Mi 17 Aug 2011
Endlich bei den Frauen und Kindern angekommen
von Natalie_und_Linda in Blogs
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Aufgrund einiger afrikanisch begründeter Zwischenfälle, erreichten wir erst am Montagabend unseren ersten Zielort im Norden Sambias, Kasama. Wir starteten um 6.30 Uhr mit dem Bus von Lusaka, der uns bis nach Kapiri fuhr, welches im sogenannten Copperbelt liegt. Von dort wurden wir ca. zwei Stunden später von einem Auto zur Weiterfahrt nach Kasama abgeholt. Schwester Antoinette, die uns am Flughafen erwartet und die vergangenen Tage begleitet hatte, fuhr mit uns. Gegen halb eins starteten wir dann, um die noch ca. 600 km bis nach Kasama in Angriff zu nehmen. Die geteerte Straße, die vom Süden bis in den Norden des Landes verläuft, erwies sich für den Großteil der Strecke als richtig europäisch. Auffallende Unterschiede gab es lediglich darin, dass es keinerlei Schilder oder Geschwindigkeitsbegrenzungen gab, dass sich die Mitfahrer hinten nicht alle anschnallen konnten und dass es auch keinerlei Leitplanken gab. Trotzdem erreichten wir Geschwindigkeiten von etwa 150 Stundenkilometer – uns war bewusst, dass die Schutzengel über dem Auto ganz schön zu tun hatten. Ein wenig anstrengend wurde es jedoch erst, als wir gegen 18 Uhr noch ca. 100 km vor uns hatten und die Dunkelheit bereits einbrach. Da im Moment die Jahreszeit Winter in Sambia vorherrscht, geht die Sonne um ca. 7 Uhr auf und bereits gegen 18 Uhr unter. Die Temperaturen erreichen nachts bis zu 5 Grad und tagsüber bis zu ca. 35. Wir hatten das große Glück, dass die beiden Fahrer so vertraut mit der Strecke waren, dass sie jedes Schlagloch kannten und wir dieser Gefahr schonmal sicher ausweichen konnten. Dass allerdings auch Tiere unseren Weg kreuzten, konnten die Fahrer nicht wissen, so gab es leider eine Konfrontation mit einem Schwein, was jedoch zum Glück noch grunzend im hohen Gras des Straßenrandes verschwand. Gegen 19 Uhr waren wir schließlich sicher in Kasama angekommen und genossen es richtig, durch die Stadt auf das Haus der Schwestern zuzufahren. Dort wurden wir bereits von den Schwestern mit dem Abendessen erwartet und es war besonders schön, Schwester Judith vom letzten Aufenthalt wiederzusehen.Am Dienstag ging es endlich los: Schwester Florence, Schwester Reginas Nachfolgerin, welche nun für die Frauen und Kinder aus Musenga Village verantwortlich ist, erwartete mit uns ab 8 Uhr etwa 17 Frauen mit ihren unterernährten oder/und kranken Kindern. Sofort erkannten wir eine der Frauen noch von 2007 wieder und auch sie erinnerte sich an uns: „Mwashebukeni Mukwai“ Muli Shani?“ (Guten Morgen! Wie geht’s dir?) Ansonsten waren es schon einige neue Gesichter, die uns neugierig – vor allem die der Kinder – beäugten. Obwohl wir uns den Ablauf heute eigentlich erst mal nur aus nächster Nähe anschauen wollten, ergab es sich, dass wir mit allen in einem Kreis saßen und wir jede Frau mit ihrem Kind oder ihren Kindern kennenlernen durften und uns anschließend vorstellen konnten. An dieses Kennenlernen in großer Runde schloss sich dann ein weiteres, persönliches Gespräch mit jeder einzelnen der Frauen an. Es war interessant und wichtig zu hören, welche Probleme jede einzelne täglich beschäftigte: Neben einigen, die selbst an