Di 16 Aug 2011
Jen, Jenf oder Jeng?
von Jens Lang in Blogs
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"Na Kumpel, du hast dich für den Abend aber gut eingerichtet, was“, fragt mich der leicht untersetzte Mittfünfziger, als ich den Aufzug betrete. Er schaut mich mit fröhlichem Gesicht und vor Lachen zugekniffenen Augen an. Seine schüchterne Frau versteckt sich halb hinter ihm und hält sich an seiner Hand fest. Es ist ungefähr 18:45h am Freitagabend.
„Ja, hab Kohldampf“, schwatze ich zurück während ich Tiefkühlware, Nudeln, Milch, Brot und Nutella aus dem Supermarkt zwischen Arm und Kinn balanciere.
„Und wo ist das Bier“, fragt ein klappriger, etwa 70jähriger Rentner dazwischen, der ebenfalls mit im Aufzug steht.
„Im Kühlschrank,“ grinse ich ihn an.
„Haben die dir im Supermarkt keine Tüte für deine Sachen gegeben,“ fragt der Untersetzte besorgt.
„Doch, aber die ist unterwegs gerissen.“
Die Vorstellung dieses Ereignisses scheint in seiner Frau Mitgefühl auszulösen und sie kommt aus der Reserve: „Oh je, das ist mir auch schon passiert. Die Tüten sind so dünn, da kann das leicht passieren. Deswegen lasse ich mir schwere Sachen immer in zwei Tüten einpacken.“
„Mmh, gute Idee. Schönen Abend noch,“ bedanke ich mich mit artigem Lächeln für den Tipp, als der Aufzug im 13. Stock hält.
„Dir auch,“ und „bis dann Kumpel“, lachen die Rüstigen, die weiter nach oben fahren.
Die Australier haben Schwierigkeiten mit meinem Namen. Sie können den irgendwie nicht so astrein schreiben. „Jen“, „Jans“, ein „Jens Rang“ einer chinesischen Dame war auch schon dabei, sogar schon ein „Jenf“. Die beliebteste Version unter den Verirrungen ist eindeutig „Jeng“. Ist mir alles nicht so ganz verständlich, weil man gerade bei E-Mail-Korrespondenz in der Signatur die richtige Schreibweise sehr leicht ablesen kann. Hieße ich „Santhirasakaram Vibasanthasuntharam“ und käme aus Madagaskar, dann könnte ich es nachvollziehen. Aber „Jens Lang“? Hey, den kurzen Namen pinkelt ein Eskimo beim ersten Versuch ohne Fehler in den Schnee. Bei Telefongesprächen mit Help-Callcentern meines Internetproviders in Kapstadt, Manila oder sonst wo geht es dann schon mal etwas weiter daneben: „Ian“, „James“ oder „Stan“. Mir egal, ich nehme es auf entspannt-australische Art.
Über das Wetter komme ich nach wie vor nicht hinweg. Der Himmel über Queensland ist eine wolkenfreie Zone. Nur neulich irgendwann, da hat es mal für eine knappe halbe Stunde dünne Bindfäden geregnet. Das ist dann häufig eine Meldung in den 19-Uhr-News im TV wert.
Morgen ist hier in Brisbane übrigens „public holiday“, also ein gesetzlicher Feiertag. Derzeit findet das jährliche Brisbane Festival „Ekka“ statt, was im Grunde eine riesige Kirmes ist. Es gibt Fahrgeschäfte ohne Ende die zwischen den etlichen Bühnen stehen auf denen Bands und Comedians auftreten, sowie Stuntshows mit Monstertrucks und Motorcross, viele Präsentationsstände von örtlichen Rugby- und AFL-Klubs, Radiostations, und, und, und. Für die Stadt und die Einwohner ist es ein echtes Großereignis. Und weil in der Stadt eben Kirmes ist, haben hier morgen also alle frei. Mir ist es recht. Auch daran merkt man, dass Brisbane inzwischen zwar eine Metropole mit 2 Millionen Einwohnern ist, aber gleichzeitig immer noch Traditionen und Gewohnheiten einer „Country Town“ existieren.
