Di 6 Sep 2011
Bessere Lebensperspektiven – eure und unsere Hilfe
von Natalie_und_Linda in Blogs
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Am Sonntagmorgen gingen wir gegen 9 Uhr ins Dorf, um Ireen zu besuchen. Auch Schwester Regina war noch nicht bei ihr gewesen, sodass sie nicht wusste wie weit es bis zu ihrem Haus war. In der Hitze liefen wir durch die staubigen Straßen und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Das Laufen in der Sonne war körperlich extrem anstrengend. Ganz am Ende des Dorfes erreichten wir schließlich Ireens Haus: Es hatte kein Dach und keine Türen und Fenster mehr. Die Flammen eines Buschfeuers hatten es Ende Juli zerstört.
Im letzten Bericht haben wir bereits von Ireen geschrieben: Sie hat vier Wochen alte Zwillinge, die extrem unterernährt sind und ums Überleben kämpfen und eine zweieinhalb-jährige Tochter.
Wir warteten draußen im Schatten bis Ireen mit ihrem Stock aus dem Haus gehumpelt kam und: lachte (!). Für längere Strecken nutzt sie einen Rollstuhl, den sie mit den Armen in Gang setzen kann.
Wir sprachen mit ihr und hörten ihr Schicksal: Ihr Ehemann, der mit ihr im Haus wohnt, wollte zu unserem Besuch eigentlich anwesend sein. Kurz vor unserer Ankunft war er noch vor dem Haus gewesen und hatte Gras geerntet, welches für das fehlende Dach genutzt werden sollte. Nun wusste aber plötzlich keiner, wo er abgeblieben war und wir waren ziemlich enttäuscht, weil wir uns gerne mit ihm unterhalten hätten. Außerdem erzählte Ireen uns, dass ihr Mann sie in keiner Weise unterstützt, für sich selbst aber weiß, wo er sein tägliches Essen bekommt. Ihn zu verlassen kommt für sie nicht in Frage, da die Menschen im Dorf dann anfangen würden, schlecht über sie zu reden und sie als Prostituierte betiteln würden. Sie würde aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen werden. Deswegen hat sie sich dazu entschlossen ihre jetzige Situation zu ertragen. Ein Teufelskreis, wir waren sprachlos…
Wie wir bei der Bekundung des Hausinneren sehen konnten, hatte die Familie kaum Hab und Gut. Außerdem erzählte die 39-jährige Mutter uns, dass die Milch für die Zwillinge und das Maismehl, welches Schwester Regina ihr letzte Woche mitgegeben hatte, vor kurzem gestohlen wurde (da keine Haustür vorhanden ist) und sie nun nichts Essbares mehr im Haus hat. Unvorstellbar… Und das war noch nicht alles: Das Haus, was den Flammen zum Opfer gefallen war, gehörte Ireens verstorbener Tante, die zuvor hier gewohnt hatte. Nun wollten die Kinder der Tante ihren Anspruch auf das Haus geltend machen und versuchten Ireen wegzuschicken.
Was uns trotz ihrer schlimmen, fast ausweglosen Situation faszinierte, war, dass sie immerzu lachte und sehr freundlich zu uns war. Sie stellte keine Forderungen an uns, ob wir ihr dies oder jenes ermöglichen könnten, wie wir es mit anderen schon erlebt hatten. Wir informierten uns im Gespräch über die Reparatur des alten Hauses und die Möglichkeit eines eventuellen Kaufs eines neuen Hauses, was ihr und ihren Kindern genug Schutz geben könnte. Daraufhin berichtete sie, dass sie in der Nähe ein Grundstück ihrer verstorbenen Eltern besäße, auf welchem sie leben könnte, wenn sie dort ein kleines Haus hätte.
Bevor wir uns auf den Rückweg machten besichtigten wir das Grundstück, von dem Ireen uns berichtet hatte. Es ist groß genug, um dort ein Haus zu errichten und sie hätte zusätzlich genug Fläche um einen kleinen Garten anzulegen.
Mittlerweile war es ca. halb 11. Es wurde wärmer und wärmer. Die afrikanische Sonne brannte auf unserer (weißen) Haut. Die Straße nahm kein Ende, der Heimweg schien unendlich. Da auf der Straße kaum Autos fuhren, konnten wir niemanden um eine Mitfahrgelegenheit bitten. Wirklich anstrengend. ENDLICH, nach ca. 45 Minuten Gehweg war das Haus der Schwestern zu sehen und wir konnten kaum glauben, dass wir es bald geschafft hatten!
