Mo 3 Feb 2014
„Ohje, mein Rückflug ist morgen!“
von Simon Jäger in Blogs
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So gut wie Halbzeit! In acht Tagen werden es sechs Monate sein, die ich nun hier in Ghana bin. Geradezu beängstigend, dass mein Aufenthalt hier nur noch so kurz sein wird. Ich musste sogar schon meinen Ruckflugtermin festlegen, nachdem ich vorletztes Wochenende per Email daran erinnert wurde, dass mein Rückflug am folgenden Abend sein sollte. Ups, da habe ich wohl ordentlich gepennt. Als mein Flug nach Ghana gebucht wurde, konnte der Rückflug noch nicht so weit im Voraus reserviert werden, weshalb er auf ein Datum im Januar datiert war. Ich hätte dann ein paar Wochen vorher eine Umbuchung tätigen sollen. In letzter Sekunde konnte der Flug dann noch mit Hilfe meiner Entsendeorganisation umgebucht werden, was mir sehr peinlich war.
Das vorläufige Rückflugdatum wäre der 20. Januar gewesen. Das war der erste Tag meines weltwärts-Zwischenseminars. So wie die zwei Vorbereitungsseminare, die ich letztes Jahr in Essen hatte, gehört auch dieses Seminar im Ausreiseland zu den Rahmenbedingungen des Freiwilligendienstes. Stattgefunden hat das Seminar in Kumasi und neben mir haben noch elf weitere Freiwillige aus allen möglichen Ecken Ghanas sowie drei Leute, die extra aus Togo anreisten, daran teilgenommen. Um den Inhalt nur oberflächlich zu benennen: es wurde mittels verschiedener Methoden im großen Kreis sowie in Kleingruppen Vergangenes reflektiert, Raum für den Abbau von Frustration gegeben, Probleme erörtert und Lösungsstrategien erarbeitet. Weiterhin ging es um unsere Erfahrungen mit der ghanaischen Kultur und unsere Zielsetzung für den zweiten Teil des Dienstes.
Besonders war ein Ausflug mit der Seminargruppe nach Adanwomase nahe Kumasi, wo die traditionelle Webkunst namens Kente praktiziert wird. Das war schon spektakulär, wie fingerfertig und vor allem schnell die Weber ihre meistens sehr farbenfrohen Stoffe hergestellt haben. Zu diesem Ausflug gehörte auch ein Abstecher zu einer Kakaoplantage. Hier konnten wir uns mit einem Kakaobauern unterhalten und auch rohen Kakao probieren, was eine ziemlich saure bzw. bittere Angelegenheit war. Ich wusste eigentlich schon vorher, unter welchen Bedingungen Bauern ihren Kakao verkaufen und wie wenig Geld sie hierbei verdienen, doch jemanden persönlich kennenzulernen, der davon betroffen ist, fühlt sich noch einmal anders an. Ich selbst werde von nun an im Supermarkt wohl nicht mehr nach der 39-Cent-Tafel greifen….
Endlich hatte ich übrigens meinen ersten Urlaub. Ich schreibe „endlich“, weil ich gegen Ende Dezember nach viereinhalb Monaten doch schon ziemlich urlaubsreif war. Wie ich schon öfters erwähnte, bin ich davon überzeugt, dass das Arbeiten im tropischen Klima für mich als Europäer doch um Einiges anstrengender ist. Jedenfalls bin ich am 28. Dezember erst in die Hauptstadt Accra gereist, um mich mit meinem deutschen Freund Hannes im nahe gelegenen Kokrobite zu treffen. Dies ist ein kleiner am Strand gelegener Ort, der bei Touristen und einheimischen „Rastamen“ beliebt ist. An diesem wirklich schönen Palmenstrand haben wir zwei Tage verbracht, im Anschluss daran hat mir Hannes den Küstenort Winneba gezeigt. Hier lebt und arbeitet Hannes ebenfalls als weltwärts-Freiwilliger. Nachdem wir Silvester in Cape Coast verbrachten, haben wir uns an Neujahr in aller Frühe aus den Betten gequält, um uns Winnebas „Fancy Dress“ anzuschauen. Das ist eine Art Karneval, nur halt ganz anders als ich ihn kannte. Mehrere Gruppen mit schätzungsweise je 50 verkleideten Personen (zum Teil auf meterlangen Stelzen) tanzen nacheinander mehrere Choreographien zu Blasmusik. Am Ende wird die Gewinnertruppe gekürt. Ein buntes Spektakel, das es sich zu sehen gelohnt hat. Die restlichen Tage meines Urlaubs habe ich in Axim an der Westküste verbracht. Ich habe gehört, dass die Strände immer schöner werden, je westlicher man reist. Und so scheint es wirklich zu sein, denn der Strand in Axim war der schönste, an dem ich je war. So ein richtiger Postkartenstrand. Ich war zwar nur drei Tage dort, dennoch war diese Zeit des Nichtstuns, sich Sonnens und Schwimmens sehr erholsam.
