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Schlechtes Wetter? Gibt's nicht! Auf der B54 war der Regen schnell vergessen - bis er die Kleidung ganz durchdrungen hatte. - Foto: Nougrigat

Wolkenloser, blauer Himmel. Die Vögel singen, wärmende Sonnenstrahlen auf der Haut – ja, der Sommer kann so schön sein.

Nur: Er war’s am Sonntag leider nicht. Das war schade, aber nicht zu ändern. Das „Autofreie Volmetal“ war dennoch eine tolle Veranstaltung. Eine, auf die ich vier Wochen lang hingearbeitet hatte. Und wer diesen Blog verfolgt hat, war nicht wirklich überrascht, dass es ausgerechnet am 24. Juni regnete.

Auf die Fahrt über die B54 wollten wir trotzdem nicht verzichten – wer weiß schon, wann sich diese Gelegenheit wieder bietet? Also ging’s die Talstraße hinunter bis zum Veranstaltungsort: Startbereich Aral-Tankstelle. Wer’s bis dahin unversehrt geschafft hatte, konnte sich glücklich schätzen. Denn zu den wenigen Kritikpunkten, die diese Premierenveranstaltung lieferte, zählte die Möglichkeit der Hinfahrt. Wer es mit dem autofreien Sonntag ganz genau nahm, kam natürlich nicht per Auto, sondern mit dem Rad zur abgesperrten Bundesstraße. Nicht wenige Lüdenscheider nutzten denn auch die Talstraße als günstigste und schnellste Verbindungsstrecke. Allerdings versäumten es die Organisatoren leider, die Autofahrer auf die ungewohnt vielen Radfahrern hinzuweisen. Man beließ es bei Tempo 70, das der Großteil der motorisierten Verkehrsteilnehmer äußerst großzügig interpretierte. Also wurde – wie gehabt – gerast. Positiv bleibt hingegen das Parkverbot auf den letzten Metern vor der B54 festzuhalten, das die Fahrradfahrt auf dem breiten Standstreifen ermöglichte. Das ging zuvor lange Zeit auch, bis sich eine parkende Blechlawine (bis kurz vor dem Verbot) auftat. Nun gut: Irgendwo müssen die teils von weither (!) angereisten Volmetalbesucher ja hin.

Das war’s aber auch schon mit der Kritik: Was anschließend auf der Bundesstraße geboten wurde, verdient das Prädikat „wiederholenswert“. Die Vereine, die Musikgruppen, die vielen Institutionen, die sich präsentierten – alle haben dem Regen getrotzt. Auch ich war am Ende klatschnass, aber glücklich. Obwohl ich OHNE Pedelec, sondern mit einem ganz normalen Bike unterwegs war. Eines steht fest: Beim nächsten Mal bin ich wieder dabei. Und bis dahin ist bestimmt das komplette Volmetal mit Regionale-Mitteln überdacht worden…

Verzicht kann wehtun. So viel steht seit Donnerstagabend fest. Es war jener Abend, an dem ich mein Vorhaben, einmal ohne Elektromotor nach Hause zu fahren, in die Tat umgesetzt habe. Was soll ich sagen – es gibt bessere Ideen.

Während des vierwöchigen Pendeltests galt es auch, logistische Herausforderungen zu meistern. - Foto: Machelett

