Eigentlich habe ich meine bislang entspannteste Woche hier in Toronto – terminlich gesehen. Dennoch ist es nicht wirklich entspannt für mich, weil es zum ersten Mal nicht wie gedacht oder erhofft läuft. Ich bin noch immer ungewiss, was mein Praktikum angeht und habe gleichzeitig begonnen, über Optionen nachzudenken.

Nachdem ich mich letzten Freitag tatsächlich endlich mit dem Sohn des Herausgebers habe treffen können, hatte ich es wie folgt verstanden: er gibt mir bis Montag eine Liste mit „Events“, die in Toronto laufen und ich kann schauen, was mich interessiert und darüber schreiben. Das war mein Stand am Freitag. Zwar ohne konkrete Aussage, dass ich am Montag um die und die Uhrzeit im Büro oder wo auch immer sein soll, aber immerhin mit dem Gefühl, dass es Montag starten würde. Ich fand es zwar schon ungewöhnlich, nicht ins Büro bzw. in die Redaktion zu kommen und nicht vorgeste zu werden, aber ich bin ja hier um zu sehen, dass manches auch anders laufen kann. Und das gesamte „Team“ besteht wohl nur aus vier oder fünf Personen und die meisten von ihnen wären auch gar nicht im Büro, wie mir Rowland (der Sohn des Herausgebers) erklärte. Jetzt weiß ich ja selbst von meiner Zeit beim WA, dass viele Artikel Zuhause am eigenen Schreibtisch entstehen und dann gemailt werden. Aber ich weiß auch, dass das noch keine Zeitung macht! Es braucht Personen, die diese Artikel layouten, sie passend auf die Zeilen bringen und darauf achten, dass keine Hurenkinder, Witwen oder Schusterjungen entstehen (diese lustigen Begriffe werden benutzt, wenn ein Artikel nicht „gut ausschaut“, wenn zum Beispiel nur ein Wort in einer Zeile steht oder nur eine Zeile in einer neuen Spalte und dann schon ein Absatz folgt). Da muss es doch zumindest einmal in der Woche, bevor die Zeitung in Druck geht, Mitarbeiter im Büro geben?

Wie auch immer. Es hieß, es sei halt keiner im Büro und es wäre auch nicht nötig, wenn ich dort hinkommen würde. Ich sollte lieber meine Zeit in Toronto genießen. Das sind dann so Momente, wo ich gerne in die deutsche Sprache wechseln würde!!! Um die richtigen, um die passenden Worte zu finden!! Ich will weder unhöflich sein, noch mich aufdrängen, aber würde doch gerne rüberbringen, dass ich genau aus diesem Grund ein Praktikum machen wollte: Um im Büro zu sitzen oder in der Redaktion oder um zu Terminen zu begleiten. Es sind eben diese kleinen Sachen, die so spannend sind für mich. Ich würde halt gerne einen Einblick in die kanadische Arbeitswelt bekommen (auch wenn dieser Einblick noch so klein ist).

Nachdem ich nun bis Dienstag mal wieder nichts gehört hatte, habe ich noch mal nachgefragt und ich habe inzwischen den Eindruck, dass Rowland mir „Events“ raussucht, damit ich Toronto kennenlernen kann – sprich ich komme günstiger oder kostenlos in Museen oder zu Veranstaltungen, aber eben als Privatperson. Ich glaube es werden keine Termine sein, die ich für die Zeitung wahrnehmen soll und ich glaube inzwischen, dass er auch nicht wirklich Artikel von mir braucht oder auch nicht möchte? Ich habe mir die Zeitung im Vorfeld ehrlich gesagt auch anders vorgestellt gehabt – vor allem inhaltlich. Ich wusste, dass es „nur“ eine wöchentliche Zeitung ist und sie daher nicht tagesaktuell berichten wird, aber ich war von Themen doch schon enttäuscht und musste gegen meinen ersten Impuls ankämpfen, nicht sofort die Rechtschreibfehler zu korrigieren! So scheint es also auf beiden Seiten von Anfang an unterschiedliche Vorstellungen gegeben zu haben.

