Fiedensdienst – Was’n das?

„Nach Polen? Du kommst auf Ideen…“, war die Reaktion von manchen Bekannten, als sie hörten, dass ich ab Ende dieses Sommers ein Jahr in Olsztyn verbringen werde, um dort einen Freiwilligendienst in einem Freilichtmuseum zu leisten. Über meine Erfahrungen in unserem Nachbarland, von dem wir so wenig wissen, werde ich diesen Blog führen. Tatsächlich habe ich im Vorfeld einige Punkte zusammen gestellt, die für Polen sprechen: Die Landschaft, der Artenreichtum, eine lebendige Musikszene… Nicht zuletzt ist Polen der wichtigste Außenhandelspartner Deutschlands und kann auf eine Geschichte zurückblicken, die eng mit der deutschen verknüpft ist. Mal sehen, ob ich das Land wirklich als derart interessant erleben werde.

Für meine Idee, einen Freiwilligendienst zu leisten, spielten wohl die üblichen Faktoren eine Rolle: Sie entstand ursprünglich aus dem naiven Wunsch heraus, etwas „Gutes“ zu tun und gleichzeitig die Welt zu entdecken. Dieser Wunsch hat nicht direkt an Bedeutung verloren. Noch immer will ich hautnah eine andere Kultur kennen lernen, eine neue Sprache lernen, selbstständiger werden, das Leben ausskosten und etwas tun das sich „sinnvoll“ anfühlt (wobei die Frage bleibt, was überhaupt sinnvoll ist), etc. Doch andererseits weiß ich, dass ich mich in Olsztynek nicht für die Menschenrechte einsetzen werde. Oder für ein etwas ähnliches. Der Gedanke, der auch von Pax Christi aus dahinter steckt, ist vielmehr, einen kleinen eigenen Teil zur Völkerverständigung und somit zum Frieden innerhalb Europas zu leisten.

 

Rückblick: Eine Woche in Berterath

So weit, so gut. Damit die „Friedis“ (Friedensdienstleistenden) in der Fremde nicht reihenweise depressiv werden oder in ein Fettnäpfchen nach dem anderen treten, verpflichtet Pax Christi sie zu einer achtwöchigen Vorbereitung. Das ist der Grund, weshalb ich ggerade in einer Plattenbauwohnung in Krakau sitze, wo ich drei Wochen mit den anderen sechs Freiwilligen verbringen werde, die ebenfalls nach Polen entsandt werden. Eine von uns geht nach Oswiecim (Auschwitz), um in einem Haus für Dialog und Gebet zu arbeiten, zwei andere leisten ihren Dienst in einem Kinderheim in Kisielany, zwei weitere in einer Jugendbegegnungsstätte in Kreisau und eine Freiwillige in einem Archiv in Olsztyn. Mit ihr werde ich eine WG teilen, voraussichtlich ebenfalls mit anderen Freiwilligen aus Osteuropa.

Hinter uns liegt bereits eine tolle Woche mit allen Friedis dieses Jahrgangs (darunter beispielsweise auch Leute, die in den Kosovo, nach Kiew und nach Lateinamerika geschickt werden) im abgelegenen Berterath. Kennt wahrscheinlich keiner, existiert aber tatsächlich. Nämlich in Belgien knapp hinter der deutschen Grenze. Dort ging es um unsere Erwartungen, die Erwartungen an uns, die Phasen eines Freiwilligendienstes (phantasievoll mit Namen wie „Honey Moon“ und „Sauerkrautphase“ betitelt), Kooperation, Kommunikation und andere nützliche Fähigkeiten. Es war anstrengend, vor allem, da wir in einem Selbstversorgerhaus untergrebracht waren, aber ich fühle mich jetzt wirklich schon viel bereiter als zuvor. Außerdem hatten wir unseren Spaß. Aufwärmspiele, die mir vom Improtheater her bekannt vorkamen,  sorgten für Abwechslung. Sogar Alkohol wurde, so lange es nicht übertrieben wurde, akzeptiert (oder begrüßt? ;D ) und einige von uns blieben regelmäßig bis zum frühen Morgen auf.

