Inzwischen bin ich nun schon einen Monat hier in Namibia – unglaublich wie schnell die Zeit vergeht und unglaublich, wie schnell ich es vergessen habe hier etwas zu schreiben – nun also der offizielle Beitrag über die Trade Fair – ein Großereignis hier im Norden Namibias…

10 Tage Ausnahmezustand. Das bedeutet die Trade Fair für Ongwediva, der Kleinstadt am Rande von Oshakati in der ich wohne. Trade Fair ist ein Großereignis was hier jährlich stadtfindet und für Namibia in solchen Ausmaßen einzigartig ist. Aus ganz Namibia und auch aus anderen Südafrikanischen Ländern wie Südafrika 😉 , Angola, Botsuana, Sambia und Simbabwe kommen Aussteller, preisen ihre Waren an, stellen ihr Business/Ministerium etc. vor, betreiben Essensstände, Fahrgeschäfte oder, oder, oder…
Grund genug für mich, als ein in Bezug auf solche Veranstaltungen verwöhnter Soester, einen kleinen Vergleich zur Allerheiligenkirmes zu ziehen. An dieser Stelle eine Entschuldigung an alle Nicht-Soester die die Kirmes nicht kennen, aber ihr könnt euch die Soester Kirmes einfach als DAS Optimum vorstellen. Es ist also schon eine Ehre mit der Kirmes verglichen zu werden

Punkt 1 – Größe
Die Trade Fair findet auf einem großen Gelände statt, auf dem sich eine Messehalle befindet. Auf diesem Gelände befindet sich nichts anderes außer das Trade Fair Gelände, während in Soest die komplette Innenstadt benutzt wird und so alles entzerrt wird. Das Gelände hat den Vorteil, das man sehr schnell direkt bei seinen Lieblingsständen ankommt, aber an das Flair der Soester Altstadt ist auf einem solchen Gelände nicht nachzuahmen, auch wenn es im Dunkeln sehr schön ist über das Gelände zu gehen und überall an den Bars die Leute sitzen und das Feuer der Grills den Platz in ein warmes Licht taucht.
Während der Trade Fair kommen ca. 100 000 Gäste (+Aussteller) nach Ongwediva, einer relativ wohlhabenden Wohngegend mit aber nur wenigen (10.000?) Einwohnern. An die um ein Vielfaches Höheren Besucherzahlen der Soester Kirmes kommt sie natürlich so nicht heran, angesichts der Gesamtbevölkerung Namibias von ca. 2 Millionen und vor allem der enormen Größe des Landes ist dies aber ein betrachtlicher Wert. Wenn meine Mathekenntnise (bzw. der zu Hause liegende Taschenrechner) mich hier nicht im Stich lassen sind das ca. 5% der Gesamtbevölkerung. Von übertragen 4 Mio. kann Soest aber nur träumen – es ist also einfach schlecht vergleichbar. Fest steht jedenfalls, dass Trade Fair national gesehen sehr bekannt ist.

Punkt 2 – Rahmenbedingungen
Die Trade Fair, stets an einem Freitag beginnend, dauert 10 Tage und findet im Frühling statt, während die Allerheilgenkirmes nur 5 Tage dauert und findet Anfang November statt, also gefühlter Winterbeginn. Fest steht: Egal ob 5 Tage oder 10 Tage – man ist auf jeden Fall danach hundsmüde und einiges an Geld los. 10 Tage ist schon ziemlich lang für ein solches Event, dafür sind aber auch 2 komplette Wochenden mit inbegriffen. „Offizielles“ Schul/Behörden-frei gibt es hier so weit ich weiß nicht, aber da sowieso wegen der Trade Fair in Behörden usw. nicht viel los ist, ist auch hier der Betrieb deutlich runtergefahren und an viele standartmäßig wöchentlichen Aktivitäten ist in dieser Woche nicht zu denken.
Die gewählten Jahreszeiten haben natürlich auch ihren Einfluss auf das Gesamtereignis. Während in Soest man sich extra warm anzieht, können die Klamotten hier zumindest um die Mittagszeit nicht kurz genug und die Getränke nicht kalt genug sein. Beides ist Gewöhnungssache…