Woche für Woche lerne ich hier den Alltag besser kennen, und die kleinen Unterschiede zu Deutschland und Europa werden mir bewusster. Z.B. sind die Australier ziemliche Sparfüchse. Wenn es geht werden unnötige Ausgaben vermieden und das Geld lieber für Urlaube oder größere Anschaffungen gespart. In der Vergangenheit habe ich das häufig als Geiz gedeutet. Aber mittlerweile sehe ich das anders, denn ich bin selbst etwas davon betroffen. Es ist hier in Australien unüblich sein Girokonto in den Dispobereich hinein zu nutzen oder gar zu überziehen. Zum einen wird das in erster Linie besser verdienenden Haushalten gewährt, zum anderen sind die Zinsen gepfeffert. Deswegen machen das hier die wenigsten Leute. Und das bedeutet, wenn auf dem Girkonto eine Null steht, dann ist Schluss bis das nächste Gehalt kommt. Wer in dem Moment einen leeren Kühl- oder Brotschrank hat muss zu Freunden gehen, wenn er etwas essen will. Wer keine Freunde hat knabbert Baumrinde oder fängt Fische. Auch das Bezahlen von Rechnungen wird selten per Dauerauftrag oder Lastschriftverfahren erledigt. Viele Australier bezahlen die Strom-, Telefon-, usw.-Rechnungen manuell, weil sie den Zeitpunkt ihrer Ausgaben flexibel bestimmen und kontrollieren wollen.
Ich werde, auch das ist in Australien üblich, im zweiwöchigen Rhythmus bezahlt. Nachdem die Fixkosten abgebucht sind habe ich jeweils einen klaren Überblick was für den Rest der beiden Wochen zum Ausgeben bleibt. Und deshalb überlege auch ich mir genau welche Ausgaben nötig sind und welche nicht.
Ganz hervorragend ist in diesem Zusammenhang die Nachricht, dass ich Ende der Woche endlich meinen Anwohner-Parkschein erhalte. Damit kann ich hier in Downtown an drei Strassen meinen Wagen stehen lassen solange ich will. Darüber freut sich das Portemonnaie, denn jetzt kann ich mir die täglichen 8 AUD Parkgebühren sparen.
Am Samstag stand eines der „Team Processings“ des australischen Olympischen Komitees in Surfers Paradise an der Gold Coast auf dem Programm. Das AOC veranstaltet in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in London im ganzen Land Infotreffen für die potentiellen Olympiateilnehmer, bei dem Briefings gehalten werden und Maß für die Einkleidung genommen wird. Für das Meeting an der Gold Coast hatte das AOC in ein schönes Hotel geladen. Für mich war es das erste Mal, und deswegen bekam ich bei der Ansprache und emotionalen, stolzen Präsentation schon ein wenig Gänsehaut. Nach einem dreistündigen „Referat“ im Schnellzugtempo über An- und Abreise, Eröffnungsfeier, das Olympische Dorf, den „Do´s and Dont´s“ den Medien gegenüber, sowie den gröbsten sonstigen Infos ging es in den Nebenraum wo Fotos geschossen, Profilinfos über die eigene Person in die Datenbank eingetragen wurden und die Teambekleidung anprobiert wurde.
Neben anderen Sportlern war u.a. das komplette Basketballteam mit dabei. Darunter waren Jungs, die mich um anderthalb Köpfe überragten. Bei denen konnte die Schneiderin das Maßband besser gegen einen Zollstock eintauschen.
Den Nachmittag habe ich entspannt am weitläufigen Strand verbracht mit einem Nickerchen und einem kurzen Sprung ins Wasser.
Am Sonntag geht es für mich für vier Tage nach Melbourne. Dort werde ich die größten Klubs des Bundesland Victoria besuchen. Es ist wichtig für mich einen Eindruck zu bekommen von dem Umfeld, in dem die jungen Talente des Landes das TT-Spielen erlernen und anschließend (hoffentlich) in die richtige Richtung gefördert werden. Ein ähnlicher Besuch steht in der Woche darauf in Sydney an. Dort bin ich seit meiner Ankunft noch nicht gewesen, deswegen wird es Zeit, dass ich mich auch dort blicken lasse.
Der erste Besuch in Deutschland führt mich in der ersten Novemberwoche nach Magdeburg, wo die australische Nationalmannschaft am World Team Cup teilnimmt. Das wird sicher ein ungewöhnliches Erlebnis, aber ich freue mich auch darauf, denn dort werde ich nach längerer Zeit viele Bekannte wieder treffen. Und eventuell habe ich im Anschluss ans Turnier noch den einen oder anderen Tag um Familie und Freunde zu besuchen. We´ll see!
Bis dahin Beste Grüße aus Brisbane