Einer der Höhepunkte für mich war eine Art Orientierungslauf, bei dem wir in Grüppchen in unterschiedlichen Orten ausgesetzt wurden und selbstständig zurück nach Berterath finden mussten. Unterwegs sollten wir gewisse Aufgaben erledigen: Ein Ei kochen, einen Apfel über Zwischenstufen gegen etwas möglichst Großes eintauschen, ein Lied dichten… Sooo lustig und eine so schöne Landschaft, die wir dabei zu Gesicht bekommen haben!

 

Man muss sich auch mal etwas gönnen…

Seit Montag versuchen wir jetzt möglichst viel  der polnischen Sprache in unsere Gehirne reinzupressen. Fünf Schulstunden am Tag kommen wir in den Genuss eines Intensivsprachkurses. Darüber hinaus bleibt aber noch genug Zeit, die Stadt zu entdecken. Na gut, ich hätte heute vielleicht getreu meines Vorsatzes Vokabeln lernen können, anstatt durch das jüdische Viertel zu spazieren und an der Weichsel entlang zu gehen. Wie dämlich wäre jedoch, die Gelegenheit, das Leben in Krakau zu genießen, nicht zu nutzen? Schließlich habe ich gehört, dass wir uns in „Polens heimlicher Hauptstadt“ aufhalten.

Die niedrigen Preise hier verführen ebenfalls dazu, sich mal etwas zu gönnen. Wir waren schon in einem ukrainischen Restaurant, wo ich für vegetarische Kohlrouladen mit zwei Gläsern Wasser umgerechnet sechs Euro ausgegeben habe. Im jüdischen Viertel gab es leckeren Kaffee und wunderschöne Klezmer-Darbietungen. Da wir allerdings von Pax Christi täglich fünf Euro pro Person für Verpflegung bekommen, haben wir in den letzten Tagen über unsere Verhältnisse gelebt. Ab heute wird ein bisschen gespart.

Insgesamt ist mein erster Eindruck der Stadt sehr positiv, obwohl die Innenstadt von Tourismus geprägt zu sein scheint. Immerhin fahren dort kaum Autos, man muss höchstens aufpassen, nicht von den Elektrofahrzeugen überrollt zu werden, die Touristen an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbei transportieren und dabei erstaunliche Geschwindigkeiten aufnehmen können. Oder von einer der riesigen weißen Kutschen, die Touren durch die Altstadt anbieten.

Es gibt hier aber noch Unmengen zu entdecken. Mehr zu meinen Impressionen (an dieser Stelle ein hochtrabendes Wort) und dazu, was ich bereits erlebt habe, schreibe ich in meinem nächsten Blogeintrag. Dann vielleicht auch etwas lebendiger sowie kürzer als mein heutiger trockener Bericht. Wir werden sehen. Jetzt ruft erst mal das Bett. Vielleicht komme ich sogar noch dazu, einen Blick in meine Vokabeln zu werfen, damit ich morgen ein „piórnik“ von „chusteczki“ unterscheiden kann. Ach, dass mit dem Polnischen wird schon. Immerhin kann ich mich nun recht detailliert vorstellen. Und wie Madita, eine andere Friedi heute meinte: „Polnisch klingt gar nicht wie Polnisch. Ich dachte immer, das wäre hässlicher. Ist aber eigentlich total schön.“

 

Also dann, falls diesen Eintrag irgend jemand gelesen hat und das Thema jemanden interessiert: Do widzenia und bis demnächst!


Über die Autorin/den Autor:  Nachdem ich dieses Jahr mein Abitur am Märkischen Gymnasium gemacht habe, beginne ich diesen Sommer einen Freiwilligendienst in einem Freilichtmuseum in Olsztynek, einem Ort im Nordosten Polens neben Olsztyn (dem ehemaligen Allenstein). Entsendeorganisation ist Pax Christi. Keine Sekte, sondern eine internationale Friedensbewegung. Aus Versöhnungsbestrebungen nach dem zweiten Weltkrieg entstanden, entsendet sie seit 1992 junge Menschen nach Osteuropa. http://pax-christi-aachen.kibac.de/seiten/index.html http://muzeumolsztynek.com.pl Alle Beiträge der Autorin/des Autors: