Di 7 Sep 2010
Schulsystem: Slovakia vs Deutschland
von Annika Fischer in Blogs
3 Kommentare
Ich hab ein bisschen Zeit, bevor ich schlafen gehe und hab mir überlegt euch mal das slowakische Schulsystem zu erläutern. Das ist nämlich total anders als in Deutschland.
Zunächst umfasst die „Grundschule“ hier nicht bloß vier Jahre, sondern neun. Nach diesen neun Jahren Grundschule dann entscheiden die Jugendlichen (also im Alter von 15 Jahren), was sie später beruflich machen wollen, denn hier gibt es keine einfache weiterführende Schule, oder gar so etwas wie Haupt-, Gesamt- oder Realschule/Gymnasium, nein, hier entscheidet sich ein Jugendlicher beispielsweise dafür Lehrer zu werden und geht dementsprechend auf eine Middleschool für Lehrer. Das hat mich schon ziemlich schockiert, ich meine, ich weiß ja jetzt noch nicht einmal, was ich eines Tages beruflich sein werde. Wie soll da ein 15-jähriger eine Entscheidung fällen? Man kann das in etwa vergleichen mit unseren Berufskollegs, wie zB der Bördeschule. Man spezialisiert sich auf einen bestimmten Abschluss, eben beispielsweise „Lehrer“, oder „Koch“. Daneben gibt es aber auch ein Gymnasium, wie wir es kennen, auf dem dann eben ein universeller Abschluss erreicht wird. Die Middleschool umfasst dann weitere vier Jahre.
Nach diesen vier Jahren kann man dann auf die Highschool bzw, Universität gehen. Und das läuft hier auch ganz anders ab, als in Deutschland. Hier muss man im Aufnahmeverfahren einen Test absolvieren. Und es ist vollkommen egal, was für einen Numerus Clausus man hat. Die vorausgegangene schulische Leistung ist vollkommen irrelevant. Man muss eben nur diesen Test bestehen. Und wenn man ihn nicht besteht, dann macht man ihn eben an einer anderen Uni, oder im nächsten Jahr noch einmal. Solange, bis man in besteht.
Es ist auch möglich, wenn man auf einer Middleschool für zB Lehrer war, danach Medizin zu studieren, solange man eben diesen Test besteht. Jeder kann also theoretisch alles studieren, WENN er den Test meistert. Die Schüler von den Gymnasien haben da natürlich die besten Chancen und normalerweise wird ein Jugendlicher von der Lehrer-Middleschool danach kein Medizin studieren wollen, aber es ist eben möglich.
Wir haben in der Familie hier darüber geredet und ich habe ihnen unser Schulsystem erläutert und sie sind sich einig, dass das deutsche Schulsystem sehr viel sinnvoller ist, denn hier kann (Zitat) „jeder Idiot“ studieren. Und da es keine Begrenzung gibt, ist die Slowakei beispielsweise überfüllt von Managern. Weil alle eben Manager werden wollen, die Möglichkeit dazu haben es zu werden und sie sich anscheinend wenig Gedanken über die Arbeitsmarktsituation machen. Die Slowaken verärgert es, dass dem Schulabschluss so wenig Bedeutung beigemessen wird.
Ich persönlich finde, ein Mittelweg aus beiden Systemen wäre die perfekte Lösung: Sowohl Numerus clausus, als auch ein studienorientierter Test sollte entscheidend sein. Damit man wegen eines „schlechten“ Ncs nicht automatisch keine Chance auf bestimmte Studiengänge hat.
Bis dahin
Annie

liebe annika –
es gibt denkweisen, die sind …bourgeois! die werden uns jeden tag vorgelebt und wir denken sie; wir sehen dann die logik der dummheit.
klar ist das schulsystem schlecht, wo jeder studieren kann und jeder das werden kann, was er will.
warum? weil jeder werden kann, was er will.
warum ist das schlecht?
das ist schlecht, weil dann das bürgertum (mittelstand / großbürgertum) sein eines grosses privileg verliert:
vollen zugriff auf die gesellschaftlichen hochpositionen.
klar –
die elite will nie, dass es keine elite mehr gibt. wer mag sich schon selbst abschaffen?
man muss einmal kritisch gegen sich selbst sein: warum möchte ich nicht, dass alle gleich sind? weil ich dann nichts besonderes bin. machen wir uns einmal gar nichts vor: in unserer gesellschaft sind wir auf der seite der sieger. wir SIND die bourgeoisie; wir SIND die, die studieren können und auf dem gymnasium waren.
wir SIND die, die bei dem system verlieren würden. einfach: die slowakei muss toll sein 🙂
und jetzt argumentieren wir mal von seiten der unterschicht aus:
es gibt schranken und die familie, in die man geboren wird, ist die erste. „armut wird vererbt“ – sagen studien, die niemand mag, weil sie bedeuten, dass es von geburt an keine chancengleichheit gibt. wie wahrscheinlich ists, dass die familie, in der ich bin, in der nichts mit bildung angefangen wird, es mir schafft beizubringen, den wert von lesen zu begreifen? gleich null.
das ist der mechanismus, mit dem das bürgertum es bis heut hinkriegt (obgleich faktischer gleichheit aller) ihre eigenen kinder aufs gymnasium zu bringen und den rest auszuselektieren. die slowakei; wie du das beschreibst, bricht das system. wer wird also dagegen wettern? das bürgertum.
wir aber freuen uns, dass es keinen nummerus klausus gibt, wir freuen uns, dass alle die gleichen chancen haben (ist natürlich auch ne illusion, aber immerhin zu nem grösseren grad, da offenbar). wir freuen uns; denn wir sind die guten menschen – die sozialisten.
tja. und da ist man sich dann doch bewusst:
man kann ja doch fast darauf gehen, dass die, die da studieren, doch wieder bürgertum sind. aber immerhin: wenn da die ersten schranken geöffnet werden (nämlich: keine selektion mehr!), dann ist das dochmal ein weg in die richtige richtung.
annika, in dem was du schreibst, argumentierst du unbewusst mit folgender logik:
das system (gesellschaft) hat ein bedürfnis an so und sovielen managern / kloputzern / polizisten / etc. ergo: es muss sichergestellt werden, dies durch selektion (also aussortieren) sicherzustellen.
die kehrseite: du sagst – der einzelne muss dazu gebracht werden das zu tun, was nützlich ist. das heisst du sagst nicht: der einzelne muss das tun, was er WILL! dir scheint das gesellschaftliche gefüge wichtiger als das interesse der einzelperson. und das ist – im besten sinne – bürgerliche ideologie.
wir sagen: geben wir dem individuum freiraum. wenn das system zusammenbricht: desto besser 😀 meine meinung. was denkst du?