Der Tag war bis dato nicht das, was man als erfreulich bezeichnen konnte. Meine  Stimmung entsprechend. Ein Tag im Juli, das Wetter durchwachsen mit der stündlichen Frage: T-Shirt oder Regenjacke? Ich habe gar keine Regenjacke, meine geliebte blaue Jeansjacke hält wie Taft bei  jedem Wetter.

Der Hund fragt nicht nach Temperatur oder Wettergebarden, wenn das wichtigste Tages-Geschäft ansteht. Also raus, ein Spaziergang durch die Anlagen. Die Hälfte des Weges geschafft, schon auf dem Rückweg.

Lautes eindringliches Vogelkreischen im Baum über mir. Und vor meinen Füßen ein kleines flauschiges Fiepen. Ein Vogelkind. Mitten auf dem Weg, von einem Beinchen auf das andere hüpfend. Ich schaue hoch und wieder runter. Das kleine Federetwas muss entweder aus dem Nest gefallen sein oder seine erste Flugstunde nicht gerade mit Bravour bestanden haben. Ich schaue genauer, weiß aber nicht, was es ist. Ein kleiner Vogel halt. Ich bin kein Ornithologe und mit Vogelerkennung stehe ich genauso auf dem Kriegsfuß wie mit Wimperntusche. Ich weiss nur eins: Möglichst nicht anfassen und erst mal aus der Gefahrenzone bringen. Hier mitten auf dem Weg muss es ihm ja vorkommen wie uns auf der Autobahn.

Neben dem Weg ist eine Wiese, auf der anderen Seite hohe Büsche. Ich kann meinen Hund nur fest am Halsband halten, der Terrier wittert die Beute. Leckere, zarte Vogelbrust… die Zunge schleckt mehrmals über die Nase, ein "Vögelchen in Aspik"-Bild vor Augen. Aber so ein Schmaus steht niemals in seinem Leben auf seiner Speisekarte, kann er nur von träumen.

Den Hund im Zaum haltend wie ein durchgehendes Pferd nehme ich mit der anderen Hand einen kleinen Ast, der am Wegesrand liegt und schiebe ihn vorsichtig auf das Tierchen zu. Der Vogel hüpft piepsend mit seinen kleinen Stelzen ein paar Zentimeter hin und her. Weitere Versuche meinerseits, den Vogel in Richtung Wiese zu bugsieren, quittiert er mit hastigen Flügelschlägen, ja er hebt dabei sogar ein paar Zentimeter vom Boden ab. Aber mehr auch nicht. Ich sehe mich schon den Vogel mitnehmen, um ihn hier nicht seinem Schicksal zu überlassen. Ich sehe schon eine Regenwurmfutterzucht auf der Terrasse stehen, bis der Kleine endlich seinen Flugschein bestehen würde. Dann plötzlich, nach weiteren Stöckchen-Schiebeversuchen: Die Flügel schaffen es, den noch jungen Körper in die Luft zu bugsieren und das kleine Federvieh vollbringt einen hektischen Auf- und Abwärtsflug, der letztendlich in einer hohen Hecke endet. Aus dem Baum über mir gesellt sich sofort ein weiterer Vogel dazu. Die bislang Zeter und Mordio schimpfende und nun glückliche Mutter?

Mein Tag ist auf einen Schlag freundlicher geworden. Ich fühle mich wie eine weibliche Tom Hanks: Ich Held. Ich kann flügge machen!

 

 

(Frida Fröhlich)


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