Fr 20 Dez 2013
Angenehmer Mix aus Arbeit und Freizeit
von Benedikt Stute in Blogs
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Es ist unglaublich, dass fast ein Drittel der Zeit, die ich hier in Tansania habe, schon vorbei ist. 4 Monate bin ich schon hier, 9 bleiben mir noch. Wenn ich daran denke, wie meine Freunde zum Grillen bei mir im Garten saßen, oder wie ich mit meiner Familie und meiner Freundin am Bahnhof in Dortmund stand und es Abschied nehmen hieß, kann ich es wirklich nicht fassen, dass schon so viel Zeit verstrichen ist.
Neben einer Reise ins Nachbarland Kenia, bei der ich eine Schulfreundin besucht habe, einer Safari mit meinen Mitfreiwilligen und ein paar Reisen in Tansanias größte Stadt Dar es Salaam waren die 4 Monate zu einem großen Teil durch Arbeit geprägt. Das soll nicht heißen, dass ich hier zu viel arbeite. Ganz im Gegenteil: Ich habe einen für mich angenehmen Mix zwischen Arbeit und Freizeit gefunden, bei der man in meinem kleinen Dörfchen wirklich viel in Kontakt mit Tansaniern kommen kann. Von montags bis mittwochs unterrichte ich an der weiterführenden Schule in Kilolo Mathematik. Jeden Donnerstag bin ich an einer Primary School in Kilolo und gebe dort Englischunterricht. Der Unterrichtsstoff stellt eher keine Probleme da, da ich (auf das deutsche Schulsystem umgerechnet) eine vierte, eine achte und eine zehnte Klasse unterrichte.
In den vergangenen Monaten war das eigentliche Problem in den Schulstunden eher die Kommunikation. Die Schüler haben miserable Englischkenntnisse und ich kam hier mit einem Minimum an Kisuahelikenntnissen in Tanzania an. Mittlerweile, nachdem wir fast vier Monate wöchentlichen Sprachunterricht hatten und ich in meinem Umfeld fast durchgehend auf Kisuaheli angewiesen war, beherrsche ich die Sprache nun soweit, dass ich sogar schon Stunden auf Kisuaheli gehalten habe. Eine Sprache vor Ort zu lernen ist nochmal etwas komplett anderes, als in der Schule letztendlich doch nur für gute Noten zu lernen. Das tansanische Schulsystem hat unglaublich viele Makel und Fehler, die einem – wenn man mit ihnen konfrontiert wird – doch vor Augen führen, dass wir uns in Deutschland doch oftmals um Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen. Ein Schultag bedeutet für jeden Schüler 4×80 Minuten-Blöcke plus ein 40 Minuten-Block, wobei ihnen pro Tag 20 Minuten Pause gegönnt werden. Eine Klausurphase bedeutet für jeden Schüler von montags bis donnerstags je zwei Klausuren zu schreiben, am Freitag gibt es dann nur noch eine. Von seiten der Lehrer wird Durchfallen allerdings nur auf die Faulheit geschoben, ohne zu Hinterfragen, ob diese Leistungserwartungen nicht auch fleißige Schüler einknicken lassen können. Die Rückgabe der Examen läuft folgendermaßen ab: Zwei Lehrer stehen an der Klassentür – einer mit den Examen, ein anderer mit einem Bambusstock.
Die Schüler werden nach und nach durch die Tür gerufen – wer besteht geht einfach hindurch, wer durchfällt bekommt Schläge in die Handfläche, auf den Hintern oder in die Kniekehle. Die wirklich schlechten Schüler müssen in eine Liegestützeposition gehen und kriegen auf dem Boden ihre Strafe. Manchmal bin ich entsetzt über mich selbst, wie sehr ich nach diesen vier Monaten abgestumpft bin und ich es mittlerweile fast nur noch beiläufig wahrnehme, wenn Schüler mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden liegen.
Ca. eine Woche vor den Examen wird von jedem Schüler Geld eingesammelt – eine Art Teilnahmegebühr. Wer diese nicht bezahlen kann, wird für die letzte Woche des Unterrichts verwiesen und kann die Examen nicht mitschreiben. Ein Jahr umsonst gelernt, der womögliche Schulabschluss hat sich um ein Jahr verschoben, da es an Geld mangelt. Und als ich hörte, wieviel Geld es zum Beispiel Ezechiel, einem meiner cleversten Schüler, gefehlt hat, um an den Examen teilzunehmen, war ich kurz davor ihm das Schulgeld selber zu bezahlen. 20.000 Shillingis sind die Examensgebühren – umgerechnet ca. 10€. Für Familien mit mehreren Kindern ist es oftmals eine große Schwierigkeit für alle Kinder zu zahlen, weshalb manchmal einfach geguckt werden muss, welchem Kind man weiterhilft und welches ersteinmal sitzenbleiben muss.
10 Euro. Ein halber Kasten Bier, einmal ins Kino gehen, ein BigTastyBacon Menü mit Cola und extra Chicken McNuggets…oder ein Jahr Bildung für Jungen wie Ezechiel. Mit dem Geld was hier im alltäglichen Leben fehlt, schmeißen wir in Deutschland tagtäglich um uns. Ich will diesen Blog dieses eine Mal auch dafür nutzen, Werbung für eine Patenschaft zu machen. Ich selbst lebe in einem der beiden Kinderdörfer, die von Amani Kinderdorf e.V. aufgebaut wurden. Ich wurde nicht von meinem Verein beauftragt Werbung zu machen, sondern ich schreibe das hier, weil ich selbst der Überzeugung bin, dass – wenn sie jeden Tag 1€ in die Kinderdörfer schicken (30€/Monat) – das Geld definitiv an einer richtigen Stelle ankommt. Ich erinnere mich daran, wie unsere Stufe vor dem Abitur durch kurze Emails und Telefonate mehrere Hundert Euro an Sponsorengeldern zusammenbekommen haben, ich hoffe, dass sich auch für dieses Projekt Personen/Familien/Vereine/Chöre finden lassen, die eine Patenschaft übernehmen oder als Gruppe ein Kind „sponsoren“.
Falls Sie kein Intresse haben sollten, können Sie davon ausgehen, dass ich diesen Blog nur dieses eine Mal für diese Art von Werbung verwendet habe. Schließlich will ich hierdurch meine Familie, Freunde und andere Intressierte auf dem Laufenden halten, wie es hier unten so läuft und was ich zur Zeit so mache. Falls Sie allerdings Interesse bekommen haben, den Kindern hier zu helfen, dann können Sie sich gerne jederzeit per Email an mich oder an meine Eltern wenden.
Bei mir persönlich steht auch, wie in Werl, Weihnachten auf dem Plan. Hoffentlich habe ich bis dahin meine Amöben (Darmerkrankung) auskuriert und kann nach Weihnachten problemlos Silvester auf Zanzibar feiern. Danach steht auf der selben Insel ein vier tägiges Seminar an, von dem ich Ihnen im nächsten dann berichten werde.
Frohe Weihnachten, und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Benne