Zuhause angekommen mussten wir das soeben Erlebte erst einmal verarbeiten. Die vielen neuen, sehr drastischen Eindrücke und der anstrengende Weg machten uns sehr zu schaffen. Zudem ging es uns körperlich an diesem Tag nicht gut. Alle Anzeichen deuteten auf einen Sonnenstich hin.
Das Treffen mit den Frauen und Kindern fiel am Montag eher sporadisch aus. Noch immer spürten wir die körperlichen Beeinträchtigungen des Vortages. Die Mütter kochten ein vollwertiges Essen aus Nshima, Grünkohl und Fisch. Die Kinder ließen es sich schmecken.
Leider fühlte sich die HIV-infizierte Mutter, der wir am Samstag Maismehl geschenkt hatten, an diesem Tag nicht gut. Dennoch hatte sie sich mit ihrem Kind Martha auf den Weg zu den Schwestern gemacht, um ihrem Kind eine Mahlzeit zu ermöglichen.
Viele Frauen nehmen extrem viel auf sich, das war uns schon bei unserem letzten Aufenthalt in Sambia aufgefallen. In Situationen, die anderen Menschen verzweifeln lassen, sind diese Frauen stark und geben nicht auf. Sie kämpfen für sich und ihre Kinder und gehen damit an ihre persönlichen Grenzen. Das gleiche zeigte sich am Sonntagmorgen auch bei Ireen, die in ihrer miserablen Lage nicht weinte und uns noch nicht einmal um Hilfe bat, sondern alles tapfer ertrug.
Zum Abschied schenkten wir am Montagmittag jedem Baby eine Windel (Handtuch und Panty als Hülle sind üblich). Die Mütter zeigten sich überglücklich über dieses Geschenke und bedankten sich bei allen Spendern, die uns die Möglichkeit zu dieser Investition gegeben hatten!
Neben unserer direkten Arbeit mit den Frauen und Kindern, machen wir uns nach wie vor täglich Gedanken darüber, welche profitschaffende Investition für die Frauen sinnvoll wäre, um einerseits den Frauen, andererseits dem Projekt langfristig zu Gute zu kommen.
Deswegen machten wir uns nachmittags auf den Weg zu unseren Nachbarn, zwei Patern aus Polen, mit denen wir über den Kauf einer Pressmaschine für Kerne aller Art (Palmenfrüchte, Sonnenblumen, Melonen, Kokosnüsse etc.) sprachen, da sie bereits Erfahrungen mit einer solchen Maschine gemacht hatten. Durch das Pressen kann aus den Kernen wertvolles Öl gewonnen werden. Leider mussten wir einsehen, dass eine solche Investition zum einen zu teuer ist (die beste Qualität haben Maschinen aus Deutschland, die importiert werden müssten) und zum anderen eine zusätzliche Arbeitskraft eingesetzt werden müsste, die die Arbeit an der Maschine leitet. Nichtsdestotrotz wäre dies eine sehr sinnvolle Investition, da hierdurch die Kerne als natürliche Ressourcen des Landes genutzt werden könnten (in Kazembe gibt es Palmenkerne im Überfluss) und ein nährstoffreiches Gut, das Öl, gewonnen werden könnte.
Am Dienstag kamen die Frauen einzeln mit ihren Kindern zu uns und wir verteilten Milch mit Glukose. Selbst die Kinder, die zuerst Angst vor der fremden, weißen Flüssigkeit hatten, tranken den Becher gierig aus, nachdem sie erst auf den Geschmack gekommen waren.
Außerdem maßen wir jedes Kind, um die mitgebrachte Kleidung, die wir am letzten Tag unseres Einsatzes verteilen werden, bereits vorher zuteilen zu können.
Nachdem die Kinder gegessen hatten folgte ein wichtiges Gespräch mit Sr. Regina, Sr. Delphine, den Frauen und uns, in dem wir ihnen von unserem Vorhaben berichteten, ihnen ein Startkapital zu geben, um ihnen den Schritt in die Unabhängigkeit ermöglichen zu können. Bereits bei unserem ersten Treffen hatten wir die Frauen nach ihren Zukunftswünschen gefragt und durchweg die Antwort erhalten, dass sie gerne ein kleines „Geschäft“ machen würden, indem sie beispielsweise Reis, Gemüse oder Fisch verkaufen. Dadurch könnten sie Geld verdienen, um ihre Kinder selber zu ernähren und damit auch den Weg aus der Armut finden könnten. Auch bei unserem jetzigen Gespräch hatten die Frauen gute Ideen und bereits Vorstellungen, wie sie hinsichtlich der Art und des Umfangs des Geschäfts vorgehen könnten.
Wir werden in den kommenden Tagen mehr hierüber berichten.