Punkt 3 – Fahrgeschäfte
In Soest bin ich ein begeisterter Karusellgänger – also war ich auch gespannt darauf, die rides hier auf der Trade Faire auszuprobieren. Der Fokus der Trade Fair liegt wie der Name schon deutlich macht auf dem Handel, weswegen die Karusselllandschaft nicht so ausgeprägt ist. Dennoch gibt es neben Belustigungsbuden wie Dosen- und Ringewerfen, bei denen es ungefähr genauso unmöglich ist wirklich zu gewinnen, einigen Kinderkettenkarussels auch 3 Fahrgeschäfte für große Kinder wie mich. Die Fahrgeschäfte sind in Bezug auf Beleuchtung, Technik, TÜV-Standarts usw. nicht direkt mit den deutschen vergleichbar, die Fahrten machen jedenfalls aber sehr viel Spaß was ja die Hauptsache ist. Am ehesten kann man 2 der Fahrgeschäfte mit Breakdance und Big Monster (ohne die dritte Rotationsachse) vergleichen. Das dritte ist ein wenig anders von den uns bekannten Karussels (geht seitwärts leicht über Kopf), wäre aber in Soest eins meiner Lieblinge. Die langen Fahrten sind mit 20 N$ (2€) für uns relativ billig, ist aber schon unter der Normalbevölkerung ein kleiner Komfort hier natürlich.

Punkt 4 – Essen
Ein ganz wichtiger Punkt für mich Wenn ich über Kirmes laufe, dann plane ich meistens schon vorher auf welcher Route ich wann an welchem Essenstand vorbeikommen und ob ich dann schon wieder Hunger haben könnte. Das Angebot hier ist nicht so vielseitig aber dafür stimmt die Menge… Die meisten Stände, wie auch der von meiner Arbeitsstelle, die einen Essenstand organisiert, bieten in erster Linie gegrilltes Fleisch/Fisch mit und ohne Beilagen an. Das Fleisch an sich ist allerdings vielseitig, von Würstchen und Steaks ist bis hin zu ganzen Hühnchen – alles in unterschiedlichen Zubereitungsarten – ist alles zu haben. Dazu gibt es immer einen scharfen Dip und gegen Aufpreis natürlich diverse Salate (!), Pommes (lecker wabbelig mit Essig), Reis oder Pap (Maismehlbrei). Weit verbreitet sind auch FatCakes und traditionelles Essen/Trinken wie Kuchen und verschiedene getrocknete Beeren/Früchte. Zur Erfrischung ist auch ein Softeis immer willkommen. Das tolle beim Essen ist nicht nur die servierte Menge, sondern auch der Preis. Preisleistungshit ist meiner Meinung nach immer noch der FatCake mit 1N$ (10cent), aber auch ein Becher Softeis für 5N$, ein Schlag Salat für 8N$ oder ein mindestens 2mal so großes Stück Fleisch wie in Deutschland für 20-25N$ ist mehr als in Ordnung. Und nun zu dem besten Punkt an der ganzen Sache. Allgemein gilt hier ein Motto, das immer wieder zitiert wird: „In Africa we share“ – das heißt soviel wie sobald irgendjemand sich etwas zu essen gekauft hat, bietet er es auch schon all seinen Freunden bzw. auch fremden Tischnachbarn an, mit denen man erst eine Minute gesprochen hat. So wird man selbst sehr gut durchgefüttert, aber bietet natürlich auch selbst seine Sachen an und kauft mal Getränke für die ganze Gruppe oder so. Und Anbieten ist nicht nur das man einige Pommes oder eins der leckeren Pizzabrötchen abgibt, sondern teilweise wirklich nur ein Bruchteil für einen selbst übrig bleibt. Das Motto basiert darauf, dass einfach das gemeinsame Essen eine freundliche Geste ist, und sich keiner darüber Gedanken macht, ob und wie viel man davon zurückkriegt oder sich revanchieren muss. „One day youll get it back – somehow“. Ich glaube nicht, dass irgendjemand schonmal daran gedacht hat, das für sich selbst auszunutzen. Ich fühle mich dabei jedenfalls sehr wohl, es ist ein gutes Gemeinschaftsgefühl was dabei entsteht, allerdings hab ich dann doch noch ein schlechtes Gewissen wenn man an einem Abend, wo man selbst eigentlich kein Geld mehr ausgeben wollte, von ein und der gleichen Person drei mal etwas ausgegeben bekommt. Hier merkt man doch einen kulturellen Unterschied, da bei uns ganz anders über Privatbesitz und Ausgeben gedacht wird. Ich find diese Einstellung hier aber auf jeden Fall sehr toll.

