Sa 3 Sep 2011
Ein Funken Hoffnung für die Ärmsten der Armen
von Natalie_und_Linda in Blogs
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Heute ist bereits unser vierter Tag in Kazembe, wo wir nun unser zweites Projekt bei den Sisters of Mercy verfolgen. Im Konvent haben wir uns schon richtig gut eingelebt und fühlen uns sehr wohl. Vor allem die Umgebung des Hauses mit einem sehr großen Gelände um den Konvent, auf dem Hühner frei herumlaufen und Zitronenbäume und Palmen Schatten geben, genießen wir in der freien Zeit.
Gestern lernten wir zum ersten Mal die Frauen und Kinder kennen, die im Rahmen des „Nutrition Projects“ zum Haus der Schwestern kommen.
Schwester Regina betreut in diesem zusammen mit Schwester Delphin 11 Frauen und ihre Kinder, die aus den umliegenden Dörfern zwei Mal wöchentlich zu ihr kommen. Die meisten der Frauen sind zwischen 25 und 35 Jahren alt. Nachdem die Kinder uns neugierig beäugt hatten und Schwester Regina uns den Frauen vorgestellt hatte (wobei sie ihnen auch freudestrahlend von ihrem Besuch bei uns in Deutschland 2008 berichtet hat), baten wir jede Frau einzeln zu uns, um Namen und Alter der Kinder, sowie die familiäre Situation zu erfragen. Wie uns bereits in Kasama aufgefallen war, lebten auch diese Frauen entweder getrennt von ihrem Mann oder sie lebten gemeinsam in einem Haus, erfuhren aber keine Unterstützung vom Vater und kümmerten sich alleine um ihre Kinder. Auf die Frage, was ihr größtes Problem ist und was sie sich wünschen, antworteten alle gleich: Sie möchten gerne ein kleines „Business“ machen, wie beispielsweise Fisch, Reis oder Gemüse verkaufen. Eine Frau sagte sogar: „Ich träume davon eines Tages etwas zu verkaufen, um eigenes Geld zu verdienen und meinen Kindern Essen und Kleidung kaufen zu können.“
Die Mütter kochten an diesem Tag Reis und Grünkohl. Den Grünkohl brachten sie selber mit, wodurch sie zeigen sollen, dass sie sich für das Projekt verantwortlich fühlen und ihren Teil dazu beitragen. Dieses von Schwester Regina eingeführte Ritual ist wirklich sinnvoll.
Die Kinder waren uns gegenüber anfangs sehr skeptisch, trauten sich später zum Teil jedoch sogar uns die Hand zu geben. In den nächsten Tagen würden wir ihnen sicherlich Stück für Stück näher kommen können.
Besonders besorgt waren wir um 4 Wochen alte Zwillinge, Mary und Jack. Ihre Mutter hat eine Behinderung und kann sich nur mit Krücken fortbewegen, bzw. fährt für längere Strecken in einem Rollstuhl. Ihre Nichte hilft ihr mit den Babys zum Haus der Schwestern zu kommen. Beide Babys sind stark unterernährt. Wenn man ihr leichtes Atmen nicht wahrnehmen würde, würde man vermuten, sie seien tot. Auch diese Frau wird von ihrem Mann nicht unterstützt. Wörtlich sagte sie: „Müssten meine Babys Plastiktüten aus dem Supermarkt als Windeln tragen, wenn mein Mann mich unterstützen würde?“
Wir hoffen, diese Babys in den nächsten Tagen aufpäppeln zu können.
Nachmittags setzten wir uns sofort mit Schwester Regina und Schwester Delphine zusammen, um unsere Ideen für das Projekt auszutauschen. In den kommenden Tagen werden wir uns noch ein Mal absprechen und genaueres planen.
Gerade kommen wir von unserem ersten Besuch zweier Frauen direkt im Dorf. Im Vergleich zu Kasama und Musenga Village stellt sich die Wohnsituation hier etwas anders dar: Kazembe, mit ca. 20.000 Einwohnern, wird als zweitgrößtes Dorf Sambias angesehen. Auch das Haus der Sisters of Mercy befindet sich inmitten dieses Dorfes. Ein Stadtzentrum gibt es folglich nicht, aber es gibt etwa 200m vom Haus entfernt einen Markt, von dem wir bereits im letzten Bericht geschrieben haben.
