Do 4 Aug 2011
Mit Zahnbuerste und TT-Schlaeger nach London
von Jens Lang in Blogs
1 Kommentar
Der Blick auf die deutsche Wetterkarte des letzten Wochenendes löst bei mir fast schon ein wenig Mitleid aus. Bewölkt, zeitweise Regen, 14 Grad, und das im Juli. „Immer Sonne wird auch irgendwann langweilig“, habe ich in der Vergangenheit oft zu Hören bekommen, wenn ich vom Wetter in Queensland geschwärmt habe. Nach nun sechs Wochen in Brisbanes Winter wird mir morgens beim Blick in den blauen Himmel überhaupt nicht langweilig. Im Gegenteil, ich finde es jeden Tag besser. Noch am letzten Freitag hatte die Wetterfee im TV für den Sonntag „möglicherweise leichten Regen“ vorausgesagt. Viel weiter kann man eine Wettervorhersage eigentlich nicht verfehlen: Den ganzen Tag Sonne im Überfluss, und die allermeiste Zeit keine Wolke am Himmel bei 22 Grad. Vielleicht lassen die TV-Sender hier mittlerweile die Praktikanten die Vorhersage schreiben, weil man dabei eigentlich sowieso nichts falsch machen kann.
Seit Mitte vergangener Woche habe ich mein eigenes Auto, welches der TT-Verband für mich besorgt hat. Die hohen Kosten für den Mietwagen kann ich mir nun sparen, das entlastet das Bankkonto. Die für meinen Aufenthalt und meinen Alltag wichtigen Dinge habe ich nun soweit organisiert, jetzt kann ich mich bei jeweiliger Gelegenheit um Freizeit und Hobbys kümmern, denn es gibt hier sehr viel zu unternehmen und zu sehen. Etliche Strände liegen innerhalb einer Autostunde Richtung Norden oder Süden, Golfen kann man hier an 365 Tagen im Jahr und klar – irgendwann will ich natürlich auch aufs Brett, denn hier gibt es tolle Surfbuchten in unmittelbarer Nähe. Und besseres Wetter kann man zum Lernen nicht bekommen. Am Samstag bin ich vormittags beruflich an der Gold Coast. Den Rest des Tages werde ich in Surfers Paradise verbringen und vielleicht mein neu erworbenes Body Board testen.
Ganz ungefährlich sind die Strände hier im Übrigen nicht. Neben den Haien, Stachelrochen und Quallen, die einem hier gefährlich werden können gibt es an einigen Stellen Strömungen, gegen die der beste Schwimmer nicht ankommt. Diese finden meistens unterhalb der Wasseroberfläche statt, in dem Moment wenn die Brandung vom Strand zurück ins Meer weicht, und ziehen einen an den Ohren Richtung offenes Meer. Zum Glück gibt es an allen gut besuchten Stränden Lifeguards mit dem nötigen Rettungsequipment.
Am vergangenen Wochenende habe ich hier mit ein paar Freunden meinen Geburtstag gefeiert. Zuerst gab es Dinner in einem indischen Restaurant in Woollongabba, und danach gings in die City in verschiedene Bars und Clubs. Gerade in Downtown gibt es ein paar tolle Locations mit dem zusätzlichen Vorteil, dass ich innerhalb von fünf Fussminuten zu Hause bin und mich um kein Taxi kümmern muss.
Das Nachtleben findet hier in Brisbane übrigens früher statt als in Deutschland. Zum Dinner trifft man sich gegen 18h oder 19h, und in die Bars und Clubs geht es schon ab 21h. Gegen 2h oder 3h früh ist in den meisten Locations dann das Licht aus.
Das Partyviertel befindet sich im „Fortitude Valley“, in der Nähe Downtowns. Hier knipsen sich manche Aussies gerne auch schon vor 2h früh selbst die Lichter aus – zumindest für diese Nacht. Generell ist der nach vorn verschobene Beginn des Nightlifes keine schlechte Sache. Man ist für gewöhnlich früher im Bett und hat deutlich mehr vom nächsten Tag.
Im Job finde ich mich Schritt fuer Schritt immer besser zurecht. Die Findungsphase wird sicher noch eine Weile dauern, aber mein Verstaendnis fuer die Arbeitsweise und Mentalitaet des TT-Verbands und seiner Mitarbeiter, inklusive meiner Vorgaengerin, wird jeden Tag besser. Denn wenn ich in Zukunft Veraenderungen herbeifuehren will, dann muss ich zunaechst kapieren, weshalb in der Vergangenheit bestimmte Entscheidungen so oder anders getroffen wurden. Gerade als „externer Neuling“, der keine Historie (ausser ein paar Besuchen und Freundschaften mit australischen Spielern) innerhalb der australischen Tischtennisstrukturen besitzt habe ich es ungleich schwerer die etablierten Leute im System fuer meine Vorstellungen von Veraenderungen zu gewinnen, als z.B. ein Australier, der seit eh und je ein integrativer Teil des Sports hier im Land ist. Vor diesem Hintergrund muss ich in der Lage sein meine Vorstellungen substantiell begruenden und sie selbstbewusst vertreten zu koennen, sonst werden die tollsten Ideen gleich wieder aus ihrem Fundament gerissen. Aber ich bin auf einem guten Weg dorthin und weiss Woche fuer Woche besser was ich innerhalb meiner Position und Kompetenz aus welchem Grund in Zukunft anders machen werde.
Seit Montag hat das Thema Olympia in der Oeffentlichkeit und damit auch fuer meinen Job eine gehobene Praesenz. Bis London 2012 ist es nun noch knapp ein Jahr, und die Vorbereitungen gehen in allen Bereichen (fuer Athleten, Trainer, Offizielle ebenso wie fuer die Nationalen Olympischen Kommittees, das IOC, sowie an vorderster Front die Organisatoren der Spiele) in die entscheidende Phase. Am Montag stand die „One-Year-To-Go“-Konferenz mit sechs Vertretern des Australischen Olympiakommittees an, bei dem sich das AOC ueber den Stand unserer Vorbereitungen informiert hat. Das Thema Olympia, bzw. Olympiateilnahme ist unvorstellbar komplex, und wenn mit den Anwaelten des AOC die unterschiedlichen Dokumente (Athletenvereinbarungen, Reise- und Frachtversicherungen, Nominierungskriterien, Anti-Doping-Regularien, Kleiderordnung, Qualifikationskritierien, Einspruchsrecht der Athleten, etc., etc.) Wort fuer Wort auseinandergenommen und dann wieder ineinander verflochten werden, dann gehts inhaltlich und sprachlich dahin wo es wehtut Die meisten Anwaelte des AOC haben zudem keine sportliche Vergangenheit oder Erfahrung. Da kommt es dann schonmal zu Reibungen, wenn die Advokaten Paragraphen erzwingen wollen die zwar juristisch Sinn machen moegen und so in den Buechern stehen, aber im jeweiligen Sport ueberhaupt nicht anwend- oder umsetzbar sind.
Obwohl mein Einblick noch begrenzt ist wird mir schnell klar, dass die Vorbereitung, Organisation und Durchfuehrung Olympischer Sommerspiele mit allem was dazu gehoert (von der Bewerbung als Austragungsort bis zur Abschlussfeier und allem was danach kommt) eine Aufgabe von unvorstellbaren Dimensionen ist. Vielleicht waere es einfacher einen Menschen (denselben) auf den Mond, den Everest und zum Erdkern zu bringen, alles innerhalb von 24 Stunden natuerlich.
All das traegt dazu bei, dass die Olympischen Spiele fuer alle Involvierten die hoechste Bedeutung im Sport haben. Wenn sich beim kontinentalen Qualifikationsturnier im Maerz 2012 australische Spieler qualifizieren, dann werde ich als Coach in London dabei sein. Und im August 2012 in Sydney den gecharterten Qantas-Airbus der australischen Olympiamannschaft zu besteigen, um zu den Olympischen Spiele zu fliegen ist schon etwas mehr als nur ein Wunsch von mir.
Auch die Einkleidung betreffend gibt es natuerlich klare Vorschriften und Ansagen: Auf dem Hinflug soll man ausser der Zahnbuerste und dem eigenen Sportgeraet am besten alles zu Hause lassen. Denn alles was man darueber hinaus im Olympischen Dorf braucht bekommt man vor Ort in zwei grossen Reisekoffern. Ich stelle mir vor wie ich in leichter Sommerbekleidung, einer Zahnbuerste in der linken und einem TT-Schlaeger in der rechten Hand zum Check-In Schalter gehe.
Check-In Dame: „Guten Tag, wohin fliegen Sie bitte?“
Ich: „London. Schlaeger und Buerste gehen als Handgepaeck durch, oder?“
Abwarten und Daumen druecken…
Allerbeste Gruesse aus Brisbane

Hallo,
immer sehr interessante Artikel, die Du schreibst, hab schon oft geschmunzelt. Verfolge deinen Blog regelmäßig, da sehr locker vom Hocker geschrieben und nicht so trocken wie von manch anderen Bloggern… 🙂
Ja, mit 22 bis 24 Grad bei Euch würde ich gerne tauschen. Wir überlegen hier, die Heizung anzumachen.
Netten Gruss und weiterhin frohes Schaffen und Eingewöhnen!
Ines