Punkt 5 – Verkaufsstände
Die Masse der Trade Fair wird von Verkaufsständen à la Topfmarkt oder Fußgängerzone bestimmt. Hier wird einfach alles verkauft, was man sich vorstellen kann. Lauter Plastikkrams, wie er auch bei den ganzen Soester Gewinnbuden zu finden ist, Schmuck, (moderne sowie traditionelle) Bekleidung, Handys, Kunst, Handys, Beautyartikel, Lebensmittel und, und, und… Sogar Frisöre sind anwesend und schneiden den Besuchern die Haare, bzw. richten sie her. Hier ist auf jeden Fall viel los und und ich muss mich ein wenig zurückhalten die vielen tollen Sachen noch ein viertes mal zu probieren und jetzt schon ans Souvenirkaufen zu denken. Ein wenig werd ich mir aber trotzdem wohl noch holen…
Im großen Messegebäude gibt es außerdem eine Menge Informationsstände, von Ministerien, Krankenhäusern und Universitäten die sich vorstellen, bis hin zu Handyanbietern und „selbstständige Privatpersonen“.

Punkt 6 – Musik
Die Musik ist schockierender weise an einigen Stellen auf einem ähnlichen (SuperHupfer)Niveau wie in Deutschland. Zumindest ein Fahrgeschäft hat mich mit Liedern wie „Heidi“ (!) und „Mary’s Boychild Jesus Christ“ –ein Weihnachtslied im August??? – beglückt. Ansonsten wird an fast allen Ständen neben den aktuellen internationalen Hits „afrikanischer House“ bzw. Rap gespielt, wo ganz coole Rhythmen dabei sind. Allerdings gehen mir jetzt schon, da ich jeden Tag am Essensstand mitarbeite, die aktuellen Hits auf die Nerven da sie subjektiv gesehen in Dauerschleife laufen. Meine Ohren sehnen sich außerdem nach einer Absprache wie zwischen Nessy, Musikexpress und den anderen Fahrgeschäften am Markt, die sich der Menschen erbarmen und durch ihre Lautsprecher die gleiche Musik abspielen. So wird man hier an einigen Stellen von drei unterschiedlichen Liedern gleichzeitig beschallt, was einerseits lustig ist und eine gute Stimmung verbreitet, auf Dauer aber auch leicht nervig ist. Ganz großer Vorteil der Trade Fair ist außerdem eine Bühne mit Livemusik. Auf dieser nicht mehr als 30m² kleinen Bühne treten hier abends die ganz großen namibischen Stars wie Gazza, Lady May und The Dogg auf.

Punkt 7 – Alkoholkonsum
Hier tun sich Soest und Ongwediva überhaupt nichts. Ich glaube es reicht fast aus wenn ich sage, dass Bier hier grundsätzlich in 750ml Flaschen für 1,50€ verkauft wird. Das Bier ist übrigens sehr gut hier, es gilt das deutsche Reinheitsgebot. Außerdem habe ich von einem traditionellem Drink gehört, der schon für 1N$ zu haben ist und schon ein Glas enorme Wirkung zeigen soll – ich hab ihn jedenfalls noch nicht gesehen. Auch in Bezug aufs Trinken gilt übrigens der Slogan in „In Africa we share“ und man kriegt überall etwas ausgegeben und gibt anderen aus, ohne darüber nachzudenken wer wem wie viel gegeben hat.

Alles in allem ist es also ein sehr schönes Fest hier. Vielleicht noch kurz zu dem was ich auf der Trade Fair mache… Und zwar hat das Center in dem ich arbeite einen Essensstand bekommen. Da im Büro zu dieser Zeit ohnehin nicht viel los ist und Trade Fair natürlich auch spannender ist, arbeite ich an diesem Stand mit. Mitarbeiten heißt in meinem Fall von Zeit zu Zeit Grillen, Feuerholz kaufen, Fleisch besorgen, Zwiebeln und ähnliches schneiden. Das Gute ist, dass insgesamt sehr viele Freiwillige/Ehrenamtliche aus dem Youth Club dabei sind und man sich dabei mit vielen netten Leuten gut unterhalten kann.


Über die Autorin/den Autor:  Jannis König aus Soest verbringt ein Jahr in Namibia. Er arbeitet im Gemeindezentrum in Ongwediva im Norden des Landes und unterstützt Kinder und Jugendliche. Über seine Arbeit berichtet er im Blog. Alle Beiträge der Autorin/des Autors: