Sa 23 Jun 2012
Mit „Pendeln unplugged“ zum persönlichen L´Alp d´Huez
von Frank_Zacharias in Blogs
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Verzicht kann wehtun. So viel steht seit Donnerstagabend fest. Es war jener Abend, an dem ich mein Vorhaben, einmal ohne Elektromotor nach Hause zu fahren, in die Tat umgesetzt habe. Was soll ich sagen – es gibt bessere Ideen.

Während des vierwöchigen Pendeltests galt es auch, logistische Herausforderungen zu meistern. - Foto: Machelett
Eine vierwöchige Fahrt mit Elektroantrieb ist wie ein hochauflösender Fernseher: Jahrelang sehnt man sich nach dem gestochen scharfen Bild – doch sitzt man eine Woche davor, weiß man den technischen Fortschritt bereits kaum noch zu schätzen. Mit dem Pedelec ist’s genauso. Ohne größere Überlegung ging es wochenlang aufs Rad, ein paar Tritte in die Pedalen und man rollte vor sich hin. Hoch zur Halveraner Karlshöhe? Kein Problem. Die Talstraße in Lüdenscheid? Ein Klacks. Doch rückblickend ist die Leistung, die der Motor meines Test-Bikes zuverlässig brachte, phänomenal. Aber um das zu erkennen, war die Fahrt ohne Strom nötig. Pendeln „unplugged“ sozusagen.
Um die besondere Schwierigkeit dieses Tests deutlich zu machen, genügt ein Wert: 26 Kilogramm. Die bringt das Pedelec mitsamt Akku auf die ächzende Waage, etwa elf Kilogramm mehr als ein normales Rad. Elf Kilo mehr, die zwar bergab schnell Fahrt aufnehmen, bergauf jedoch erst einmal in Schwung gebracht werden wollen. Und das – so viel Jammerei muss erlaubt sein – schmerzt. Denn plötzlich wird die Karlshöhe mein persönliches L´Alp d´Huez, offenbart die Talstraße bereits zwischen Volme und Pöppelsheimer Mühle Steigungen, die ich zuvor noch nicht einmal erahnt habe. Schlagartig erfahren Oberschenkelmuskeln bei der stromlosen Pedelecfahrt, was es mit dem Begriff „Übersäuerung“ auf sich hat, der so häufig bei Leichtathletikübertragungen fällt. Aber die Erfahrung macht demütig: Da war doch dieser Rennradfahrer, dem ich mit Elektroantrieb bergauf bei circa 20 Stundenkilometern folgen konnte. An gleicher Stelle bringe ich es jetzt auf gerade einmal zwölf Kilometern pro Stunde. Ich schäme mich.
Denn es gab diese Tage, an denen ich das Pendeln mit dem Pedelec tatsächlich unterschätzt habe. „So eine Fahrt mit Motor ist schön, aber sportlich viel wertvoller ist doch das Pendeln ohne Hilfe.“ Sportlich wertvoller vielleicht – aber in unseren Höhen schlichtweg nicht ohne anschließende Dusche machbar. Obwohl es offenbar auch im „Unplugged“-Bereich Vorreiter gibt, die Respekt verdienen: So schrieb Blog-Leser Michael, dass er seit sechs Jahren von Halver nach Lüdenscheid und zurück pendelt. 5000 Kilometer pro Jahr. Ohne Motor. Da zieht der Pedelec-Pendler seinen Radhelm.
Nun sind also vier Wochen Selbstversuch vorbei und ich kann sagen: Geschadet hat’s nicht. Nach Abzug meiner freien und der Feiertage habe ich etwa 300 Kilometer zurückgelegt und dabei 21,6 Liter Diesel eingespart. Laut Online-Rechner habe ich der Umwelt so 56,16 Kilogramm CO2 erspart. Allerdings muss dieser Wert mit Vorsicht betrachtet werden: Pedelec-Kritiker betonen, dass die Akkus vornehmlich in Fernost äußerst klimaschädlich hergestellt würden – zumal die dafür notwendige Energie dort meist von Kohlekraftwerken erzeugt wird. Belastbare Zahlen zu dem Thema sind jedoch Mangelware. Infos dazu gibt es jedoch im Internet (siehe Linkliste im Blog).
Bei aller Kritik: Es bleibt das gute Gefühl, etwas für sich und die Umwelt getan zu haben. Logistische Herausforderungen – wie die zum Wochenstart im Auto vergessene Puppe der Tochter – wurden ebenso gemeistert wie die Wetterkapriolen: Der Juni hätte sich sonniger präsentieren dürfen. Mein Fazit: Pedelecfahren macht Spaß, ist eine echte Erleichterung für denjenigen, der im Sauerland ohne Schweiß radeln will (und das nötige Kleingeld übrig hat). Doch das Auto ersetzt so ein Elektrorad nicht: Bei Schnee und Eis durch Oberbrügge zu fahren, macht wohl selbst auf einer sanierten Heerstraße keinen Spaß. In diesem Sinne: bis zum autofreien Sonntag auf der B54!
(Dieser Text ist am 23. Juni 2012 auch im Allgemeinen Anzeiger und in den Lüdenscheider Nachrichten erschienen)

ich hab vor zweijahren in kroatien
ein radvideo gefilmt.
http://www.youtube.com/watch?v=wxyMf-j6dMY&list=UUVoH2G1cN0-9xvpozQWdC8Q&index=9&feature=plcp