Anfang der Woche hatte ich bereits für mich entschieden, diese Woche nun auf mich zukommen zu lassen, um die Situation besser einordnen zu können und dann zu entscheiden, was nun weiter geschehen soll und so mache ich es jetzt auch. Es gibt mehrere Möglichkeiten und ich habe einige Ideen. Aber ich muss nun herausfinden, was ich will und manche Dinge lassen sich eben auch nicht von heute auf morgen organisieren. Daher dominiert in dieser Woche das Gefühl, dass mir die Tage wie Wasser durch die Finger rinnen und dass mir meine restliche Zeit in Toronto zum ersten Mal zu kurz erscheint.

Und nun noch eine Anmerkung zu meinem Geburtstag am Dienstag (und ja, ich habe mein Profil hier angepasst 😉 ), da ich weiß, dass viele interessiert, wie ich meinen Tag verlebt habe. Und nun vielleicht die Enttäuschung: Ich habe nichts Spektakuläres gemacht. Ich weiß, dass wird jetzt überraschen und ich habe es mir ursprünglich auch selbst anders vorgestellt, aber es hatte sich einfach nicht ergeben. Aber ich war auch ehrlich gesagt nicht unzufrieden damit. Ich glaube, das Besondere ist einfach, dass ich hier in Toronto bin. Das ist mein Geschenk gewesen! Und ich habe unheimlich viele (und zum Teil ganz tolle, individuelle) Geburtstagsgrüße bekommen – von meiner Familie, von Freunden, Bekannten und Kollegen. In den vergangen Jahren hat es sich auf mehrere Kanäle verteilt: Die Kollegen gratulieren im Büro, Freunde und Familie kommen zur Feier, ganz viele rufen an, schreiben eine SMS oder eine Mail. In diesem Jahr sind 99% der Grüße über einen Kanal gekommen: per Mail! Beim Anblick meines Postfachs habe ich dann auch schlucken müssen! Total schön zu wissen und eben in diesem Moment, in dieser Entfernung, auch zu SEHEN, dass ich den Menschen, die mir wichtig sind, auch wichtig bin!!

Das Wetter war am Dienstag leider schrecklich: 34 Grad und mit so einer hohen Luftfeuchtigkeit, dass ich einfach keine andere Möglichkeit hatte, als bis Mittags hier im kühlen Haus (Klimaanlage sei dank!) zu bleiben. Nachmittags habe ich mich dann mit „den Brasilianern“ von meiner Sprachschule getroffen (okay, den Schweizer und die zwei Italienerinnen will ich auch nicht unterschlagen). Es war aber ziemlich unruhig, da die meisten bereits mit den letzten Erledigungen beschäftigt waren (shoppen und Sightseeing) oder anderen organisatorischen Dingen, da es für viele am Wochenende zurück nach Brasilien geht. Heute treffen wir uns zur „Abschiedsparty“.

Danach habe ich noch etwas alleine die Stadt genossen und mich abends mit der Praktikantin vom deutschen Konsulat „auf ein asiatisches Bier getroffen“. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. An diesem Tag hier in Toronto völlig selbstverständlich auf einer Terrasse sitzen zu können und eins von fünf möglichen asiatischen Bieren zu probieren (übrigens mein erstes asiatisches) – war halt (irgendwie) schon wieder besonders.

 

 

 

 


Über die Autorin/den Autor:  Saskia Wolf (33) lässt sich beurlauben, um Kanada zu erleben. Sie möchte das Land nicht nur als Touristin für wenige Tage besuchen, sondern nimmt sich fast vier Monate Zeit, um das Land, die Menschen und ihren Alltag kennenzulernen - und mehr als nur einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Darum hat sie sich entschieden, privat bei einer Gastfamilie zu wohnen. Die überwiegende Zeit wird sie in Toronto leben, wo sie unter anderem ein Praktikum für eine deutsche Zeitung absolvieren wird. Zum Abschluss fliegt sie nach Vancouver. Über Eindrücke und Erlebnisse in Toronto wird sie im Blog berichten, denn schließlich ist der Aufenthalt dort immer noch ein kleines persönliches Abenteuer. Alle Beiträge der Autorin/des Autors: