So, da bin ich wieder – gut erholt und voller neuer Energie aus meinem Urlaub zurückgekehrt und ja, ich gestehe, ein wenig hat mir in meiner Abwesenheit die Arbeit schon gefehlt. Insbesondere die Jugendlichen, die einem im Verlauf eines Jahres ja schon vertraut geworden und auch ein wenig ans Herz gewachsen sind.
Heute möchte ich über eine kurze Gegebenheit berichten, die mir am gestrigen Tage doch wieder auf tragisch-komische Weise das Dilemma der so unterschiedlichen Erwartungen in Verbindung mit meinem Beruf vor Augen geführt hat: Anlässlich des Weltkindertages gab es gestern auch bei uns Werl eine in meinen Augen großartig organisierte und durchgeführte Veranstaltung auf dem Innenhof der Basilika. Die nachdenkliche Situation begab sich jedoch im Anschluss an diese Veranstaltung.
Die Aufräumarbeiten waren soweit abgeschlossen, die Autos beladen und zurückgeblieben waren nur ein Besen und ein voller Müllbeutel. Beides musste noch zurück ins Jugendzentrum. So habe ich mir beides geschnappt und bin damit durch die Fußgängerzone in Richtung Jugendzentrum gegangen. „Passt doch zu Streetwork!“, rief man mir dann zu. Mit Besen und Müllbeutel unterwegs zu sein; also für Sauberkeit, Ordnung und vermutlich auch für Ruhe zu sorgen, kann dies wirklich Streetwork sein? Und falls ja, wie sollte das gehen?!
Diese Frage beschäftigt mich seit gestern und meine Gedanken dazu möchte ich gerne mit Ihnen teilen: Grundsätzlich definiere ich meine Arbeit ja so, dass ich Gast in der Lebenswelt der Jugendlichen bin. Um dies mal für Sie an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ich die Jugendlichen an öffentlichen Plätzen aufsuche, so ist es vielleicht vergleichbar damit, wenn Sie mit Ihren Freunden eine Party im Garten feiern. Nehmen wir also an, Sie feiern eine Party im Garten, vielleicht trinken einige Gäste auch etwas viel, es geht insgesamt lauter zu. Da komm‘ ich dann ins Spiel: Ich tauche am Gartentor auf, erkläre, dass ich für Sie unterwegs und auf Ihrer Seite bin. Würde ich dann im nächsten Satz sagen: „Müsst ihr denn schon wieder so viel trinken? Ach, wie sieht es hier überhaupt aus? Und geht es nicht auch etwas leiser?“ Würde mir das in meiner Freizeit passieren – ich würde denken: „Was will die denn?“ – und wenn ich dann weiter „ zugetextet“ werden würde, dann würde ich mit Sicherheit auch irgendwann denken: „Hau ab!“. Würde es Ihnen anders gehen?! Ich befürchte nein…
Fassen wir also zusammen – wenn ich diesen Weg gehen würde, würden Sie mich bestenfalls als lächerlich empfinden und schlimmstenfalls irgendwann hassen. Aber, wie kann es dann funktionieren, den Jugendlichen das Gefühl zu vermitteln, dass ich wirklich die Jugendlichen als meinen Auftraggeber ansehe? Damit meine Worte für sie mehr als nur leere Worte sind? Dies kann nur funktionieren, wenn ich akzeptierend arbeite – ich muss es persönlich nicht toll finden, wenn jemand um 15.00 Uhr schon eine Flasche Wodka trinkt – aber ich akzeptiere es. Und diese Akzeptanz ist Grundlage für eine respektvolle zwischenmenschliche Beziehung. Nur wenn diese sich festigt, besteht die Möglichkeit einen Blick hinter die Fassaden zu werfen, zu erfahren, warum um 15.00 Uhr schon Wodka getrunken wird. Damit kann eine vernünftige Basis geschaffen werden, um auch tiefergreifende Probleme gemeinsam anzugehen und vielleicht auch Begeisterung für eine andere Art der Freizeitbeschäftigung zu finden. Klingt jetzt vielleicht einfach, aber wir wissen ja alle, wie schwierig Beziehungsarbeit sein kann. Mitunter muss man viel einstecken und es ist ein langer Prozess, bis man einem Gegenüber wirklich vertraut.
Liebe Leser – ich habe die Hoffnung, dass dieses Einbeziehen in meine Gedanken vielleicht auch Sie ins Überlegen bringt und Sie – falls Sie mich einmal mit Besen und Mülltüte sehen – nicht denken: „Passt doch zu Streetwork!“.
Das soll es für heute gewesen sein, beim nächsten Eintrag wieder mehr zu meiner Projektarbeit…