Fr 13 Apr 2012
Caracas, Havana, aber dann doch wieder nur Düsseldorf
von Rabea_Wortmann in Blogs
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Ich schaue auf die Uhr, sie zeigt kurz nach Mitternacht an, und es ist schon wieder hell draußen. Ich bin zurück in Deutschland, die Uhr meines Blackberrys habe ich noch nicht umgestellt. Hamm wirkt trist, wenn man aus dem Fenster schaut – besonders, wenn man gerade über drei Monate Südflorida hinter sich hat.
Als ich am Freitag am Airport von Miami war, hätte ich mich gerne noch Last-Minute anders entschieden. An meinem Gate waren gerade Flugzeuge Richtung Havana, Caracas, Kingston und Madrid startklar. Das hätte doch auch etwas, habe ich mir gedacht, während ich dann doch zur Maschine mit dem Ziel Düsseldorf schlich. Am Gate hing dann noch ein Plakat einer Organisation, die sich für Migration einsetzt, und die aus jedem Jahr der vergangenen 60 Jahre ein Bild zeigt, das die aktuellen Migrationsströme zeigen. Klar, es zeigt vor allem die vielen Latinos und Caribbeans an, etwa aus Kuba und Haiti. Noch immer strömen viele Menschen nach Südflorida, nicht zuletzt nach Katastrophen wie dem schweren Erdbeben in Haiti – immer in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Jeder Auswanderer hat, meiner Meinung nach, seine Berechtigung, ebenso wie seine eigene Geschichte. Auch ich gehöre dazu. Aus beruflicher Perspektive muss ich sagen, hat es für die Amerikaner keinen Unterschied gemacht, ob ich gut ausgebildet aus Deutschland komme oder ob ich illegaler Einwanderer bin, der aus Gründen von Armut, Obdachlosigkeit und Hoffnungslosigkeit sein Land verlassen hat: Nur wer sich der Konkurrenz und dem damit verbundenen ‚Preiskampf‘ auf dem Arbeitsmarkt stellt, findet in dem Ballungszentrum von Miami Arbeit. Nicht umsonst gibt es in den USA immer wieder die Bemühungen aus den vielen Illegalen endlich legale Bürger zu machen – nicht nur wegen der Kriminalität, die damit einhergeht, natürlich auch der durch die Illegalität bedingten entgehenden Steuereinnahmen wegen. Ich finde das gut, zumal es gleiche Chancen ermöglicht.
Für mich bedeutete dies jedoch, dass ich mich nicht unter Wert verkaufen lassen möchte, zu viel habe ich in meine Ausbildung investiert; so sehr schätze ich den Umstand, eine Perspektive fürs Leben haben zu wollen und nicht ausschließlich jeden Tag darum kämpfen zu müssen, meine Rechnungen bezahlen zu können. Südflorida war nicht der Fleck Erde, der mir diese Perspektive ermöglicht hat, wenngleich er anderen Auswanderern – und natürlich auch den Touristen mit Geld im Gepäck – wie ein Schlaraffenland vorkommt.
Da bin ich nun also zurück, glücklich bin ich gerade aber dennoch nicht. Ich fühle mich, als würde ich in ein tiefes Loch gefallen sein. Sicherlich ist auch der Jetlag, den ich noch nie so hart wie dieses Mal erlebe, daran schuld – aber nicht ausschließlich. Ich bin etwas träge gerade. Spätestens zum Wochenende will ich aber wieder voll angreifen. Wohin die Reise geht, wird man sehen. Sicherlich habe ich mir meine Gedanken und Vorstellungen gemacht, aber jetzt heißt es „Don’t talk the talk, walk the walk“.
Ich will mein Handeln meinem Umfeld gegenüber nicht mehr erklären müssen. Ob ich in die USA zurückgehe oder hier anfange mir etwas aufzubauen, bleibt meine Entscheidung. Daran ändern auch all die vermeintlichen Ratschläge der vergangenen Zeit, besonders der vergangenen Tage nichts. Gar nichts. Es ist mein Leben, ich – und ausschließlich ich – bin dafür verantwortlich.