Eine vierwöchige Fahrt mit Elektroantrieb ist wie ein hochauflösender Fernseher: Jahrelang sehnt man sich nach dem gestochen scharfen Bild – doch sitzt man eine Woche davor, weiß man den technischen Fortschritt bereits kaum noch zu schätzen. Mit dem Pedelec ist’s genauso. Ohne größere Überlegung ging es wochenlang aufs Rad, ein paar Tritte in die Pedalen und man rollte vor sich hin. Hoch zur Halveraner Karlshöhe? Kein Problem. Die Talstraße in Lüdenscheid? Ein Klacks. Doch rückblickend ist die Leistung, die der Motor meines Test-Bikes zuverlässig brachte, phänomenal. Aber um das zu erkennen, war die Fahrt ohne Strom nötig. Pendeln „unplugged“ sozusagen.
Um die besondere Schwierigkeit dieses Tests deutlich zu machen, genügt ein Wert: 26 Kilogramm. Die bringt das Pedelec mitsamt Akku auf die ächzende Waage, etwa elf Kilogramm mehr als ein normales Rad. Elf Kilo mehr, die zwar bergab schnell Fahrt aufnehmen, bergauf jedoch erst einmal in Schwung gebracht werden wollen. Und das – so viel Jammerei muss erlaubt sein – schmerzt. Denn plötzlich wird die Karlshöhe mein persönliches L´Alp d´Huez, offenbart die Talstraße bereits zwischen Volme und Pöppelsheimer Mühle Steigungen, die ich zuvor noch nicht einmal erahnt habe. Schlagartig erfahren Oberschenkelmuskeln bei der stromlosen Pedelecfahrt, was es mit dem Begriff „Übersäuerung“ auf sich hat, der so häufig bei Leichtathletikübertragungen fällt. Aber die Erfahrung macht demütig: Da war doch dieser Rennradfahrer, dem ich mit Elektroantrieb bergauf bei circa 20 Stundenkilometern folgen konnte. An gleicher Stelle bringe ich es jetzt auf gerade einmal zwölf Kilometern pro Stunde. Ich schäme mich.
Denn es gab diese Tage, an denen ich das Pendeln mit dem Pedelec tatsächlich unterschätzt habe. „So eine Fahrt mit Motor ist schön, aber sportlich viel wertvoller ist doch das Pendeln ohne Hilfe.“ Sportlich wertvoller vielleicht – aber in unseren Höhen schlichtweg nicht ohne anschließende Dusche machbar. Obwohl es offenbar auch im „Unplugged“-Bereich Vorreiter gibt, die Respekt verdienen: So schrieb Blog-Leser Michael, dass er seit sechs Jahren von Halver nach Lüdenscheid und zurück pendelt. 5000 Kilometer pro Jahr. Ohne Motor. Da zieht der Pedelec-Pendler seinen Radhelm.
Nun sind also vier Wochen Selbstversuch vorbei und ich kann sagen: Geschadet hat’s nicht. Nach Abzug meiner freien und der Feiertage habe ich etwa 300 Kilometer zurückgelegt und dabei 21,6 Liter Diesel eingespart. Laut Online-Rechner habe ich der Umwelt so 56,16 Kilogramm CO2 erspart. Allerdings muss dieser Wert mit Vorsicht betrachtet werden: Pedelec-Kritiker betonen, dass die Akkus vornehmlich in Fernost äußerst klimaschädlich hergestellt würden – zumal die dafür notwendige Energie dort meist von Kohlekraftwerken erzeugt wird. Belastbare Zahlen zu dem Thema sind jedoch Mangelware. Infos dazu gibt es jedoch im Internet (siehe Linkliste im Blog).
Bei aller Kritik: Es bleibt das gute Gefühl, etwas für sich und die Umwelt getan zu haben. Logistische Herausforderungen – wie die zum Wochenstart im Auto vergessene Puppe der Tochter – wurden ebenso gemeistert wie die Wetterkapriolen: Der Juni hätte sich sonniger präsentieren dürfen. Mein Fazit: Pedelecfahren macht Spaß, ist eine echte Erleichterung für denjenigen, der im Sauerland ohne Schweiß radeln will (und das nötige Kleingeld übrig hat). Doch das Auto ersetzt so ein Elektrorad nicht: Bei Schnee und Eis durch Oberbrügge zu fahren, macht wohl selbst auf einer sanierten Heerstraße keinen Spaß. In diesem Sinne: bis zum autofreien Sonntag auf der B54!

(Dieser Text ist am 23. Juni 2012 auch im Allgemeinen Anzeiger und in den Lüdenscheider Nachrichten erschienen)

…wo sind sie geblieben? Ganz einfach: auf dem Seitenstreifen der Talstraße. Der geht derzeit als Fähnchenfriedhof durch: Alle paar Meter liegt eines dieser davongeflatterten Schwarzrotgold-Accessoires herum. Dem Radfahrer ist das egal. Er kann ja ausweichen. Und das Beste: Seine Fahne kann nicht wegflattern. Nicht, weil er sie im Atem trägt – was manchem Radler ja nachgesagt wird -, sondern weil sie am Gepäckträger sicher befestigt ist. Dem Pedelec-Pendel-Partner „Country Bikes“ sei Dank.

Kein Fußball-Fan ohne seine Fahne. - Foto: kes

Dessen Inhaber wollte meinen Hinweis auf das Fahnenproblem (siehe weiter unten) offenbar nicht auf sich sitzen lassen und handelte: Er stellte mir eine Deutschlandfahne zur Verfügung, die sich praktischerweise am Gepäckträger festschrauben lässt.  Nach dem Sieg unserer Elf gegen Dänemark fahre ich nun umso lieber mit diesem schmückenden Beiwerk durch die Gegend. Dennoch fühle ich mich mit diesem Ding als Exot. Oder: Wie ernst nehmen Sie einen Radfahrer, der eine kleine Fahne spazieren fährt? Offenbar nicht allzu ernst. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Quote der „Nah-am-Rad“-Raser rasant in die Höhe geschossen ist.

Wahrscheinlich alles Griechen.

Drei Wochen Pedelec-Pendeln sind nun vorbei. Drei Wochen, die zumindest meteorologisch nicht gehalten haben, was man sich von ihnen im Juni verspricht. Aber alles Jammern hilft nichts. Auf in die letzten Tage!

Chic, aber teuer: Der „T-Shape“-Akku (Mitte) hält auch im bergigen Sauerland, was er verspricht. Sollte er jedoch durch einen neuen ersetzt werden, kostet das rund 700 Euro. - Foto: Weber

Der Rennradfahrer hatte ein fieses Grinsen im Gesicht. Ich hab’s genau gesehen. Von hinten war nur dieses leichte Rauschen zu hören. Klar, der Pedelec-Motor, dachte ich. Doch er war es nicht. Leider. Dafür überholte mich ein durchtrainierter Radfahrer: Profi-Kleidung, Profi-Helm, Profi-Waden. Und das Schlimmste: ohne elektrische Unterstützung. Es war einer dieser Tiefpunkte in den vergangen drei Wochen, die mir den Spaß am Radfahren aber nicht verdorben haben. Ganz im Gegenteil.

Spätestens an der nächsten Steigung wurde nämlich klar, dass mangelndes Training durch einen – zugegeben: nicht gerade billigen – Elektromotor ausgeglichen werden kann. Wenn ich den Rennradler auch nicht überholen konnte, so blieb der Abstand doch stabil. Dem „Mionic XP“-Nabenmotor sei Dank, der natürlich „gefüttert werden will. Von einem Akku, in meinem Fall, nicht irgendeinem Akku, sondern einem der Sorte „T-Shape“. Das gute Stück versinkt zu einem guten Teil im hohlen Rahmen, passt sich der Formgebung des Fahrrads an und ist natürlich abnehmbar – für den Fall, dass es am heimischen Fahrradstellplatz keine Auflademöglichkeit gibt.
Der Akku und die Kosten
Überhaupt: das Aufladen. Als Pendler lernt man schnell: lieber einmal mehr als einmal zu wenig. „Einen Memory-Effekt gibt es bei den modernen Akkus nicht mehr“, sagt Bernd Wenzel vom Fachgeschäft „Country Bikes“ in Halver. „Wenn’s geht, würde ich ihn also immer anschließen.“ Mindestens 500 komplette Ladezyklen soll die Batterie durchhalten, ehe sie an Kraft verliert. Nach etwa 800 Zyklen – so heißt es – müsse der Radfahrer über einen neuen Akku nachdenken. Doch das wird teuer: Der „T-Shape“-Akku, der in meinem Winora S3 zum Einsatz kommt, kostet schlanke 700 Euro. Kosten, die bei jeder Aufladung berücksichtigt werden müssen, wenn man sie tatsächlich mit denen einer Autofahrt vergleichen will. Geht man also davon aus, dass der Akku nach 800 Ladezyklen ausgetauscht werden muss, fallen pro Komplettladung nicht zehn Cent reiner Stromkosten an (wie vom Hersteller angegeben), sondern inklusive Neubeschaffungswert des Akkus insgesamt 97 Cent. Mit dieser Komplettladung kommt man in unserer hügeligen Landschaft mit höchster Elektro-Unterstützung etwa 50 Kilometer weit, so dass sich die Kosten pro 100 Kilometer auf 1,94 Euro belaufen. Zum Vergleich: Ein Benziner mit einem Durchschnittsverbrauch von sechs Litern schlägt alleine an der Zapfsäule bei einem (optimistischen) Spritpreis von 1,55 Euro pro Litern mit 9,30 Euro zu Buche. Sowohl bei der Berechnung der Rad- als auch der Autofahrpreise bleiben bei dieser Berechnung weitere Betriebskosten außen vor.
Zweimal nach Halver und zurück
Der Akku meines Rads kostet aber nicht nur mehr als andere – es gibt laut Fachhändler auch Modelle ab 350 Euro –, sondern er sieht dafür auch chic aus und hält zumindest für die Pendelstrecke, was er verspricht. In der höchsten Unterstützungsstufe schaffe ich es gerade so, zweimal zwischen Lüdenscheid und Halver zu pendeln – das sind rund 48 Kilometer. Laut Display bleiben mir damit nur noch wenige Kilometer bis zum „Exitus“. Zum Äußersten wollte ich es aber nie kommen lassen – daher gibt es nun auch keinen Erfahrungsbericht eines auf offener Strecke liegengebliebenen Pedelec-Fahrers. Wobei „liegenbleiben“ eh das falsche Wort wäre: „Ein gutes Pedelec fährt ohne Unterstützung wie ein normales Rad“, hatte Bernd Wenzel bei der Übergabe gesagt. Das werde ich noch testen. Auch wenn’s weh tut.

