Sa 17 Sep 2011
Die klebenden Hände
von Rouqfore in Blogs
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Eine herausragende Übung im Wing Tshun nennt sich „Klebende Hände“ auf Chinesisch „Chi Sao“. Dabei handelt es sich um Partnerübungen, bei der durch kontinuierliches Drücken der Arme gegen die Arme des Partners, ohne den Kontakt zu verlieren, Bewegungsschleifen durchgeführt werden. Dabei wechseln ständig die Informationen vom drückenden und empfangenden Partner hin und her. Es ist somit ein Wechselspiel, zu viel oder zu wenig Druck, welches sich auf den ganzen Körper projiziert.
Die Arme dienen dazu, die wechselnden Druckverhältnisse aufzunehmen und in den Körper weiterzuleiten, die Körperspannung, die eigene und die des Partners erfahrbar zu machen, zu konditionieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen (vorgehen, wenden, zurückweichen).
Zum Lernerfolg zählen blitzschnelle Reaktionen, die ohne nachzudenken ausgeführt werden können, sobald von einem Gegner, auf die vorgeschobenen, schützenden Arme, Druck ausgeübt wird. Dabei lernt der / die Schüler/in schnell, dass der Druck richtig „gesendet“ und „empfangen“ werden muss, weil die Schultermuskulatur nicht dazu geschaffen ist, längerfristig starken Druck (noch dazu von einem großen und schweren Partner) aufzunehmen, bzw. dass der Körper bei schlechten Stand, unkontrolliert nach vorne oder zurück fällt.
Die Übung stärkt den sicheren Stand (Gleichgewicht), als auch die Wahrnehmungsfähigkeit der Übenden. So lernt man maßvoll mit der eigenen Energie umzugehen, bzw. mit dem Körper zu „hören“ (Kräftefluss) und Chancen zu nutzen, die sich aus einer nicht geschützten Stellung bieten.
Im Freikampf werden alle Chi Sao Übungen (Kombinationen) regelfrei geübt. Dabei gibt es nur die Nahkampfdistanz, in der ebenso Ellenbogen und Beine eingesetzt werden dürfen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig Ansatzpunkte zu erkennen, Lücken in der Deckung des Gegners zu erkennen und diese aus verschiedenen Winkeln zu nutzen. Die Partner sehen dabei keinen Vorteil in dem sie voreinander zurückweichen, sondern indem sie die Nähe suchen.
Gerade diese Übung lässt sich in Verbindung mit philosophischen Grundsätzen des Daoismus bringen. Chi Sao ist eine Übung, in der die schützende Deckung des Gegners nicht als unüberwindliche Mauer betrachtet wird, sondern vielmehr als Sprungbrett, diese Mauer zu überwinden. Wuwei lehrt, dass man nur abzuwarten braucht (handeln durch nicht tun), der Gegner, im Bemühen etwas zu tun, seine Deckung öffnet (spontanes handeln).
