Di 30 Jun 2009
Zuviel im Kopf
von Mariella Steinweg in Lesertagebuch
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Dass Wetter einen krank machen kann, wusste ich zwar schon, aber heute durfte ich es mal wieder am eigenen Leib erfahren: Zwischen all den lockeren Caprihosenträgern und den bunten Tops mit nassen Achseln versuchte ich mir tagsüber meinen Weg durch die Straßen zu bahnen, in der Hoffnung auf dem Fahrrad ein wenig Abkühlung zu finden. Es klappte – aber nicht lange. Warten auf das Gewitter, auf den großen Knall. Als ich mittags aus der Uni kam und der heiße Asphalt so deutlich nach Regen roch, dass ich schon mit freudiger Erwartung die Augen schloss und meine Arme ausstreckte, im Willen jeden Tropfen aufzufangen, stellte es sich als Trugbild heraus, als Gemeinheit. Kein Gewitter kam. Und es kommt immernoch nicht. Wie lange dauert ein Sommer? Im Wohnheim befindet sich mein Zimmer auf der guten Seite, es heizt sich nicht so sehr auf wie andere. Trotzdem: wenig bewegen, Schweiß abwischen und im Dunkeln bei offenen Flurfenstern vor den Ventilator der Freundin huschen. Wie lange dauert ein Sommer? Ich habe jetzt schon genug. Nicht genug Platz für einen eigenen Ventilator leider. Das war die Geschichte mit dem Wetter, das einem Kopfschmerzen bereitet. Allerdings habe ich noch weitere Gründe, mir Eiswürfel auf die Stirn zu legen: Um bloß nicht beim Einschlafen an die kommenden Klausuren zu denken, oder an Metrik in mittelalterlicher Literatur oder an Friedrich Barbarossa oder an Quellenkunde oder an das noch ausstehende Referat. Eines allerdings füllt im Moment sämtliche freie Sekunden in meinem Kopf aus: Diese eine Hausarbeit, die in meinem Computer sitzt, halb fertig, und den Rest will sie mir nicht hergeben. Diese Hausarbeit, die irgendwo da drin ist und sich vor mir versteckt und mich nicht voran kommen lässt. Hätte ich die hinter mir, hätte ich wieder Platz im Kopf. Wie lange dauert eine Hausarbeit? Es ist viel zu heiß hier.