(Dieser Text erschien am 16. Juni 2012 auch in den Ausgaben des Allgemeinen Anzeigers und der Lüdenscheider Nachrichten)

Außenspiegel: schwarzrotgold.

Motorhaube: schwarzrotgold.

Fensterfähnchen: schwarzrotgold.

Irgendwie ist dieser Tage alles schwarzrotgold. Nur mein Pedelec nicht. Der Versuch, eines von diesen kleinen Klemm-Fähnchen am Gepäckträger zu montieren, ist kläglich gescheitert, das Fahren mit schwarzrotgoldener Brille zu gefährlich. Hilft also nur: googeln. Dann findet man das hier. Ist nicht schön, aber zweckmäßig. Und gibt dem Radler das Gefühl, dazuzugehören. Ohne Fahne ist man als Mensch derzeit doch nur die Hälfte wert.

Stellt sich bei der Fahrt morgen Früh nur die Frage: Was tun, wenn morgen ein resignierter Holländer mit dem Wohnwagen zwischen Lüdenscheid und Halver unterwegs ist?

 

Das Grauen hat viele Gesichter. Manchmal auch das einer Straße. So viel ist nach der zweiten Pendel-Woche mit dem Pedelec klar.
Nichts gegen Oberbrügge. Zum Wohnen mag’s ein schönes Pflaster sein. Zum Radfahren definitiv nicht. Dabei hatte ich mir die Route über Halvers Randbezirk nicht ohne Grund ausgesucht: Der erste Versuch, über Brügge und Ostendorf zu fahren war begleitet von Verfolgungs- und Überholängsten. Denn: Der Autofahrer ist so etwas wie der natürliche Feind jedes Zweirad-Enthusiasten. Wer auf offener Strecke jemals von einem Auto in weniger als einem Meter Abstand überholt wurde, weiß, warum. Und die lange Gerade zwischen Ostendorf und Heesfeld lädt Autofahrer offenbar dazu ein, die vorgeschriebenen maximal 80 Stundenkilometer, sagen wir, sehr frei zu interpretieren.

Radwege wie dieser an der B54 an der Ahele bilden die Ausnahme im Südkreis. - Foto: F. Zacharias

Tempo 100 ist in Oberbrügge und Ehringhausen schlichtweg unmöglich. Das macht diese Strecke so attraktiv. Allerdings offenbart auch sie (noch, siehe Text unten), warum der Märkische Kreis vorerst nicht als

Fahrradfahrer-Hochburg von sich reden machen wird. Die bisherige Marschroute war klar: Wer durch Täler und über Berge radeln will, soll das gerne tun. Aber bitte auf der Straße. Da ist ja genug Platz. Doch das stimmt so nicht (mehr). Die Fahrt am rechten Fahrbahnrand wird durch unzählige Risse im Asphalt unmöglich. Für Rennradfahrer ein Graus und selbst mein Leih-Pedelec – immerhin als Trekkingrad ausgelegt – verzeiht nicht alles.

Meine Bandscheiben erhalten prompte Rückmeldung jeder etwas höheren Bodenwelle. Wer sich etwas weiter links auf der Straße hält, kann sich der Freundschaft vieler Autofahrer gewiss sein. Für die ist Überholen in den engen Kurven zwischen Ehringhausen und Halver nur schwer möglich. Kurzum: Das Zweiradpendeln ist hierzulande mangels Radwegen ein Wagnis. So viel steht bereits nach zwei Wochen fest.
Dabei ist Radweg ja nicht gleich Radweg. Es gibt auch noch das „Radverkehrsnetz NRW“, eine Ansammlung mehr oder weniger sinnvoller Routen, die sogar durch unsere schöne Gegend führen. „Landschaftlich sehr reizvoll“,

sagt der Diplomat. „Die Hölle“, sagt der Berufspendler. Denn www.radroutenplaner.nrw.de ist aller Ehren wert, lotst mich aber zunächst durch die gesamte Lüdenscheider Innenstadt über den Oeneking bis nach Brügge/Winkhausen, dann die B 54 entlang bis zur Ahelle, ehe es den gewohnten Weg die Heerstraße hinauf geht. Neben der circa fünf Kilometer längeren Strecke dürfen sich Muskeln und Motor über ein regelmäßig Auf und Ab freuen. Zehn Minuten wäre ich länger unterwegs – und nass geschwitzt. Da hilft auch kein Pedelec.

Wer hier mit dem Rad unterwegs ist, ist also selber Schuld, kann sich auf das groß angekündigte „Radwegenetz“ nicht verlassen. Immerhin: Eine glühende Zigarette, die aus einem Auto geworfen wurde, hatte ich noch nicht im Gesicht. Genau das ist einer Kollegin passiert, die vor einiger Zeit ebenfalls auf das Fahrrad als Pendelhilfe gesetzt hat. Was nicht ist, kann ja noch werden – aber nicht, dass sich jetzt jemand provoziert fühlt, mir eine nette Fortsetzungsgeschichte zu liefern…

(Dieser Text erschien auch am 9. Juni im Allgemeinen Anzeiger)

Fehlender Durchblick - für brillentragende Radfahrer im nassen Sauerland Alltag.

Zugegeben: Die Wahl des Zeitraums für den Pedelec-Test kam mir ganz gelegen. Vier Wochen bis zum „Autofreien Volmetal“ am 24. Juni – das sollte passen. Zumindest ist das Regenrisiko weitaus geringer als, sagen wir, im März. Das Dumme mit dem Wetter ist nur: Es zickt gerne herum. So auch in den vergangenen Tagen, als vorallem die Heimfahrten diplomatisch ausgedrückt ein feucht-fröhliches Vergnügen waren. Undiplomatisch gesprochen: Es war ein Schitwetter.

Klar: Wer sich dieses Pedelec-Pendeln selbst aussucht, sollte nicht jammern. Aber ich war schon ein wenig enttäuscht über die fehlende Unterstützung von oben – bis ich heute morgen ganz ohne Niederschlag in Halver ankam. Sonne! Eine Brille, durch die man tatsächlich noch schauen kann!

Das Leben ist schön!

Das soll aber auch das letzte Mal gewesen sein, dass hier das Thema „Wetter“ angsprochen wird. Versprochen. Es sei denn, es wird zu heiß. Aber danach sieht’s derzeit nun wirklich nicht aus. In diesem Sinne:

Lasst rollen!

Sonnenschein, angenehm kühlender Fahrtwind, gut gelaunte Autofahrer – drei Tage lang hat sich mir die Frage nach dem Sinn dieses Selbstversuchs nicht gestellt. Bis gestern.
Nun gibt es natürlich kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Kleidung. Aus Erfahrung weiß ich jetzt allerdings: Es gibt auch die Kombination aus schlechtem Wetter UND falscher Kleidung. Das kann böse Folgen haben. Aber von vorne.

