Do 26 Jan 2012
Von wegen Buerokratie gibt es nur in Deutschland!
von Rabea_Wortmann in Blogs
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Ich drehe mich im Kreis. Wie ein kleines Kind, das unfreiwillig immer wieder im Karussell gedreht wird, fuehle ich mich gerade. Wie berichtet bin ich seit knapp drei Wochen nun in einer Firma angestellt, nur arbeiten kann ich trotzdem nicht. Warum? Dank der Buerokratie. Ich brauche erst einen Fuehrerschein und einen Florida-Ausweis, um arbeiten zu koennen. Dafuer brauche ich zuvor jedoch eine Wohnung, also eine feste Anschrift. Dafuer widerum braeuchte ich zunaechst jedoch den Nachweis eines Einkommens. Also brauche A und B zu bekommen, vorher jedoch B, um A zu bekommen. Also drehe ich mich im Kreis.
Ich habe bei so vielen Vermietern angerufen und mir Wohnungen – so gross wie eine Abstellkammer, aber so teuer wie ein ganzes Haus in Rhynern – angeschaut. Aber jedesmal wollen die Vermieter vorher die Dokumente, die ich theoretisch erst nachdem ich eine Wohnung habe, sehen. Zu allem uebel machen die hier meistens eine so genannten Hintergrund-Check, damit sie sehen, wer ich bin usw. Dumm nur, dass ich ja bisher nie hier gelebt habe, also keinen Hintergrund in den USA habe. Mit dieser Begruendung habe ich auch schon einige Absagen fuer Wohnungen bekommen. Also ohne Hintergrund in den USA klappt hier nichts. Na prima!
Also warte ich weiterhin, bis ich arbeiten kann, bzw. darf. So richtig, weiss ich das alles hier auch nicht einzuschaetzen, bin aber umso dankbarer dafuer, dass man mir hier vor Ort Tipps gibt. Fernab der Touristenzentren treffe ich auf nette Leute, die mir aus meiner Sitaution heraushelfen wollen. Etwa ein deutscher Hotel-Manager, der mir viele wertvolle Tipps gibt.
Also versuche ich es erneut bei der Firma, fuer die ich ja theoretisch schon arbeite. Geld verdiene ich aber immernoch nicht und auch auf absehbare Zeit wohl nicht. Man meckert oft auf die deutsche Buerokratie, aber das hier – und vor allem, weil man mir von offizieller Seite aus sagte, dass es nicht legal sei, was hier gerade passiere – ist schon merkwuerdig.
Ich telefoniere ab und an mit meiner Firma. Derzeit warte ich noch. Umorienierten? Ja klar, aber nicht ohne Probleme. Die liegen im Arbeitsvertrag, von dem ich euch noch berichten werde. Habe aber schon erfahren, dass es hier in den USA keine Keundigungsfrist gibt. Na ja, das gibt Sicherheit. Versteht micht nicht falsch, ich gebe nicht so schnell auf. Aber wenn man gesagt bekommt, dass man nicht weiter auf diese Firma bauen sollte – allein aus rechtlichen Gruenden – gibt einem das zu denken!
Ich gebe nicht auf! Nicht jetzt, nicht morgen. Aber dennoch muss ich erst einmal durchatmen. Vieles ist diese Woche passiert. Und vieles steht noch an. Ganz nebenbei will ich am kommenden Sonntag meinen ersten Halbmarathon laufen, nachem ich 2009 meinen ersten Marathon gelaufen bin. Damals bin ich auch in Florida gestartet, in Fort Lauderdale, genauer gesagt. Toll war, dass ich in meiner Altersklasse Vierte wurde. Von fuenf, wohl gemerkt 😉 Miami kenne ich gut, fuer mich ist es ein Traum, hier mal zu laufen. Eigentlich mache ich das staendig, aber vor Publikum ist das bestimmt klasse.
