muss man dann wohl den Naturburschen in sich wecken. An einem guten Tag ging es auf den Mount Monadnock. Mit 2300 Fuß gehört der gute Monadnock zwar nicht zu den allergrößten, aber immerhin zum am zweitöftesten bestiegenen Berg der Welt.

Was ist da denn los? Wachsen die Bäume auf dem Monadnock seitlich aus den Felsen oder trotzt der Jaust da gerade der Schwerkraft?

Ironischerweise war das Highlight beim Klettertag die Rückkehr im Dunkeln. Etwas zu spät in den Anstieg gestartet, hatten wir dann den Salat als wir oben waren. Dafür gab es einen schönen Sonnenuntergang zu sehen und heile nach unten gekommen sind wir ja auch noch irgendwie.

Was das Nachtleben hier angeht, hat man es mit zarten 19 Jahren ziemlich schwer. Alles was interessant ist, ist ab 21. Beim Versuch das zu umgehen haben wir bereits in Woche zwei am Selbstbeispiel erfahren, wie mit Schwerverbrechern dieser Art umgegangen wird. Nachdem wir noch am selben Abend eine Polizeistation besichtigten, um an einem Fototermin teilzunehmen, war auch noch der Besuch eines Gerichtssaals einen Monat später inklusive – und das alles für einen läppischen dreistelligen $-Betrag. Nur die Handschellen fehlten noch um die Farce perfekt zu machen. Leider wollten wir eigentlich an diesem Abend den Abschied von meinem Werner Homie, Peter Kerzel, feiern. Er war Freiwilliger der Lukas Community 11/12 und seine letzten zwei Arbeitswochen überschnitten sich noch mit meinen ersten zwei Wochen. So konnte er uns Neuen noch einiges zeigen – ein solcher Thriller war aber auch für ihn neu.
Hausparties in Studentenstädten gibt es natürlich trotzdem und die sind oft genauso wie man sie aus den zahlreichen Filmen kennt – rote Plastikbecher, BeerPong und an jeder Ecke grüne Kobolde.

La vue du Mont Royal descends le Montréal enneigée – Wer ’nen Fehler findet, darf ihn behalten


Meine freie Woche in den Winterferien habe ich in Kanada verbracht. Über Neujahr im günstigen Montréal und vier weitere Tage auf dem Snowboard – ebenfalls im Bundesstaat Quebec. Ein besonderes Erlebnis daran war, dass ich so mein Französisch auffrischen konnte. In einem lebhaften Gespräch mit der Hotelsecurity habe ich an linguale Glanzleistungen aus Schulzeiten anknüpfen können. Zurück in New Hampshire verbringe ich meine freien Tage gerne damit in nahgelegene Skigebiete zu fahren – ein günstiger Collegepass machts möglich. Hauptziel dabei ist möglichst lange verletzungsfrei zu bleiben, immerhin habe ich bereits acht Tage geschafft – Rekord!

Snowboarden in Vermont – Mount Snow.. Wer errät die Farbe meiner Hose?

In diesem Sinne Ski Heil und bis demnächst,

Juri Kollhoff

 

Seit meinem ersten Arbeitstag ist nun schon einige Zeit vergangen und jetzt ist es soweit mal etwas von mir hören zu lassen. Ich möchte in den nächsten Tagen noch zwei weitere Berichte hochladen, damit es nicht ein Riesiger wird, der dann sowieso nicht gelesen wird.
Mittlerweile bin ich ja schon seit zweieinhalb Monaten im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und es ist verrückt wie schnell die Zeit verfliegt. In der Lukas Community, wo ich mein Freiwilliges Soziales Jahr absolviere, arbeite ich mit Erwachsenen Behinderten zusammen. Die Einrichtung ist in Temple, New Hampshire, im Nordosten der Vereinigten Staaten beheimatet.