Am Neuen Herweg in Halver endet der Anstieg von der Volme über die Heerstraße und der Radfahr-Pendler weiß: Das Schlimmste ist geschafft. - Foto: Ruthmann

Die Ausgangslage
Täglich pendele ich rund zwölf Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsstätte – und zwar mit dem Auto. Denn: Die Kinder wollen in den Kindergarten gebracht werden, dann geht es nach Halver ins Büro. Auch dort ist Mobilität gefragt, schließlich ist nicht jeder Termin in angemessener (Arbeits-) Zeit fußläufig zu erreichen. Doch das schlechte Gewissen fährt mit: Mein Ford Galaxy genehmigt sich durchschnittlich 7,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer – nicht nur für Umwelt-, sondern auch für Preisbewusste zu viel. Allein die 0,86 Liter, die ich für die Hinfahrt verbrauche, schlagen an der Tankstelle mit derzeit etwa 1,26 Euro zu Buche. Die allgemeinen Betriebskosten inklusive Steuern und Versicherung nicht mit eingerechnet. Alternativen sind gefragt. Und da kommt das Pedelec gerade recht. In den kommenden Wochen will ich herausfinden, wie alltagstauglich solch ein Rad mit Elektromotor in unseren bergigen Höhen ist, ob es das Versprechen des „eingebauten Rückenwindes“ hält – und ob es tatsächlich das Sparwunder ist, für das es viele halten.
Die ersten Fahrten
Das Vorhaben startet mit einer Einschränkung: Zum Wochenstart und -ende setze ich nach wie vor auf das Auto. Denn daheim stehen am Wochenende Familienbesuche, Ausflüge, Einkäufe an – da stößt das Pedelec an seine Grenzen. Aber Ziel des Projekts ist es schließlich nicht, den Familienwagen gegen ein Zweirad einzutauschen. Wie macht sich das Pedelec als Pendel-Maschine?
Die ersten Fahrten sind – prima. Dazu trägt zu Beginn der Woche nicht zuletzt das sommerliche Wetter bei: Der Fahrtwind ist meine Klimaanlage, der leise summende Elektromotor mein Antrieb, der mich nicht übermäßig schwitzen lässt. So lassen sich auch steile Anstiege gut meistern – ohne Muskelkraft geht freilich nichts. Und so wird mir bei Ostendorf der Unterschied zum klassischen E-Bike schmerzhaft vor Augen geführt.
Und der Autofahrer muss sich auch in Sachen Vorbereitung umgewöhnen: Wechselkleidung sollte am Arbeitsplatz liegen und die Wahl der richtigen Route getroffen werden. Und so blieb es beim einmaligen Versuch, den Heimweg über die Route B 229-Lüdenscheid-Brügge anzutreten. Dort ist der Asphalt zwar vergleichsweise intakt, der Verkehr aber entsprechend schnell und rücksichtslos unterwegs. Daher fällt die Wahl auf die Route über Oberbrügge und Ehringhausen, die trotz bescheidenen Untergrunds weitaus schöner zu fahren ist.
Doch alle landschaftliche Schönheit verliert ihren Reiz, wenn dem Brillenträger dicke Regentropfen auf die Sehhilfe klatschen, er zwar mit Regenjacke, aber zugleich mit Jeans statt Regenhose unterwegs ist. 30 Minuten dauert die Fahrt von daheim bis nach Halver. 20 Minuten hat es gestern Morgen insgesamt geregnet. Was soll ich sagen? Ich habe jede einzelne davon auf zwei Rädern miterlebt. Es war kein Genuss, aber lehrreich: die Regenmontur ist bestellt.

 

(Dieser Text erschien am 2. Juni 2012 auch im Allgemeinen Anzeiger und in den Lüdenscheider Nachrichten)

Wellness ist in. Die Leute fahren meilenweit, um sich von Spezialisten einölen, massieren oder sonstwie verwöhnen zu lassen. Dabei ist die nächste Klopfmassage gar nicht weit: Einfach das Fahrrad schnappen und die Heerstraße zwischen Halver und B54 runterdüsen – das Gesäß wird herrlich stimuliert. Nur frischgebackene Mütter sollten damit ein paar Monate warten.