Aids erkrankt waren und an einigen Tagen keine Kraft hatten, sich um Nahrung für die Familie zu kümmern, gab es andere, die nicht nur selbst, sondern deren Kind auch an der Krankheit Aids litten. Ein besonders schlimmes Schicksal erfuhren wir von einer Mutter, die ihr fünf Monate altes Baby auf dem Arm trug. Dieses hatte eingegipste Arme und schien sehr schwach zu sein. Sie erzählte uns, dass ihr Neugeborenes nach der Geburt Lähmungen in den Armen und Beinen zeigte und dass die Ärzte der Krankenhäuser in Kasama und Lusaka (Hauptstadt Sambias) außer dem regelmäßigen Gipsen der Arme und einer regelmäßigen Bewegungstherapie (alle zwei Wochen!) nichts weiter machen konnten. Die Mutter vermutete darüber hinaus, dass sie etwa drei Tage nach der Geburt selbst einen Schlaganfall erlitten haben musste, da auch sie in der linken Körperhälfte eine eingeschränkte Beweglichkeit und Kraft feststellte. Medizin erhalten hatte, war dort auch noch eine junge Mutter, die Zwillinge im Alter von drei Monaten besaß und nicht in der Lage war, beide zu stillen und uns um zusätzliche Milch bat. Neben weiteren Problemen, die sich selten als einfach zu lösen zeigten, gab es jedoch auch viele positive Gespräche und Worte der Mütter: Sie bedankten sich herzlich für die Hilfe, die wir leisten und leisteten und viele von ihnen sprachen den Wunsch aus, eigene kleine Geschäfte machen zu wollen, um sich und ihrem Kind neue Möglichkeiten zu eröffnen. Dies erfreute uns sehr, da wir in diesem Moment von den Frauen genau das hörten, was wir als Ziel und Idee für unsere weitere Entwicklung im Projekt realisieren möchten: Hilfe zur Selbsthilfe.Darüber hinaus baten uns einige der Frauen um Schulgeld, damit sie ihren Kindern einen Besuch in der Vorschule der Sisters of Mercy (im Dorf Musenga) oder in einer der anderen Regelschulen ermöglichen konnten.Sehr traurig war, dass einem sehr geringen Anteil der Frauen Männer zur Seite standen. Lediglich von zwei Frauen erfuhren wir, dass die Väter der Kinder wohl in der Nähe waren, jedoch keine Arbeit hatten und sie daher nicht unterstützen. Der größere Teil der Frauen antwortete auf unsere Frage mit einem unsicheren Lächeln folgendermaßen: „Der Vater? Er ist verschwunden. Ich weiß nicht wohin.“ Oftmals war diese Flucht nach der Bekanntmachung der Schwangerschaft passiert. Sehr zu unserer Freude wurde die Schaukel, die 2007 nach unserer Abreise von euren Spendengeldern für die Kinder erbaut wurde, fleißig genutzt (siehe Foto).Auch das Ritual des Händewaschens schien nicht in Vergessenheit geraten zu sein, da sich einige der Frauen und Kinder vor dem Essen die Hände über einem Wassereimer wuschen.Die Mahlzeit bestand an diesem Tag aus Nshima, dem typischen Maisbrei des Volkes der Bemba, roten Bohnen und Grünkohl. Alles wurde auf die mitgebrachten Teller aufgeteilt und dann gemeinschaftlich gegessen. Wie auch schon vor vier Jahren tat es richtig gut, die Kinder essen zu sehen. Zu unserer Freude machten wir uns am Nachmittag schon auf den Weg in das Dorf Musenga Village, welches etwa 1,5 km vom Haus der Schwestern entfernt ist und für ca. 8000 Menschen eine vermeintlich „normale“ Lebensmöglichkeit bietet. Die erste Begegnung, die wir hier machten, war mit einer sehr liebevollen Frau, die wir ebenfalls aus 2007 kannten. Vor