Klettern auf einem ortsnahen Berg – im Hintergrund ist bereits die Farbenvielfalt des Indian Summers zu erkennen

Es hat sich wirklich gelohnt diesen Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Immerhin war die Arbeit mit Behinderten ja komplett neu für mich. Da in der langen schulfreien Zeit nach dem Abitur bis zum Start meines FSJs eher anderes als Arbeiten im Vordergrund stand, war auch die Umstellung zu einem wahren Fulltimejob neu. Nicht selten sind wir von 7 bis 21 Uhr eingespannt, man gewöhnt sich allerdings ziemlich schnell daran wenig zu schlafen. Auch die Anfangsskepsis wurde mir schnell genommen als wir hier sehr herzlich und familiär aufgenommen wurden. Insgesamt sind wir neun Freiwillige aus ganz Deutschland und sieben Coworker, mit denen wir uns um 17 Behinderte in vier Häusern kümmern. Die Einen sind ziemlich selbstständig, den Anderen muss man zum Beispiel beim Duschen, Zähne putzen und Anziehen helfen. Es gibt hier einen geregelten Stundenplan, sodass jede Arbeitswoche in etwa gleich aussieht. Da aber jeder einzelne Tag immer anders ist und auch die Behinderten immer wieder für Abwechslung sorgen, wird mir eigentlich nie langweilig. Die Arbeit reicht von verschiedensten Workshops bis zum abendlichen Beisammensitzen. Zu den Workshops zählen zum Beispiel Gartenarbeit, das gemeinsame Kochen, Wandern, Holz hacken oder auch Weben.

Die Supercrew – Walking mit Rimadonna, Rascal und Goldie

Am besten gefällt mir das wöchentliche Basketballspiel am Dienstag. Hier entfaltet so manch einer ungeahnte Talente. Darüber hinaus werden hin und wieder interessante kulturelle Veranstaltungen für die Behinderten organisiert. So gab es zum Beispiel am Labour Day ein großes Barbecue mit der gesamten Community. Auch Events wie Pumpkinfeste (Kürbisfeste) stehen hin und wieder am Wochenende auf dem Programm. Das Festival in Keene, einer Stadt rund 40 Meilen von Temple entfernt, will es sogar für die meisten angezündeten Kürbisse ins Guinness Buch der Rekorde schaffen.

Das Kürbisfest in Keene – hier ist nur ein minimaler Anteil aller Kürbisse zu sehen

Bald steht auch schon Halloween an, was hierzulande ja bekanntlich ein Riesenhighlight ist. Aus diesem Grund wurden sogar extra die benachbarten Communities eingeladen. Mit insgesamt rund 100 Leuten wird hier also einiges los sein. Besonders freue ich mich schon auf die Verwüstung des Geländes und darauf meiner Kreativität beim Verkleiden der Residents freien Lauf zu lassen. Für Rascal, einen Bewohner meines Hauses, habe ich da auch schon die ein oder andere Idee. Gerade ihn finde ich besonders interessant, da er immer wieder mit neuen Aktionen für Unterhaltung sorgt. Rascal geht zum Beispiel gerne mal nach Mitternacht auf die Pirsch und öffnet dabei alle Fenster, die ihm auf seinem Weg entgegenkommen. Das kann in den extrem kalten Wintermonaten noch ganz schön spannend werden. Meistens sagt er auf seiner Tour aber noch einmal irgendwann kurz „Hallo“ und kommt ins Zimmer, um den Ventilator anzustellen. Wenn man davon wach wird, kann man den Schaden meistens noch rechtzeitig beheben, bevor am nächsten Tag das Haus zugeeist ist. Es kam sogar bereits vor, dass er eine nächtliche Session auf seiner Gitarre eingelegt hat. Auch Rimadonna, die einen immer besonders lieb hat, wenn es etwas zu essen gibt, prägt den Alltag.  Da wird ein „I love you“ manchmal sogar noch durch ein „I love you very much“ gesteigert. Ich habe also nicht nur in meinen freien Tagen, über die ich in meinem nächsten Bericht schreiben möchte, viel Spaß.

Die besten Grüße gehen raus nach Werne und Umgebung, viel Spaß auf SimJü auch ohne den Kobold Nr.1

Juri Kollhoff