Heute Morgen holte uns die 24-jährige Pressures an unserem Haus ab, um uns ihr zuhause im Dorf zu zeigen. Wie wir gestern im Gespräch mit ihr erfahren haben, hat sie mit 24 Jahren zwei Kinder: Martha, die zwei Jahre alt ist und Mwansa, ein Sohn, der 11 Jahre alt ist. Sie selbst ist HIV positiv und muss täglich Tabletten nehmen. Diese bekommt sie kostenlos in der kleinen Klinik hier in Kazembe, allerdings ist sie vor der Einnahme (selbstverständlich) dazu angehalten, etwas zu essen, was für sie oftmals nicht möglich ist. Zu ihrer Erscheinung ist zu sagen, dass sie sehr dünn ist und ihr kleines Mädchen kaum auf dem Rücken tragen kann. Der Vater der Kinder lebt nicht mit der Familie zusammen, sodass Pressures auf die Hilfe ihrer Mutter angewiesen ist.
Nachdem wir das Haus erreicht hatten, lernten wir die Hausgemeinschaft kennen: Es ist ein 3-Generationenhaus, in welchem Pressures mit ihren Kindern und ihrer Mutter, die drei Waisenkinder von Pressures verstorbener Schwester großzieht, zusammenlebt. Das Haus bewohnen die Frauen und Kinder nur zur Miete, welche pro Monat etwa 6 Euro beträgt. Wie wir im Gespräch mit ihnen und Schwester Regina erfahren haben, war die Großmutter in den letzten zwei Monaten nicht in der Lage, die Miete zu bezahlen, weswegen der Vermieter bereits angedroht hat, die Familie rauszuschmeißen. Wie es schien, ist dies nur noch eine Frage der Zeit, denn sie haben keine Idee, wo sie das Geld hernehmen sollen. Auch die Lebensmittel waren mittlerweile ausgegangen: Die Großmutter zeigte uns den fast leeren Eimer mit Maismehl und auch Salz war nicht mehr vorhanden. Es gab kaum noch etwas Essbares.
Zwei der drei Waisenkinder waren in der Vergangenheit zur Schule gegangen und einer von ihnen hatte sogar nur Einsen und Zweien mit nach Hause gebracht. Für das kommende Tertial, was nächsten Montag beginnt, können sie das Schulgeld bis jetzt jedoch nicht aufbringen. Auf die Frage, was die Familie machen kann, um sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, antworteten die Frauen: „Unser Traum ist es, ein Kapital zu haben, um etwas zu verkaufen und auf diese Weise für die Familie sorgen zu können.“ Nach dem Gespräch durften wir uns die vier Räume des Hauses ansehen: Eine Art Küche, in der einige Töpfe und Schüsseln standen, eine Art Schlafzimmer, in dem wir ein Bett vorfanden, welches mit einer dünnen, kaputten Strohmatte als Matratze ausgestattet war. Darüber hinaus gab es noch einen Schlafraum für Pressures und ihre Tochter Martha, in welchem sich lediglich eine total kaputte Strohmatte und eine dünne Schaumstoffmatratze befanden.
Wir saßen im „Wohnzimmer“, in welchem zwei kleine Hocker für uns aufgestellt worden waren.
Während wir im Gespräch die Hintergründe des täglichen (Über)Lebens der Familie kennengelernt hatten und die bedrückte Stimmung der Familie wahrnahmen, war uns klar, dass wir an dieser Stelle den Ärmsten der Armen helfen müssen. Um der Familie das Überleben für die nächsten Tage zu sichern, kauften wir ihnen für fünf Euro Maismehl, von welchem sie sicher für einige Tage satt werden können. Sie dankten uns vielmals und wir konnten erst mal mit einem beruhigten Gefühl zur nächsten Familie gehen.
Dort besuchten wir Eliyah (31 Jahre), die 5 Kinder hat und in einem sehr kleinen Haus neben dem ihrer Eltern wohnt. Ihr Mann wohnt mit ihr zusammen und hat in der Vergangenheit mit dem Bau von traditionellen Chuckles (Stöpfchen, die mit Kohle zum Kochen verwendet werden) ein bisschen Geld verdient. Nun ist auch er von HIV betroffen, sodass er keine Kraft mehr hat, dieser Tätigkeit nachzugehen. Außerdem fehlen ihm die Arbeitsmaterialien: Das Fahrrad, welches der Mann für seine Arbeit braucht, stand mit einem platten Reifen im Haus.
Auch in dieser Familie gingen drei der fünf Kinder zur Schule, was für sie ab dem kommenden Montag – so wie es bis jetzt aussieht – aufgrund des fehlenden Schulgelds nicht möglich sein wird.
Trotz der vergleichbar aussichtslosen Situation dieser Familie, lächelte die Mutter während unseres Gespräches die meiste Zeit und ihr kleiner Sohn (1 Jahr), namens Future (engl. Zukunft), streckte uns seine kleine Hand entgegen, was die Hoffnung, die diese Menschen in unsere Arbeit setzen, symbolisch noch unterstrich.
