Fr 22 Jul 2011
Simote Pepa is loving it
von Jens Lang in Blogs
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Das momentan alles bestimmende Thema in der australischen Öffentlichkeit ist die neue CO²-Steuer, die die liberale Regierung um Regierungschefin Julia Gillard in 2012 einführen wird. Die sieht eine Besteuerung des CO²-Ausstosses vor, wovon an vorderster Front die produzierende Industrie, aber auch die privaten Haushalte betroffen sind. Während die Regierung die neue Steuer als Investition in erneuerbare Energien und damit in die Zukunft verkauft, verteufelt sie die Opposition als Jobkiller und Ruin für schlechter verdienende Familien. Verwunderlich daran ist welch eine Empörung und endlose Diskussion diese Maßnahme in den Medien und der Bevölkerung auslöst. Denn die Australier sind ansonsten überaus umwelt- und tierfreundlich, die Natur ist ihr wichtigstes Gut. Umweltminister war z.B. bis vor kurzem (jetzt ist er Bildungsminister) Peter Garrett, der Frontman der bekannten australischen Popgruppe „Midnight Oil“ (größter Hit „Beds are Burning“). Schon während seiner Musikkarriere war er engagierter Umweltaktivist, viele seiner Songtexte sind politisch motiviert und sehr kritisch. Das ist ungefähr so, als wäre Campino von den „Toten Hosen“ Deutschlands Familienminister.
Aber mit dieser CO²-Steuer tun sich die Australier irgendwie schwer. Und Julia Gillard kann einem schon fast leid tun, wenn sie bei ihren täglichen PR-Terminen auf ihrer CO²-Werbetour durchs halbe Land Tag ein, Tag aus identische Fragen gestellt bekommt und jeweils identische Antworten geben muss.
Mir kommt das alles wie sehr viel Lärm um Nichts vor. Mal schauen, wie lange sich dieses Thema noch in den Medien hält.
Dienstag bin ich frueh morgens zum Oceania Cup nach Adelaide geflogen. Am Nachmittag stand ein Radiointerview auf dem Programm, am frühen Abend dann der offizielle Empfang, bei dem ich als Vertreter des australischen TT-Verbandes ein paar Worte sagen musste. Gestern hatte ich dann am Vormittag zum Glueck etwas Zeit mir die Stadt inklusive Strand anzuschauen. Ein TT-Bekannter von mir wohnt in Adelaide und leitet die Notaufnahme des Royal Adelaide Hospital. Er hat mich herumgefuehrt und mir die schoensten Ecken gezeigt. Die Stadt hat 1,1 Mio. Einwohner, ist also von der Groesse her in etwa mit Koeln vergleichbar. Aber wenn man in der Innenstadt oder an den Strandpromenaden unterwegs ist kommt man nicht im Traum darauf sich in einer Millionenstadt aufzuhalten, zumindest jetzt im Winter nicht. Selbst in Downtown herrscht so gut wie nie Gedraenge, es gibt etliche grossflaechig angelegte Gruenflaechen, und genug Platz fuer alle. In einem Moment befindet man sich in einer der Hauptstrassen zwischen Buerotuermen mit den Niederlassungen der grossen Unternehmensberatungen, Banken und Anwaltskanzleien. Und im naechsten Moment, genauer gesagt zwei Parallelstrassen weiter sieht es aus wie in einer ruhigen Vorortstrasse. Im Uebrigen habe ich auch hier in Adelaide seit meiner Ankunft Sonnenschein und blauen Himmel im Ueberfluss.
Am Finaltag heute sind gluecklicherweise alle, drei Damen und drei Herren, australischen Spieler noch im Rennen. Heute steht jedoch in beiden Konkurrenzen je ein Halbfinale gegen neuseelaendische Spieler an, bei dem die Chancen aus unserer Sicht ausgeglichen oder sogar gegen uns stehen. Wenn zwei australische Spieler aufeinandertreffen bin ich als Coach natuerlich zur Neutralitaet verpflichtet und habe Pause.
Die Sieger im Herren- und Dameneinzel qualifizieren sich jeweils fuer den World Cup und erhalten nebenbei noch 5.000 USD Preisgeld.
Obwohl ich in Erdkunde eigentlich einigermassen auf Zack war weiss ich ueber teilnehmende Inselstaaten wie Kiribati, Tonga oder Vanuatu herzlich wenig. Was aber sehr schnell rueberkommt ist, dass die Bewohner dieser Inseln sich um andere Dinge Sorgen machen, als die Europaeer. Eigentlich scheinen die sich um ueberhaupt nichts sorgen zu machen, denn sie laufen 24 Stunden am Tag mit einem Laecheln durchs Leben. Sie sind den australischen Spielern hoffnungslos unterlegen und bewegen sich von ihrer Spielstaerke zwischen der deutschen Landes- und Kreisliga. Trotzdem gebuehrt ihnen mein Respekt, denn sie nehmen eine lange Reise mit Boot und mindestens zwei Flugzeugen, sowie entsprechende Kosten auf sich, um sich dann an drei Tagen in Adelaide im Tischtennis vermoebeln zu lassen. In den Vorrundengruppen spielte z.B. die australische Nummer drei gegen „Simote Pepa“, den besten Spieler aus Tonga. Simote ist Mitte Vierzig, etwa 1,60m gross und unglaublich kraeftig und staemmig. Er hat Wadenmuskeln wie Popeye nach einwoechiger Spinatkur und einen dicken, runden Bauch mit viel leckerem Insel-Essen drin. Nach einem laengeren Ballwechsel und mehreren Schmetterbaellen hintereinander ging ihm im dritten Satz ploetzlich die Puste aus und er begann heftig nach Luft zu schnappen. Waehrend ich kurz davor war meinen Bekannten in der Notaufnahme anzurufen und seine Bereitschaft abzufragen, drehte sich Simote hechelnd um und japste mit einem breiten Lachen und zwei Goldzaehnen im Gesicht: „Haha, I love it!“ Und im naechsten Moment war er wieder konzentriert und gab sein Bestes, um zumindest den einen oder anderen Punkt zu gewinnen.
Ich habe ihn nach dem Spiel gefragt wo er denn die Wadenmuckis her haette. Er lachte diebisch und sagte nur: „Natur!“
Am Samstagmorgen geht es fuer mich weiter nach Melbourne. Dort treffe ich im Rahmen der Victoria Open Funktionäre, Trainer und Spieler von verschiedenen Verbänden. Am Sonntagabend dann Rückflug nach Brisbane. Mit etwas Glueck kann ich am Samstagabend die Brisbane Broncos bei ihrem Auswaertsspiel bei Melbourne Storm anfeuern. Die Gastgeber haben im letzten Jahr die Premier League gewonnen und gehoeren auch in dieser Saison zu den ganz heissen Titelanwaertern. Die Broncos muessen schon 100% abrufen, wenn sie bei den Stormers gewinnen wollen. Also „Go the mighty Broncos!“