Nun ist es kein Geheimnis, dass sich unsere Straßen in einem, sagen wir ruhig: erbärmlichen Zustand befinden. Der Abstieg von einem touristisch erschlossenen 8000er ist vermutlich angenehmer als die Fahrt durch Halver-Ehringhausen. (Ortsunkundigen sei gesagt: Warten Sie mit einem Besuch lieber, bis die Straße Ende 2012, -13 oder -14 ausgebaut ist.) Wer sich aber schon als Autofahrer über die Buckelpisten aufregt, sollte sich den Spaß machen, auf nur zwei Rädern unterwegs zu sein.

Die Welt ist plötzlich eine andere.

Der Rennradfahrer, der einen auf der Volmestraße immer ärgert, weil er so weit links fährt, macht das nämlich aus einem guten Grund: Am rechten Randstreifen würde er aufgrund der vielen Fugenrisse und Flickarbeiten nach nur 20 Metern einen Bandscheibenvorfall erleiden. Wenn er nicht gleich in den Rabatten landet. Nun ist die Sturzgefahr mit einem Trekkingrad, sprich: mit breiteren Reifen, nicht ganz so groß. Doch fragt man sich unweigerlich alle 100 Meter: Warum gibt’s hier keinen Radweg?

Klar, ein paar davon gibt es: So führt die offizielle Route von der Ahelle bis Lüdenscheid über die Mintenbecke. Eine Tour, die ich mit gaaanz viel Zeit anpacken würde. Aber ich bin kein Radtourist, ich bin Berufspendler. Zeit ist kostbar und das heißt: Man muss die Schönheit von Volme- und Talstraße zu schätzen wissen. Wer den Wahrde-Abstieg zwischen Brügge und Ostendorf radeln will, bitte. Auch da gibt’s schöne Ecken. Aber später dazu mehr.

Bis dahin:

Lasst rollen, ihr Märker!

So. Die ersten beiden Fahrten sind absolviert. Und schon jetzt steht fest: Ein Fahrrad ist schon ’ne praktische Sache. Es qualmt nicht, es schluckt nicht, es kostet keine Kfz-Steuer – und selbst vermeintliche Nachteile verkehren sich beim genauen Hinsehen ins Gegenteil.

Fest steht (Überraschung): So ein Fahrrad ist langsamer als ein Auto. Viieeeel langsamer. Aber genau diesem Umstand ist es geschuldet, dass ich heute Morgen 15 Euro gespart habe. Denn mit meinem Ford wäre ich zweifellos in jene geschickt platzierte „Blitze“ gedonnert, die unsere Ordnungshüter in der Höhe des Weingeschäfts „Eichelhardt“ platziert haben. Beliebte Stelle, klar. Aber genauso häufig, wie das Ding da steht, bin ich auch schon eben dort geblitzt worden. Nichts Wildes, versteht sich: 15 Euro sind fällig, wenn man mit bis zu 10 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften zu schnell unterwegs ist. Aber jetzt, ja jetzt konnte ich denen die lange Nase zeigen!

Wirklich langsam fühlte sich die Fahrt zur Arbeit  trotzdem nicht an: Bis zu 45 km/h zeigte mein Fahrradcomputer an der Talstraße. Für den geübten Radfahrer bergab nichts Besonderes, und doch: Der Weg zu diesem Tempo ist mit Elektroantrieb weitaus leichter als ohne. Selbst in der Ebene lassen sich die von mir angestrebten 20 bis 25 km/h ohne übermäßige Beinarbeit halten. Dieser „eingebaute Rückenwind“ – er funktioniert wirklich. Sogar, wenn auch mit etwas mehr Eigenarbeit, auf der Heerstraße, die sich  schier endlos von der B54 bis zur Karlshöhe in Halver erstreckt.

Leicht abgekämpft – da ein Pedelec tatsächlich nicht von alleine fährt -, aber glücklich erreichte ich heute Morgen schließlich nach exakt 30 Minuten für die rund 12,5 Kilometer lange Strecke das Ziel. Die Heimfahrt am Dienstagabend war zwar vier Minuten kürzer, aber ganz unbedeutend ist die Topographie auch mit dem Pedelec nicht. Noch wichtiger als die Steigung ist allerdings die Beschaffenheit der Strecke – ein weites Feld, das hier morgen Thema sein soll. Bis dahin sage ich erstmal:

Lasst rollen!