vier Jahren war ihre Tochter ein Jahr alt geworden und überlebte die ersten Lebensmonate nur knapp, da sie sehr klein und schwach war. Heute stand sie mit ihren stolzen fünf Jahren neben ihrer Mutter und wusste gar nicht, wer wir waren, als diese uns Fotos von 2007 zeigte, die wir ihr nach unserem Aufenthalt geschickt hatten.Zusammen mit ihr besuchten wir eine Familie, die uns eine weitere traurige Geschichte eröffnete: In der kleinen Hütte, die wie alle anderen spärlich mit Stroh und Plastik bedeckt war, lag eine junge Frau. Ihre Mutter, die wir am Morgen mit ihrem zweieinhalb jährigen Enkelsohn kennengelernt hatten, erklärte uns die traurige Situation: Ihrer Tochter, die etwa 25 Jahre alt war, fiel vor einiger Zeit ein schwerer Ast auf den Rücken, sodass sie seit diesem Zeitpunkt querschnittsgelähmt war und sich nicht aus dem Haus bewegen konnte. Für die alltäglichen Bedürfnisse musste sie aus dem Haus getragen werden. Sie hatte sich vom ständigen Liegen auf der harten Strohmatte bereits wundgelegen und äußerte darüber hinaus Schmerzen im Rücken. Dinge, die ihr Leben etwas lebenswerter machen könnten, waren zum einen eine Matratze und eine Decke, damit das Liegen und das Schlafen erträglicher wurden und zum anderen wäre ein Rollstuhl eine wahre Erleichterung, um außerhalb des Hauses mobiler zu werden. Uns war klar, dass wir mindestens eine dieser Möglichkeiten realisieren wollten.Nach diesem Schicksal erfuhren wir ein weiteres: Das Haus einer Frau, war bis zur Hälfte abgebrannt und sie hatte alles verloren, was sie bis dahin an wenig Hab und Gut besessen hatte. Das Dach war zur Hälfte abgebrannt und es war unvorstellbar, wie sie dort die vergangenen Nächte verbracht hatte. Neben diesen Lebensgeschichten, die wir kennenlernten, machten wir erneut die Erfahrung des „Fremdsein“ im schwarzafrikanischen Sambia. Schon seit der Ankunft im Dorf waren uns mehr und mehr Kinder gefolgt, die uns ununterbrochen beäugten und uns kurze, unsichere Blicke zuwarfen. Schenkten wir ihnen ein Lächeln, lächelten sie zurück und wir konnten in ihren Augen sehen, dass sie die vertrauten Züge auf beiden Seiten erleichterten. Als wir bereits auf dem Rückweg waren, trafen wir noch eine weitere Freundin, die wir bei unserem letzten Besuch sehr ins Herz geschlossen hatten: Taisha, die 2007 mit siebzehn Jahren ein Baby vor dem Überleben schützte, welches sie nach einer Vergewaltigung geboren hatte. Dieses Mädchen hatte sie nach unserer Abreise zu unserer Erschütterung verloren. Beim jetzigen Treffen zeigte sie uns jedoch ihr zweitgeborenes Kind, welches im Alter von zwei Jahren war. Wir schossen ein Foto zur Erinnerung und wussten, dass dies nicht der letzte Besuch in Musenga Village für die kommenden zwei Wochen gewesen war. Voll von diesen Eindrücken, werden wir uns in den nächsten Tagen der direkten Umsetzung möglicher Hilfe widmen, die – wie ihr sehen könnt – nach wie vor mehr als notwendig ist. Zu unserer Freude konnten wir es ermöglichen, dass die Frauen und Kinder während der Zeit unseres Besuches in Kasama, anstatt zweimal, dreimal wöchentlich zu den Schwestern kommen, sodass wir sie öfter sehen können. Auf das nächste Zusammentreffen sind wir bereits besonders gespannt, da wir unsere mitgebrachten Spielsachen endlich auspacken möchten!