So richtig traniert bin ich nicht, zu viel ist im vergangenen Jahre geschehen. Aber: seit drei Wochen bin ich hier, ich bin heiss auf den Lauf und ich habe Lust dazu. Also habe ich mich vom Marathon auf die halbe Distanz umgemeldet und werde meinen Spass haben. Richtig! Es geht mir nicht um die Zeit, sondern ich will meinen Spass haben. Ich hatte seit meiner Ankunft hier eine leichte Erkaeltung, also plane ich ganz bequeme drei Stunden (!) fuer die gut 21 Kilometer ein. Nicht, dass ich nicht schneller laufen koennte. Aber ohne spezielles Training und ohne Krankenversicherung gehe ich auf Nummer sicher! Ich will hier nur meinen Spass haben und tolle Erinnerungen mitnehmen! Drueckt mir also am kommenden Sonntag gegen 12 Uhr mittags deutscher Zeit die Daumen 🙂
So weit ich weiss, starten ueber 25.000 Laeufer beim Halb Marathon und Marathon, hoffe also, es wird ein schoenes Erlebnis. Ausserdem ist es immer noch ein Beweis fuer mich, dass man nicht immer, auf die Meinungen anderer hoeren sollte. Trotz, oder gerade wegen drei Knie-Operationen kann ich heute diese Distanzen laufen. Obwohl manch Arzt mir damals prognostiziert hatte, dass ich nie wieder richtig Sport machen koennte. Na ja, bis ich diesen Arzt getroffen habe, der die richtige Loesung parat hatte. Ihm habe ich, das weiss er auch, meinen Marathon damals gewidmet. Heute, eine weitere Operation weiter, lasse ich mich ueberraschen, wie weit ich komme. Man darf halt nur nicht aufhoeren, an sich zu glauben. Das gilt nicht nur in physischer Hinsicht! Jedoch habe ich den Klinik-Schwester vor gut 14 Monaten direkt nach der letzten Knie-Operation auch versprochen, dass ich gerade die ersten Schritte Richtung Miami Marathon 2012 mache. Ich halte Wort und sende meine Gruesse also ins Bergische Land!
Doch geht es mir nicht um den sportlichen Gedanken. Wichtiger ist fuer micht, zu beweisen, dass man schaffen kann, was man will. Wenn man nur will. So wie mit dem Auswandern. Man muss Geduld haben, manchmal auch vielleicht auf der Stelle rennen, aber irgendwann geht es weiter. Wenn dieses sportliche Prinzip stimmt, laufe ich Sonntag nicht nur 21 Kilometer durch Miami, sondern auch bald beruflich besser. Ich glaube an mich: Ich werde weiterkommen und mich weiterentwickeln. Im Sport genauso wie im wahren Leben.
Nachdem ich heute mit meiner Firma, aber auch zu anderen Firmen Kontakt hatte, gibt mir das Hoffnung. Jetzt muss ich aber erst noch einmal Laufen gehen, damit ich Sonntag den Lauf auch wirklich geniessen kann. Ich laufe abends gerne zum Yachthafen von Miami Beach herunter, dort sieht man zudem Miami Downtown und den Hafen mit den riesigen Frachtschiffen und den Karbik-Kreuzfahrtschiffen. Finde es wunderschoen dort, denke dort aber auch immer an meine Freunde in Hamm. Ja, ich vermisse sie. Sehr sogar. Umso mehr spuere ich aber auch ihre Unterstutzung fuer meinen beruflichen Weg und fuer den anstehenden Halb Marathon. Dafuer danke ich euch allen sehr, und ich danke auch allen, die in diesen Tagen an mich denken, und mich geistig unterstuetzen. Daher, allein daher, schoepfe ich die Kraft, am kommenden Sonntag den Halb Marathon zu laufen.
Und ihr wisst, als Stier (ich habe am ersten Mai Geburtstag) habe ich auch nach kommendem Sonntag noch Kraft und werde ganz schnell beruflich Fuss fassen in den USA. Dank euch allen in Hamm, denn ihr gebt mir Kraft. Wie sagt Oberbuergermeister Thomas Hunsteger-Petermann immer so schoen „Hamm ist schoen“. Yo! Und das ist auch gut so… Also vertrete ich Hamm am Sonntag gerne hier in Miami. Nur werde ich vermutlich genauso langsam sein, wie der OB, wenn er mit seinem Hund durch Heessen spazieren geht. Aber glaubt mir, ich werde genauso viel Spass haben beim Laufen wie unser Stadtoberhaupt beim Gassigehen mit seinem Hundchen 🙂 Der einzige Unterschied ist die Distanz: Wenn unser OB jemals mit seinem Hund die Halb Marathon Strecke am Stueck spazieren geht, werde ich mich freiwillig auf die Hauptstrasse in Miami stellen und Werbung fuer Hamm machen. Ist das ein Wort, Herr Hunsteger-Petermann???? 🙂
Ich werde gleich wieder zum Yachthafen laufen. Miami unter den Fuessen, Hamm und meine Freunde im Herzen!
Liebe Gruesse, eure Auswanderin
Rabea