Dennoch möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Danke zu sagen. All jenen nämlich, die mich begleitet und unterstützt haben. Es waren nicht nur Teile meines Umfeldes, die hinter mit standen – eine sehr schöne Erfahrung, so muss ich es ehrlich formulieren. ‚Fremde‘ Menschen haben mich unterstützt, dafür mein aufrichtiges Danke. Ich muss aber auch sagen, dass ich viel über mich selbst, aber auch mein Umfeld gelernt habe. Es gab Menschen, die ich als Freunde angesehen habe, die aber nichts getan haben, als sich nicht zu melden und mir dann später zu sagen, ich hätte alles falsch gemacht. Menschen also, die in drei Monaten nichts mitbekommen haben von meinem Treiben, aber sich nun hingestellt haben, als hätten sie an meiner Stelle die Welt verändert. Sorry, aber solche Leute brauche ich nicht in meinem Umfeld. Ja, es schmerzt, aber warum sollte ich mir von diesen vermeintlichen Freunden weh tun lassen?! Ich wusste immer: Wenn ich auswandere, dann mit allen Konsequenzen.
Leider habe ich ebenso oft gehört, wie Leute aus meinem weiteren Umfeld nach der Rückkehr sagten „Ich habe es dir ja gesagt, dass das nix werden kann“, oder „War ja klar, dass du zurückkommst“. Diese Menschen dürfen sich gerne selbst auf die Schulter klopfen – mich dafür dann aber auch in Ruhe lassen. Einen Teil meiner Geschichte habe ich im Blog erzählt, aber eben auch nicht alles. Nur werde ich den Kritikern gegenüber mein Handeln nicht weiter erklären, ich lasse Taten sprechen. Ja, zu den Ratschlägen und den Tipps, die ich in den drei Monaten bekommen habe, gehört auch die Kritik zu. Sofern sie konstruktiv war. Auch dafür bin ich natürlich dankbar. Wer aber schlichtweg einen auf Besserwisser und Rechthaber macht, soll mich in Ruhe lassen. Ohne wenn und aber. Die Kritik höre ich mir gerne an, aber Leute: Vergesst nicht, jeder Mensch und jede Situation ist anders. Wer meint auf der Grundlage seines eigenen Lebens mich auf teilweise beschämende Art und Weise eines Besseren belehren zu wollen, hat verloren. Kritik und Ratschläge sind gut, aber nicht, wenn man mich nur beleidigt. Auswandern scheint einfach zu sein – wenn man aus tausenden Kilometern Entfernung in seinem sicheren Leben sitzt und über Auswanderer urteilt. Es erinnert mich immer an die Szene, als Jan Ulrich vor etlichen Jahren nach hunderten Kilometern hartem Radrennen durch die Berge Frankreichs im Kampf um die Tour-de-France dem letzten Antritt des späteren Siegers Lance Armstrong nicht standhalten konnte: Jan Ulrich wurde als Verlierer dargestellt, weil er diesem, vermeintlich simplen Antritt von Lance Armstrong die Alpen hoch keine Paroli bieten konnte. Klar, es ist auch einfach zu urteilen, wenn man es selbst nie probiert hat.
Würde es, wie im Sport, Dopingmittel für Auswanderer geben, wer weiß, ob ich diese nun nutzen würde, um wie einst Jan Ulrich doch noch die Spitze des Bergs erklimmen zu können. Ich weiß nur: derzeit verweile ich in Deutschland und muss mich nun entscheiden, wie ich weiter mache. Natürlich weiß ich selbst was ich wirklich will. Ich muss nun ‚nur‘ noch sehen, wie ich das erreichen kann. Darüber mache ich mir aber nicht erst seit gestern Gedanken, ich brauche aber nach der Ankunft in Deutschland ein paar Tage um mich quasi zu sammeln. Natürlich nehme ich Ratschläge gleichermaßen wie Kritik auch weiterhin an. Nur: Sprüche, wie ich hätte ja nur Urlaub in den drei Monaten Florida gemacht, will ich nicht mehr hören. Der einzige Mensch, dem ich mein Handeln gegenüber rechtfertigen muss, bin ich schließlich selbst. Entsprechend werde ich gerne meine weiteren Lebenspläne teilen, jedoch nicht rechtfertigen.
Für mich steht aber fest: Egal was passiert, ich bleibe immer Amerikaner. Ein stolzer Amerikaner. Wie ich schon mal beschrieben habe, kann ich mich sehr gut mit den Idealen, Einstellungen und Werten des Amerikas, das ich kennen gelernt habe, sehr gut identifizieren. In den USA gilt man nun mal auch nicht erst mit einem Reisepass als Amerikaner, sondern dann, wenn man sich zur Gesellschaft zugehörig fühlt. Das wird mir auch niemand jemals nehmen – egal wo ich mich gerade aufhalte. Das amerikanische System, so wie es in Südflorida vorzufinden ist, hat mir nicht die Perspektive gegeben, die ich für mein Leben haben wollte. Wenig hilfreich war es dabei in einer Touristenhochburg zu leben, die einem von den amerikanischen Idealen und Werten, an die ich glaube, nichts bieten kann. Dort zählen amerikanische Werte nichts, dort zählt nur die Anzahl an Einkaufstüten von Victoria’s Secret, Ed Hardy und Co.
Die vielen Begegnungen und Momente, die sehr schön waren, werde ich immer mit mir und in mir tragen. Etwa als mir in einem der Ghetto-Viertel Miamis ein Bus-Ticket geschenkt wurde, nachdem ich nach dem Weg gefragt habe. Oder als ich mein schweres Gepäck am späten Abend von A nach B geschleppt habe, dabei in der Hitze Floridas geschwitzt hab wie ein Ferkel am Grillspieß und mir ein netter junger Mann am Straßenrand seine Flasche Gatorade mit der Begründung, ich sehe so aus, als würde ich sie gerade gut gebrauchen können, angeboten hat. Ich könnte tausende dieser kleinen Geschichten erzählen. Im Blog habe ich das viel zu selten, schließlich hat die schwierige Arbeitssuche allzu oft die Energien geraubt, um diesen kleinen Momente des Lebens wirklich genießen zu können. In meinem Herzen habe ich das aber stets getan. Ehrlich.
Meine Reise ist aber noch nicht am Ende. Zunächst muss ich aber für mich selbst klare Entscheidungen treffen, wie ich weiter machen will. In den kommenden Tagen werde ich die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Bis dahin hoffe ich, werden der Jetlag und die Müdigkeit nachlassen und ich kann mit neuer Energie durchstarten – etwa so, wie Lance Armstrong damals in den Alpen bei der Tour-de-France. Auch er hat die Spitzen der Berge niemals ‚einfach so‘ erklommen, er musste ja auch eine Menge dafür tun. Das werde ich jetzt auch. Ohne wenn und aber.
Und noch eines: Viele Menschen haben es gesagt, zumindest aber gedacht: Auswandern sei mein Traum. Nein, Leute, mein Traum war es Wrestlerin zu werden, mein Traum war es, mal eine große Wrestling-Shown live zu sehen, und mein Traum war es, den Miami Marathon zu laufen. Einige dieser Träume habe ich mir erfüllt. In den USA zu leben war nie mein Traum, es war seither Teil meines Lebens, Teil meiner Realität. Was daraus wurde, ist eine andere Geschichte, eine Geschichte, die ich zum Teil an dieser Stelle erzählt habe. Aber mein Leben lebe ich weiter – egal wo. Es geht nicht um Träume, es geht um Realitäten, die man lebt. Das habe ich mit den USA getan, und wer weiß, ob ich es wieder tun werde. Wir werden es sehen – mehr kann – und will ich – derzeit nicht sagen.
Danke an die Unterstützer der vergangenen Wochen und Monate, ich weiß das zu schätzen! Danke euch allen! Von Herzen!
Liebe Grüße,
Eure Flo-Rhyneranerin 🙂