Endlich habe ich den Schritt gewagt, den ich eigentlich schon vor Monaten zu tun geplant hatte. Ich bin diese Woche in eine Gastfamilie ins Zentrum Nkoranzas gezogen. Hier ist es nun wirklich lebendig. Im Haus wohnen rund 15 Personen. Die schon etwas ältere Gastmutter wohnt hier mit ihren erwachsenen Kindern, die ihrerseits schon Kinder haben. Das Haus ist U-förmig und umgibt den Innenhof, in dem eigentlich fast der ganze Familienalltag stattfindet. Hier wird gekocht, gewaschen, gespielt, gefaulenzt, u.v.m. Das Haus hat kein fließendes Wasser, sodass morgens und abends Wasser in großen Wannen – typisch ghanaisch auf dem Kopf getragen – vom Brunnen in der Nachbarschaft geholt wird. Die Dusche erledigt man mit einem Eimer voller Wasser und einem kleineren Gefäß. Ich habe mich innerhalb von ein paar Tagen daran gewöhnt – ebenso an das Plumpsklo. So wie ich es mit der Gastmutter besprochen habe, bleibe ich vorerst einen Monat. Im Moment denke ich auch, dass ich es dabei belassen werde. Mir gefällt es zwar ganz gut, aber ich hatte natürlich einige Freiheiten und vor allem auch viel mehr Privatsphäre, als ich in PCC gewohnt habe. Da ist es erst wieder ungewohnt, wenn man Zeitabsprachen treffen oder sich vom Essen abmelden muss. Außerdem werde ich hier ziemlich bedient, was mir nicht ganz angenehm ist. Aber vielleicht lässt sich das ja auch noch ändern, und die Möglichkeit zur Verlängerung besteht. Gut gefällt mir jedenfalls der Umgang mit den Gastgeschwistern. Langweilig wird es bei diesem quirligen Haufen keinesfalls werden.
Eine Sache liegt mir noch am Herzen. Mir ist bewusst, dass ich durch meinen Blog bei den Lesern ein Bild von Ghana entstehen lasse, welches nur auf meinen subjektiven Beschreibungen, Erfahrungen und Gefühlen beruht. Ich versuche stets, meine Eindrücke nicht zu verallgemeinern, trotzdem ist es unmöglich, einen Blog völlig wertfrei zu schreiben. Ich möchte einfach nur darauf hinweisen, dass alles, was ich hier schreibe, allein meiner persönlichen Wahrnehmung entspringt. Wer also mal nach Ghana reisen wird oder schon dort war, kommt oder kam mit einem ganz anderen Erfahrungsschatz zurück.
Das war erst einmal von mir. Ich hoffe, euch geht es ebenso gut wie mir – auch bei euren niedrigen Temperaturen. Ich traue mich ja fast gar nicht zu schreiben, dass es hier im Moment besonders warm ist. In den letzten Tagen herrschten hier Temperaturen von über 35°C, zum Glück bei niedriger Luftfeuchtigkeit. Naja, der nächste deutsche Frühling kommt bestimmt.
Alles Gute aus dem Süden sendet euch
Simon
